Arbeitsrecht: Krank gearbeitet, nicht entlassen

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Die Spionin eines Arbeitgebers ließ sich von einer krankgemeldeten Mitarbeiterin kosmetisch behandeln. Es folgte die Entlassung. Zu Unrecht, sagt der OGH.

Wien. Wer krank ist, sollte sich eigentlich schonen. Das sagt nicht nur der Hausverstand, sondern auch die arbeitsrechtliche Judikatur. Doch nicht immer ist eine Entlassung berechtigt, wenn ein Angestellter im Krankenstand gearbeitet hat. Das geht aus einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) hervor.

Die betroffene Frau arbeitete eigentlich im Empfangsraum einer Autowerkstätte. Sie nahm die Reparaturen auf, kümmerte sich um die Schadensabwicklung mit den Versicherungen und befasste sich mit Rechnungen und Personalangelegenheiten. Die Frau war teilzeitbeschäftigt. Als eine andere Mitarbeiterin krank wurde, wollte der Arbeitgeber die Frau überreden, Vollzeit tätig zu werden. Die Rezeptionistin weigerte sich, worauf der Arbeitgeber eine zweite Mitarbeiterin einstellte. Doch damit gingen die Probleme erst los. Denn die bereits länger dienende Mitarbeiterin fühlte sich nun ignoriert und hinausgedrängt. Sie klagte über Schlafstörungen, litt an Herpes und ließ sich krankschreiben. Der Arzt diagnostizierte „Mobbing“ und riet der Patientin, Abstand von der für sie belastenden Situation am Arbeitsplatz zu gewinnen. Der Krankenstand der Frau wurde immer wieder verlängert, insgesamt auf eineinhalb Monate. Inzwischen wurde auch eine „depressive Symptomatik“ festgestellt.

Detektivin provozierte Mitarbeiterin

Als der Arbeitgeber versuchte, seine Mitarbeiterin während des Krankenstands zu erreichen, machte er beim Studium des Telefonbuchs eine interessante Entdeckung. Unter der Telefonnummer der Frau war auch ein „Nagelstudio“ vermerkt. Tatsächlich hatte die Rezeptionistin eine Ausbildung als Nageldesignerin. Diese Tätigkeit übte sie aber, wie sie später betonen sollte, nur „im privaten Umfeld“ aus. Der Arbeitgeber vermutete nach dem Blick ins Telefonbuch nun aber, dass die Mitarbeiterin den Krankenstand bloß vortäuschte, und schaltete eine Detektivin ein. Diese rief bei der Frau an und bat um eine Behandlung ihrer Nägel. Zunächst vergeblich, die Mitarbeiterin im Krankenstand lehnte ab. Die Detektivin erhöhte aber noch den Druck: Sie erklärte, dass sie ein dringendes Vorstellungsgespräch habe. Nun bekam sie doch einen Termin. Die Detektivin zeigte sich bei diesem sehr interessiert. Umfangreiche Gespräche führten dazu, dass der Termin drei bis vier Stunden dauerte.

Die Falle war zugeschnappt, der Arbeitgeber sprach nun die Entlassung aus. Diese ist aber nur bei einem groben Fehlverhalten eines Arbeitnehmers möglich. Im Gegensatz zur Kündigung wirkt eine Entlassung sofort. Die Frau wehrte sich gegen die Entlassung und forderte eine Kündigungsentschädigung. Sie habe der Detektivin die Nägel nämlich nur deshalb gemacht, weil die darauf gedrängt habe. Das Landesgericht Graz betonte, es sei das Recht jedes Arbeitgebers, Nachforschungen über Mitarbeiter im Krankenstand anzustellen. Aber man dürfe niemanden wegen eines Verhaltens entlassen, das von einem Detektiv provoziert worden sei. Das Oberlandesgericht Graz bestätigte die Entscheidung. Es sei sittenwidrig und unzulässig, einen Arbeitnehmer dazu anzustiften, einen Entlassungsgrund zu setzen.

Der Oberste Gerichtshof betonte noch einmal, dass sich ein Angestellter im Krankenstand so verhalten müsse, dass er wieder möglichst bald seine Arbeit verrichten kann. Insbesondere gehe es darum, den Anordnungen des Arztes Folge zu leisten. In diesem Fall seien zwar keine eindeutigen ärztlichen Empfehlungen vorgelegen. Schon aus der Lebenserfahrung müsse man aber wissen, dass man bei einer derartigen Diagnose (Schlafstörungen, Depression) jede belastende Tätigkeit vermeiden soll. Bezweifeln könne man jedoch, ob man auch wissen müsse, dass bereits „ziemlich überschaubare und nach dem ersten Eindruck nicht besonders belastende Tätigkeiten ebenfalls zu unterlassen“ seien. Und selbst wenn, müsse man noch prüfen, ob ein betonter und offenkundiger Verstoß gegen die im Krankenstand geltenden Gebote vorliege.

Einmalige Tätigkeit nicht belastend genug

Diesen Vorwurf könne man der Angestellten aber hier nicht machen, meinte der OGH. Denn die Belastungen durch eine einzigen Nagelbehandlung, noch dazu zu Hause in der eigenen Wohnung, seien nicht allzu groß. Und dass der Termin drei bis vier Stunden gedauert habe, sei nur darauf zurückzuführen, dass die Detektivin lange Gespräche anbahnte.

Summa summarum sei es für die Angestellte zumindest nicht „so offenkundig gewesen“, dass ihr Verhalten den Heilungsprozess verschlechtern kann, dass eine Entlassung gerechtfertigt wäre (9 ObA 3/11y). Die Frau hat somit ein Recht auf eine Kündigungsentschädigung.

Auf einen Blick

Nicht jede Arbeit im Krankenstand rechtfertigt gleich eine Entlassung. Zwar muss ein Arbeitnehmer im Krankenstand alles unterlassen, was der Genesung schadet. Eine einmalige Nagelverschönerung, die eine Frau in ihrer eigenen Wohnung bei einer Kundin vornahm, rechtfertigte die Entlassung jedoch nicht. Das Besondere an diesem Fall war allerdings, dass die Kundin bloß von einer Detektivin gespielt wurde. Sie hatte die Angestellte dazu gedrängt, eine Nagelbehandlung bei ihr vorzunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2011)

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