ÖBB-Chef: Vier Millionen mehr Fahrgäste im Jahr 2016

Andreas Matthä
Andreas MatthäAPA/GEORG HOCHMUTH
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Andreas Matthä, seit einem halben Jahr Chef der ÖBB, spricht von einem "sehr guten Ergebnis" im Vorjahr. Den umstrittenen Einstieg ins Fernbusgeschäft verteidigt er.

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben im Vorjahr ein "sehr gutes Ergebnis" erzielt, auch der Güterverkehr sei "deutlich positiv", sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Vor der Bilanzpressekonferenz könne er aber keine konkreten Ergebniszahlen nennen. Matthä, seit Mitte 2016 an der Spitze der ÖBB, verteidigte die Milliardeninvestitionen der Bahn. Im Personenverkehr erziele die Staatsbahn 2016 einen neuen Fahrgastrekord, mit vier Millionen mehr Fahrgästen als im Jahr 2015. Der Zuwachs sei sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr erfolgt, so  Matthä. In der Infrastruktur habe man die Projekte pünktlich und im Budget abgewickelt. In ganz Österreich gebe es jetzt um die Ballungszentren Schnellbahnsysteme, weil auch die Ballungszentren um die Landeshauptstädte wachsen und immer mehr Pendler den öffentlichen Verkehr nutzen.

Im Güterverkehr seien 2016 zwar die transportierten Mengen gestiegen, aber nicht der Umsatz. "Die Goldenen Zeiten im Güterverkehr sind vorbei. Wir stehen unter einem hohen Margendruck, dem wir mit Ausweitung unseres Geschäfts begegnen müssen", sagte Matthä. Die ÖBB bieten jedoch mit ihrem Tochterunternehmen, der ungarischen Güterbahn, ein "Drehkreuz Österreich-Ungarn" an und bauen die Transporte weiter aus.

Internationalisierung weiterbetreiben

Die Internationalisierung im Bahnverkehr werde weiterbetrieben. Für eine Kundenfirma in Oberösterreich fahre man bis nach China. Zwar stehe der Schienengüterverkehr in ganz Europa unter Druck, weil die Grundstoffindustrie abgebaut und Kohlekraftwerke zugesperrt werden, aber dafür steige durch die hohe Arbeitsteiligkeit der Wirtschaft der Containerverkehr sehr stark. Die Bahn sei wichtiger Partner der österreichischen Volkswirtschaft, insbesondere für die Bahnindustrie.

Für die "ÖBB der nächsten Generation" nennt Matthä die Digitalisierung als wichtiges Ausbauziel. Bis Ende 2017 soll störungsfreies Handy-Telefonieren auf der Weststrecke möglich sein. Aber auch auf anderen Strecken werde investiert und eine Verdichtung der Handy-Masten angestrebt. Insgesamt fließen 100 Mio. Euro in entsprechende Investitionen, davon kommen 70 Mio. von den ÖBB und 30 Mio. von den Mobilfunkern. Mittlerweile werden 1,5 Millionen Tickets über die ÖBB-App verkauft, ein Viertel des Umsatzes kommt aus digitalen Verkaufskanälen. "Wir stehen erst am Beginn dieser Entwicklung", meint Matthä.

Das autonome Bahnfahren, also Züge ohne Lokführer, sei derzeit noch ein Forschungsfeld. Matthä will sich aber nicht davor verschließen, so könnten im Güterverkehr auf Zubringerstrecken fahrerlose Züge eingesetzt werden. Grundsätzlich solle die Bahn als Dienstleistungsunternehmen im Personenverkehr den Kunden aber jemanden als Ansprechpartner für menschliche Kommunikation anbieten, meint er.

Fernbusgeschäft verteidigt

Matthä hat den vor einem halben Jahr erfolgten Einstieg der Staatsbahn ins Fernbusgeschäft verteidigt. Es sei eine "strategische Überlegung" dahinter, da der Fernbusmarkt in Österreich rasch an Bedeutung gewinne und im Wettbewerb zur Bahn stehe. "Wir wollten den Markt nicht dem grün-orangenen Konkurrenten alleine überlassen", so Matthä in Anspielung auf MeinFernbus Flixbus.

Die ÖBB-Fernbusschiene "Hellö" habe bisher über 100.000 Tickets verkauft, mit Gewinnen rechne man aber erst im Jahr 2020. Die Fernbus-Kundschaft sei "hoch preissensitives Publikum", aber Züge seien einfach bequemer, verweist Matthä auf erhoffte Zubringereffekte für die Staatsbahn: "Wenn Sie drei mal Wien-Berlin im Bus gefahren sind, dann steigen Sie gerne auf den Zug um". Zwar seien die Hellö-Busse bequem ausgestattet, aber im Zug könne man auch aufstehen, herumgehen und gut essen. Die Hellö-Destinationen würden laufend angepasst, die nächste Fahrplanänderung komme am 1. Februar. Beliebte Ziele wie Berlin, Venedig und die Verbindung Innsbruck-München wolle man verstärken, dafür auf schwächeren Strecken auch manche Wochentage streichen.

Expandiert hat die Staatsbahn auch im "Nischenprodukt" Nachtzuggeschäft, wo sie von der Deutschen Bahn 40 Prozent des Business übernommen hat. Derzeit nutzen jährlich eine Million Fahrgäste die ÖBB-Nachtzüge, durch die Übernahme des DB-Geschäfts soll die Zahl in den nächsten Jahren auf 1,8 Millionen Fahrgäste steigen. "Aktuell haben wir eine sehr gute Buchungslage", schildert Matthä. Besonders gut funktioniere die Strecke Innsbruck-Hamburg. Die Expansion bringe auch neueres Zugmaterial: Die zehn Jahre alten deutschen Schlafwägen wurden übernommen und adaptiert und sollen die bis zu 60 Jahre alte österreichische Schlafwagenflotte zum Großteil ersetzen. In Summe koste die Beschaffung und Adaptierung der Schlafwägen 30 Mio. Euro.

Zwei Milliarden für Ausbau der Infrastruktur

Wesentlich höher sind die Investitionen der Staatsbahn in den Streckenausbau und die Modernisierung von Bahnhöfen. In den Ausbau der Infrastruktur fließen zwei Milliarden Euro pro Jahr. Die Koralmbahn soll 2024 in Betrieb gehen, dann werde die Fahrzeit zwischen Graz und Klagenfurt auf 45 Minuten verkürzt. Der Semmering-Basistunnel soll im Jahr 2026 fertig sein, damit sei die gesamte neue Südachse ab 2026 voll nutzbar und Wien-Klagenfurt in 2 Stunden 40 Minuten zu schaffen. "Wir sind bei beiden Projekten innerhalb der Kosten- und Terminpläne", betont Matthä. Beim Semmering-Basistunnel könne es aber noch, wie bei jedem Tunnelprojekt, geologische Risken geben, da man erst einige Kilometer im Berg sei.

Die von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) in seinem "Pakt für Österreich" geäußerte Kritik, dass Milliardeninvestitionen in die ÖBB statt in den Breitbandausbau flössen, kann Matthä - wie erwartet - nicht nachvollziehen. Die ÖBB-Investitionen seien auch Zukunftsinvestitionen, neben dem Streckenausbau werde auch in Digitalisierung investiert. Außerdem sei der aktuelle sechsjährige Rahmenplan von der Bundesregierung beschlossen worden, erinnert er den Finanzminister.

(APA)

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