China greift nach US-Kultmarke Jeep

Mit einem Jeep kommt man überall hin – vielleicht auch in eine Sackgasse: Für die US-Kultmarke müsste Great Wall Motor sehr viel Geld auf den Tisch legen.
Mit einem Jeep kommt man überall hin – vielleicht auch in eine Sackgasse: Für die US-Kultmarke müsste Great Wall Motor sehr viel Geld auf den Tisch legen.(c) REUTERS
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Great Wall Motor möchte das Kronjuwel von Fiat Chrysler kaufen, vielleicht gar den ganzen Konzern. Was die Fantasien auf dem Markt beflügelt, dürfte dem Weißen Haus gar nicht recht sein.

Wien. Die US-Soldaten waren begeistert: Ein so leichtes und wendiges Aufklärungsfahrzeug hatten sie noch nie gelenkt. Mit ihm kamen sie überall hin, fast wie dieser fliegende Hund von Popeye. So erhielt es denn auch den Gattungsnamen dieses Fabelwesens aus der Comicserie: Jeep. Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte die zivile Variante des Gefährts rasch zu einer der beliebtesten US-Automarken. In Europa wurde sein Name zum Synonym für Geländewagen schlechthin. Nur wenig ist so uramerikanisch wie der Jeep – bisher. Denn nun greift ein chinesischer Autobauer nach dem Filetstück von Fiat Chrysler: Der SUV-Hersteller Great Wall Motor will die Marke kaufen – wenn nicht gar den ganzen Konzern.

Einen großen Unterschied würde das nicht machen. Ein Analyst von Morgan Stanley schätzte vorige Woche den isolierten Markenwert von Jeep sogar höher ein als den Börsenwert des gesamten Unternehmens. Auf jeden Fall ist Jeep – mit den Modellen Cherokee, Wrangler, Compass, Patriot und Renegade – das Juwel im Portfolio des italienisch-amerikanischen Konzerns. Warum aber sollte sich Sergio Marchionne davon trennen? Der Firmenchef hatte die Spekulationen selbst geschürt: Er sucht schon länger Partner oder Käufer für Fiat Chrysler.

Denn auf sich allein gestellt ist der siebentgrößte Autobauer der Welt wohl nicht stark genug, um im teuren technologischen Wettrennen um E-Antrieb und selbstfahrende Autos bestehen zu können. Potenzielle Partner wie VW und General Motors haben die Avancen aber nicht erhört. Also schmückt Marchionne nun die Braut: Bis Ende nächsten Jahres soll sie schuldenfrei sein. Dazu braucht es auch mehr Cash am Konto. Und das fließt am einfachsten zu, wenn man sich von einigen Teilen trennt.

Cashcow ohne Know-how

Erst vor einem Monat bestätigte der Italiener diese Option, machte aber zugleich einen halben Rückzieher. Gerade die begehrtesten Marken, die gut auf eigenen Beinen stehen könnten, will er doch lieber behalten: Maserati, Alfa Romeo, Ram (ein weiterer SUV) und natürlich Jeep. Vor allem mit dem wertvollsten Tier im Stall hat er noch einiges vor: Der SUV-Markt wächst weiter, bis 2019 sollen die Jeep-Verkaufszahlen von 1,4 auf zwei Millionen steigen. Dennoch könnte ein Verkauf der Cashcow sinnvoll sein: Er würde sehr viel Geld in die Kasse spülen – 20 bis 30 Mrd. Dollar – und damit die finanzielle Situation mit einem Schlag enorm verbessern. Auch wenn man mit dem spritfressenden Ungetüm in den nächsten Jahren noch viel erwirtschaften kann: Es hat ein Ablaufdatum, in Zeiten von Klimawandel und neuen Technologien. Und so gut sich die Jeep-Ingenieure mit dem Befahren von Rumpelpisten auskennen: Wie man ein strombetriebenes Roboterauto baut, wissen sie nicht.

Hier liegen auch, mit umgekehrten Vorzeichen, die Risken für die Chinesen. Zwar käme Great Wall mit dem Kauf der überall bekannten Marke seinem Ziel, zum größten SUV-Hersteller weltweit aufzusteigen, einen Riesenschritt näher. Die Premiummodelle könnten die billigeren Marken für die chinesischen Käufer gut ergänzen, der begehrte amerikanische Markt stünde plötzlich weit offen. Aber in Sachen Know-how wäre es kein großer Sprung nach vorn, man bliebe in der SUV-Ecke hängen. Teuer wäre der Erwerb für die börsenotierte Firma allemal. Umso mehr, als ein globaler Bieterwettstreit ausbrechen dürfte, falls sich bestätigt, dass ein isolierter Verkauf von Jeep nicht mehr tabu ist.

Andere asiatische Hersteller haben zu einem viel günstigeren Zeitpunkt zugeschlagen. Nach der Finanzkrise suchten vor allem europäische Autobauer händeringend nach Käufern. So konnte sich der chinesische Konkurrent Geely die schwedische Marke Volvo um 1,5 Mrd. Dollar unter den Nagel reißen. Die Inder von Tata Motors mussten für Jaguar und Land Rover aus Großbritannien nur 2,5 Mrd. Dollar auf den Tisch legen. Beides Schnäppchen, zumal sich diese Marken seitdem gut entwickeln. So gesehen kommt Great Wall um fast ein Jahrzehnt zu spät.

Aktie auf Rekordhoch

Immerhin: Die chinesische Führung würde keine Steine in den Weg legen. Zwar verbietet Peking viele Auslandsinvestitionen, um den Kapitalabfluss zu stoppen, nimmt aber die Autoindustrie vom Bann aus. Scharfen Gegenwind hätte Great Wall aber aus Washington zu erwarten: Dass eine legendäre US-Marke mit militärischen Wurzeln in chinesische Hände gerät, passt so gar nicht in die protektionistische Agenda von Donald Trump. Vielleicht ließe sich der Präsidenten aber mit der Zusage umgarnen, sehr viele Jobs in den USA zu schaffen. An der Börse kommen die Fantasien jedenfalls gut an: Die Fiat-Chrysler-Aktie stieg am Montag um fast sieben Prozent – auf ein Rekordhoch. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)

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