Schlumberger-Chef: "Vielen ist nur wichtig, dass es sprudelt"

Schlumberger-Vorstandsvorsitzender Eduard Kranebitter.
Schlumberger-Vorstandsvorsitzender Eduard Kranebitter.(c) Die Presse (Michele Pauty)
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Der Vorstandsvorsitzende von Schlumberger, Eduard Kranebitter, erklärt, warum man Sekt nicht nur zu Weihnachten und Silvester trinken sollte, philosophiert über den Schaumwein und klagt über die Politik.

Die Regierung, die Ihnen die Sektsteuer beschert hat, ist gescheitert. Haben Sie eine Flasche Schlumberger aufgemacht, als man das Ende der Koalition verkündet hat?

Eduard Kranebitter: Nein, habe ich nicht, aber ich habe still gelächelt. Ich habe ja die zwei Seiten der Politik in dieser Frage erlebt, weil uns jedes Regierungsmitglied, mit dem wir geredet haben, gesagt hat, dass die Steuer nichts bringt (die jährlichen Einnahmen belaufen sich auf etwas mehr als 20 Millionen Euro, Anm.) und eigentlich abgeschafft gehört – aber niemand wollte den Schritt machen und es öffentlich sagen.

Vielleicht auch deswegen, weil eine Sektsteuer als kleine Reichensteuer gilt?

Ja, die SPÖ hat immer wieder vom Sprudel der Reichen gesprochen. Aber Sekt ist kein Luxusprodukt. Der durchschnittliche Sektpreis in Österreich zum Zeitpunkt der Wiedereinführung der Steuer lag bei 3,75 Euro. Da sind viele Weine teurer.

Warum gilt dann Sekt gemeinhin als Luxusprodukt?

Da färbt ganz sicher der Champagner ab, an den viele Menschen denken, wenn sie Sekt hören, und der tatsächlich teuer ist. Die Gastronomie ist auch verantwortlich, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen beim Sekt viel höhere Aufschläge verlangt als beim Wein. Und wahrscheinlich auch deshalb, weil man Sekt eher selten trinkt, beispielsweise immer dann, wenn man etwas zu feiern hat. Das gibt ihm auch ein elitäres Image.

Welche Auswirkungen hat die Steuer auf den Verkauf?

Massive. Seit der Einführung gingen die Umsätze insgesamt um über 20 Prozent zurück. Unsere Topmarke Schlumberger ist zwar gewachsen, aber zulasten von Mitbewerbern. Der Markt ist kleiner geworden.

Vielleicht haben die Österreicher auch weniger zu feiern?

Nein, die Österreicher trinken aus Protest keinen Sekt mehr. Die Preiserhöhung ist ja gerade bei Spitzenprodukten nicht so dramatisch, dass die Leute zurückschrecken würden. Weiter unten, wenn eine Flasche vier Euro kostet und es kommen 90 Cent Sektsteuer drauf, ist es dramatischer. Aber wir haben Rückmeldungen bekommen von Kunden, die sagen: Wir trinken deshalb keinen Sekt mehr, weil die Steuer darauf so hoch ist. Sie wollen nicht für den Staat trinken. Wenn man alles zusammenrechnet – Mehrwertsteuer, Alkoholsteuer, Sektsteuer – ist der Steueranteil beim Sekt etwa 50 Prozent. Das ist ja unglaublich!

Dafür trinken die Österreicher mehr Prosecco und Frizzante, der auch nicht unter die Sektsteuer fällt und insgesamt billiger ist.

Dafür ist ein Frizzante qualitativ nicht so hochwertig. Bei ihm wird eben unter anderem die Kohlensäure zugesetzt. Im Sekt entsteht sie im Verfahren und ist dadurch wesentlich besser in das Getränk eingebunden. Zudem muss Sekt, hergestellt nach der klassischen Flaschengärungsmethode, mindestens neun Monate lagern. Bei unserem Spitzenprodukt Schlumberger Dom dauert es vier Jahre zwischen Ernte und Verkauf. Deshalb muss der Sekt auch teurer sein.

Aber vielen Menschen dürfte das egal sein. Sie kennen den Unterschied zwischen günstigem Frizzante und teurem Sekt oder einem Champagner ohnehin nicht.

Das stimmt, vielen ist einfach nur wichtig, dass es sprudelt. Für Rotwein gibt es acht Millionen Sommeliers, jeder tut so, als hätte er eine Ahnung. Sobald es im Glas sprudelt, kennt sich niemand mehr aus. Welche Trauben verwendet werden, wie Sekt entsteht . . . Die wenigsten wissen, dass Sekt ebenfalls Wein ist, nur eben durch eine zweite Vergärung veredelt. Da gibt es nur einen kleinen, sehr erlesenen Kreis, der sich wirklich mit Sekt auskennt.


Was macht man dagegen?

Wir haben zum Beispiel eine Person, die macht nichts anderes, als zu Gastronomieschulen zu fahren und dort über Sekt aufzuklären. In deren Schulbüchern gibt es 15 Seiten über Rotwein, aber nur eine halbe Seite über Schaumwein. Das ist natürlich ein langer Weg, bis es über die Gastronomie bei den Menschen ankommt. Aber wir als Schlumberger haben auch das Glück, einen sehr bekannten Namen und eine lange Tradition zu haben. Da sind die Menschen bereit, mehr zu bezahlen, weil es ein österreichisches Produkt ist. Wenn man etwas feiert, dann macht man das mit einer Flasche Schlumberger, nicht mit einer Flasche Rotkäppchen. Wir merken das auch bei den Verkäufen: Etwa 50 Prozent werden als Geschenk gekauft. Das bringt man mit, wenn man eingeladen ist. Eine gute Flasche Sekt ist immer ein ideales Gastgeschenk.

Ist der Österreicher überhaupt ein Sekttrinker? Wir sind doch ein typisches Weinland.

Wir gehören in Europa zu den größten Sektländern. Wobei man in Ostösterreich mehr Sekt trinkt, im Westen ist es eher Prosecco. Absoluter Spitzenreiter beim Sekt ist Deutschland, sie sind größer als die USA. Das hängt natürlich auch mit den großen Sekthäusern zusammen: Kupferberg, Henkel, Rotkäppchen. In Deutschland kostet eine Flasche im Geschäft im Durchschnitt so viel, wie wir in Österreich für ein Kilogramm Qualitätstrauben für unseren Sekt bezahlen.

Das Sektgeschäft muss sehr schwierig sein, weil es ja in erster Linie ein Saisongeschäft ist – man kauft ihn zu Weihnachten und zu Silvester, vielleicht noch zum Hochzeitstag und zum Geburtstag.

Das ist eine Herausforderung, ja. Uns ist es aber in den vergangenen zwölf Jahren gelungen, das aufzubrechen und Sekt wieder zu einem Lifestyle-Produkt zu machen. Da hat der Prosecco ganz wesentlich dazu beigetragen. Er hat uns das Geschäft abgegraben, und darauf mussten wir reagieren. Vor allem die jungen Leute haben zum Prosecco gegriffen, weil er so cool klingt und italienisches Lebensgefühl vermittelt. Da haben wir uns etwas einfallen lassen müssen, weil Schlumberger Sparkling ein wenig ein verstaubtes Image hat. Mit dem White Secco und dem On Ice hat sich das geändert, jetzt trinkt man Sekt auch im Sommer. On Ice ist fruchtiger, leichter, mit Eis drinnen trinkt man das statt dem Gespritzten.

Vielleicht ist der Grund dafür, dass man das besser verkauft, aber auch ganz banal der, dass es besser schmeckt?

Der Geschmack von Prosecco ist für die Jungen zugänglicher als Sekt, das stimmt, weil die junge Generation eher süß trinkt. Das hat sich überhaupt geändert in der westlichen Welt, alles ist süßer geworden, auch der Champagner. Früher hatte Champagner einen Restzucker von sechs Gramm pro Liter, heute sind es zwölf – gerade so, dass sie sich eben noch brut nennen dürfen.

Fehlt es beim Sekt an einer Trinkkultur? Es hat ja auch lange gedauert, bis man in Österreich den Käse nicht mehr direkt aus dem Kühlschrank heraus serviert und sich beklagt hat, dass er nach nichts schmeckt.

Ja, teilweise ist es furchtbar, wie mit Sekt umgegangen wird. Da gibt es Veranstaltungen, bei denen man 60, 70 Gläser einschenkt und dann wartet, bis die Menschen kommen. Beim Bier würde man das nie machen, das zapft man immer frisch. Der Sekt raucht aus, er wird warm und schmeckt den Menschen nicht mehr. Sie nehmen einen Schluck und stellen ihn weg.

Schlumberger gibt es seit 175 Jahren, jetzt verlegt man die Produktion ins Burgenland. Fühlen Sie sich dem Wiener Standort nach so langer Zeit nicht mehr verpflichtet?

Wir wollten die Produktion in Wien ausbauen, aber es geht einfach platzmäßig nicht. Dazu kommt ein Logistikproblem: In der Saison, also für das Weihnachtsgeschäft, kommen zehn Lkw am Tag, da blockieren wir die ganze Heiligenstädter Straße. Aber wir geben Wien ja nicht auf. Die Verwaltung bleibt hier und auch unsere Kellerwelten, wo wir zeigen, wie Sekt entsteht.

Daraus könnte man viel machen.

Das wollen wir auch. Wir wollen das massiv ausbauen, so etwas Ähnliches machen wie die Kristallwelten von Swarovski in Tirol. Es soll eine echte Touristenattraktion werden, ein Must-See in Wien mit 200.000, 300.000 Besuchern im Jahr. Aber dafür müssen wir wahrscheinlich fünf Millionen Euro investieren.

Warum eigentlich ein neuer Standort im Burgenland? Es gibt auch einen Standort in Niederösterreich . . .

Die Politik ist uns sehr entgegengekommen. Wir haben erst überlegt, Vöslau zu vergrößern, aber dagegen hat sich eine Bürgerinitiative massiv gewehrt. Also haben wir uns für Müllendorf entschieden.

Dann haben Sie aber wieder zwei Standorte.

Das ist eine Herausforderung, weil die innerbetrieblichen Transporte bei uns jährliche Kosten von einer Million Euro verursachen. Das Geld kann man besser nützen. Irgendwann werden wir auch Vöslau in Müllendorf integrieren. Das Weingut in Vöslau bleibt immer, aber alles andere kann ins Burgenland gehen. Wir werden dort 50 Millionen Euro, in einem zweiten Schritt sogar 60 oder 70 Millionen investieren.

Noch einmal zum Sekttrinken: Sind die Verkaufszahlen eigentlich ein Indikator für die gesamte Wirtschaft, also dafür, ob die Menschen pessimistisch sind oder zuversichtlich und optimistisch – und daher Sekt trinken?

Früher vielleicht eher, als es um reinen Sekt ging, heute verwässert sich das mit den Lifestyle-Getränken, die man nicht mehr nur bei Feiern oder zu speziellen Anlässen trinkt. Aber wir haben eine Sonderedition herausgebracht zu 175 Jahren Schlumberger, da steht ein alter, schöner Werbespruch drauf: „Hast Du Freude oder Ärger, trinke Sekt nur von Schlumberger“. ?

Zur Person

Eduard Kranebitter
ist seit 2006 bei Schlumberger. Zuerst war er Vorstand für Marketing, Vertrieb und Logistik. Seit 2008 ist er Vorstandsvorsitzender des Getränkeherstellers, der vor allem für seinen Sekt bekannt ist.

Kranebitter,
1957 in Tirol geboren, begann seine berufliche Karriere 1979 bei Procter & Gamble und arbeitete zwischen 1984 und 2004 bei Kraft Foods Austria. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.
?Michèle Pauty

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2017)

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