Voestalpine um Häuser besser als ThyssenKrupp

In der Stahlproduktion ist die Linzer Voestalpine der Maßstab
In der Stahlproduktion ist die Linzer Voestalpine der Maßstab APA/HANS KLAUS TECHT
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Die Stahlfusion mit Tata ist für Thyssenkrupp ein Befreiungsschlag. Sie ändert jedoch nichts daran, dass die Voestalpine der Maßstab ist, an dem es sich zu messen gilt.

48.000 Mitarbeiter, 15 Milliarden Euro Umsatz, 21 Millionen Tonnen Flachstahl jährlich - das wird die neue Nummer 2 auf dem eurpäischen Stahlmarkt nach der Fusion, auf die sich die deutsche Thyssenkrupp und die indische Tata geeinigt haben. Noch ist der Widerstand der Belegschaft zu brechen. Sie fordert Garantien angesichts des bevorstehenden Abbaus von bis zu 4000 Arbeitsplätzen. Dass an der Fusion aber kein Weg vorbeiführt, dürfte allen Beteiligten klar sein. Vor allem die Thyssenkrupp-Aktionäre sehnen sich nach einem Befreiungsschlag. Noch hat sich nämlich der Konzern nicht nachhaltig erholt vom Milliardendebakel, der aus der  Amerika-Offensive entstanden ist. Die Großinvestitionen in den USA und in Brasilien entpuppten sich teuerste Fehlinvestitionen in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Nach drei Jahren mit insgesamt rund sieben Milliarden Euro Verlust und drei Jahren mit zusammen etwas mehr als 800 Millionen Euro Gewinn dürfte der deutsche Konzern heuer wieder rote Zahlen schreiben. Einem Vergleich mit dem Linzer Stahlkonzern Voestalpine hält Thyssenkrupp nicht stand. Die Linzer haben es rechtzeitig verstanden, sich auf die Qualitätsstahlschiene zu setzen und sich in der Weiterverarbeitung von Stahl marktführende Positionen zu erarbeiten. Quartal für Quartal, Jahr für Jahr werden solide Gewinne geschrieben. Mehr als 600 Millionen Euro sollten es im laufenden Geschäftsjahr werden. Anleger wissen das zu schätzen.

Die Voestalpine ist an der Börse mehr als 7,7 Milliarden Euro wert, so viel wie zuletzt vor neun Jahren, und dabei mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12 noch solide bewertet. Die gemessen am Umsatz fast vier Mal so große Thyssenkrupp kostete am Mittwoch vor Handelsbeginn an der Börse 14,3 Milliarden Euro, was einem KGV von 24 entspricht.

Wie sehr sich die Anleger von ThyssenKrupp auf die Fusion freuen, zeigte sich am Mittwoch gleich zu Handelsbeginn: Die deutsche Stahlaktie startete mit einem Aufschlag von fünf Prozent in den Tag.

Der Stahlbranche mit ihren über 300.000 Beschäftigten in Europa und über 80.000 in Deutschland machen seit Jahren Überkapazitäten, Preisdruck, Billigimporte aus China und immer schärfere Klimaschutzauflagen zu schaffen. Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger verspricht sich von der Fusion mit Tata unter anderem Größenvorteile. Zudem würden sich die Geschäfte der Partner gut ergänzen. Thyssenkrupp sei stärker in der Automobilbranche, Tata bei den Industriekunden.

Durch eine Zusammenlegung der Verwaltung, des Vertriebs, des Einkaufs, der Logistik sowie einer besseren Auslastung will Hiesinger Einsparungen von jährlich 400 bis 600 Millionen Euro erzielen. Zudem werde der Konzern, der auch Aufzüge, Autoteile, Anlagen oder U-Boote herstellt, das Stahl-Joint-Venture durch die 50-Prozent-Beteiligung nur noch "at-equity", zum anteiligen Buchwert, bilanzieren. Dadurch würden wesentliche Bilanzkennzahlen der AG deutlich verbessert. Arbeitnehmervertreter hatten dem Manager vorgehalten, es gehe ihm in erster Linie um diese "Bilanzkosmetik." Thyssenkrupp machen hohe Schulden und eine schwache Eigenkapitalquote zu schaffen.

"Kein Abschied vom Stahl"

Hiesinger spricht bereits seit anderthalb Jahren mit Tata über eine Fusion. Nachdem die Gespräche unter anderem wegen der lange Zeit ungelösten Frage der 15 Milliarden Euro schweren Pensionslasten von Tata in Großbritannien zur Hängepartie wurden, soll es nun schneller gehen. Die Verhandlungen wollen Thyssen und Tata bis Anfang nächsten Jahres abschließen, die gesamte Transaktion soll bis Ende 2018 nach Zustimmung der Kartellbehörden komplett über die Bühne gebracht werden.

Thyssenkrupp hatte nach Angaben des Managements auch andere Optionen geprüft, darunter eine Abspaltung, einen Börsengang oder einen Verkauf des Stahlgeschäfts und sogar eine Aufspaltung des Gesamtkonzerns. "Das Joint Venture mit Tata Steel Europe ist eine Zukunftsperspektive, die nicht nur Wertsteigerung für die Aktionäre verspricht, sondern für unsere Mitarbeiter Klarheit schafft und Zehntausende von Arbeitsplätzen langfristig sichert." Als Abschied vom Stahl will Hiesinger die Entscheidung nicht verstanden wissen. Der Konzern bleibe über das Joint Venture am Stahl beteiligt. "Denn im Stahl liegen unsere Wurzeln." 

THYSSENKRUPP STEEL EUROPE

Der größte deutsche Stahlkonzern beschäftigt rund 27.000 Mitarbeiter. Neben dem Hauptsitz Duisburg gibt es unter anderem Standorte in Bochum, Dortmund, Hohenlimburg, Andernach und Gelsenkirchen. Das Unternehmen produziert im Jahr etwa zwölf Millionen Tonnen Rohstahl.

Wichtige Kunden sind die Automobilbranche, der Bausektor, der Maschinenbau, die Verpackungsindustrie und die Energiewirtschaft. Hauptabsatzmärkte sind Deutschland und die europäischen Nachbarstaaten. Gut zwei Drittel seines Stahls setzt das Unternehmen im Umkreis von 500 Kilometern um Duisburg ab.

Die Stahlsparte erzielte im vergangenen Geschäftsjahr 2015/16 einen Umsatz von 7,6 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) von 315 Millionen. Im laufenden Jahr soll das Ergebnis dank höherer Preise und Kostensenkungen deutlich steigen.

TATA STEEL EUROPE

Tata Steel Europe hat 21.500 Mitarbeiter. Der Konzern betreibt in Wales das größte britische Stahlwerk Port Talbot und ein modernes Werk im niederländischen Ijmuiden. Die Rohstahlkapazität des Unternehmens beträgt 12,5 Millionen Tonnen. Im Geschäftsjahr 2016/17 (per Ende April) machte der Konzern einen Umsatz von umgerechnet 6,8 Milliarden Euro und ein Ebitda von 612 Millionen Euro. Wichtige Kunden sind die Bau-, Automobil- und Verpackungsindustrie sowie die Luftfahrt- und Energiebranche. Hauptabsatzmärkte sind neben Großbritannien und den Niederlanden weitere Märkte in Europa.

Tata Steel Europe gehört zum indischen Tata-Konzern mit über 100 Unternehmen und mehr als 600.000 Mitarbeitern. Zu dessen Geschäften zählen auch die Automobilproduktion mit der Marke Jaguar, Telekommunikation, Energieerzeugung oder Hotels. Die Gruppe erzielte zuletzt einen Umsatz von rund 100 Milliarden Euro. 

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