RHI fusioniert mit Magnesita und verlässt die Wiener Börse - Aktie kracht

Es war ein langjähriger Traum des Feuerfestherstellers RHI, den brasilianischen Konkurrenten Magnesita zu schlucken. Jetzt geht er in Erfüllung. Auf der Strecke bleibt die Wiener Börse.

Die Meldung kam in der Nacht auf Donnerstag: Der im ATX gelistete und von Investor Martin Schlaff kontrollierte österreichische Feuerfestspezialist RHI und die kontrollierenden Aktionäre des brasilianischen Mitbewerbers Magnesita Refratarios  haben eine Vereinbarung zum Zusammenschluss getroffen. Es soll ein führender Anbieter von Feuerfestprodukten gebildet werden, der den Namen RHI Magnesita tragen wird, seinen Hauptsitz in den Niederlanden hat sowie in London börsennotiert ist. Details dazu erläuterten RHI-Interimschef Wolfgang Ruttenstorfer und CFO Barbara Potisk-Eibensteiner am Donnerstag.

Ablaufen soll der Deal so: RHI kauft einen kontrollierenden Anteil  von mindestens 46 Prozent und maximal 50 Prozent plus eine Aktie des Grundkapitals von Magnesita. Die Kompensation für den 46-prozentigen Anteil bestehe aus einer Barkomponente in Höhe von 118 Millionen sowie 4,6 Millionen neuen Aktien, welche von RHI Magnesita zu begeben sind. Das entsprechende Austauschverhältnis der Aktien sieht den Bezug von 0,19 neuen RHI Magnesita Aktien für je 1 Magnesita Aktie vor. Wenn der volumengewichtete Durchschnittskurs der letzten sechs Monate von RHI zum 4. Oktober 2016 in Höhe von 19,52 Euro zugrunde gelegt wird, beträgt der Wert des 46-Prozent-Anteils an Magnesita 208 Millionen Euro. Der Wert für 100 Prozent des gesamten Grundkapitals der Magnesita beläuft sich demnach auf 451 Millionen Euro.

Die Börsennotierung von RHI an der Börse in Wien endet mit Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung. Die Verlegung des Sitzes aus Österreich und die Notierung in London benötigen die Zustimmung der RHI Hauptversammlung. Die Transaktion unterliegt der Zustimmung der zuständigen Wettbewerbsbehörden. Die geschäftlichen Aktivitäten der RHI Magnesita sollen aus Österreich gesteuert werden. Bis zum Abschluss der Transaktion, welcher für das Jahr 2017 erwartet wird, sollen RHI und Magnesita zwei eigenständige und unabhängig agierende Unternehmen bleiben.

RHI ist ein weltweit agierender Anbieter von Feuerfestprodukten mit Sitz in Österreich und erwirtschaftete 2015  einen Umsatz von 1,753 Milliarden Euro. Magnesita ist ein Anbieter integrierter Feuerfestlösungen, dazugehöriger Serviceleistungen und Industriemineralien mit Sitz in Brasilien, wobei der Umsatz Vorjahr bei 1,013 Milliarden Dollar lag.

Infolge der Transaktion sollen sich aufgrund der geplanten Synergien die Finanzziele von RHI für das Jahr 2020 erhöhen. Das Umsatzziel wird laut RHI auf 2,6 Milliarden bis 2,8 Milliarden (bisherige Planung: 2,0 Milliarden bis  2,2 Milliarden) und die operative EBIT-Marge auf mehr als 12 Prozent (bisherige Planung: mehr als 10 Prozent) angehoben.

Der neue globale Konzern werde 40 Prozent seines Umsatzes in Nord- und Südamerika machen, 30 Prozent in Europa und 30 Prozent in Asien, dem Nahen Osten und Russland, sagte Ruttenstorfer. Deshalb werde man den Sitz der Gesellschaft verlegen. "Wir werden eine kleine Holding in den Niederlanden gründen, die an der London Stock Exchange notieren wird." Dieser Schritt sei auch eine Bedingung der Magnesita-Kernaktionäre gewesen. In Brasilien soll die Magnesita ebenfalls von der Börse genommen werden.

Hätte es keinen Brexit gegeben, dann wäre wohl auch die Holding in London gesessen, meinte der CEO. "Da es den Brexit aber gibt und die europäische Merger-Richtlinie damit für London vielleicht beim Closing in 18 Monaten nicht mehr anzuwenden ist, war es die Aufgabe, einen anderen Sitz als London für diese kleine Holding zu finden." Für Holland habe man sich aus Gründen der Governance entschieden. Das holländische Gesellschaftsrecht erlaube ein Ein-Board-System und auch die übrigen Governance-Vorschriften in Holland seien ideal für ein Listing in London und trotzdem in der EU zu bleiben.

Die operative Steuerung des Konzerns werde weiter aus Österreich erfolgen, und dieser "place of effective management" sei auch wichtig für die Steuersituation. "Der Gesamtgewinn wird in Österreich versteuert", erklärte RHI-Finanzvorständin Barbara Potisk-Eibensteiner. Die Steuervorteile, die die Niederlande bieten würden, seien gar nicht so groß, "wie Sie wissen, hat ja RHI Verlustvorträge, die auch noch weiter genutzt werden können".

Der erst vor wenigen Tagen neu bestellte künftige reguläre RHI-Vorstandschef Stefan Borgas werde wie geplant seinen Posten antreten, sagte Interimschef Ruttenstorfer. "Er ist nicht in die Verhandlungen involviert gewesen, aber er ist natürlich voll informiert." Das Management der RHI Magnesita werde zwar neu zusammengesetzt, "aber man kann davon ausgehen, dass das gegenwärtige Topmanagement sowohl der RHI wie auch der Magnesita im künftigen Topmanagement vertreten sein wird." Ruttenstorfer selbst scheidet Ende November aus dem Vorstand aus und wird dann zunächst wieder sein Aufsichtsratsmandat in der RHI AG übernehmen.

Langjähriger Wunschpartner

Magnesita stand schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf der Wunschliste von RHI. Eine Übernahme scheiterte immer an den Preisvorstellungen der brasilianischen Eigentümerfamilien, die bis zu 1,5 Milliarden Euro wollten. Leisten konnten sich das nur Finanzinvestoren, die schliesslich auch den Zuschlag bekamen. RHI setzte sich trotzdem in Brasilien fest, und zwar durch Zukauf von Rohstoffquellen.

Magnesita wächst sich zum Milliarden-Ding aus

Es ist vermutlich dem erst kurzem aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen RHI-Chef Franz Struzl zu verdanken, dass RHI und Magnesita nun doch zusammenfinden. RHI ist an der Börse derzeit 954 Millionen Euro wert. Die Aktie kostete am Mittwoch 23,95 Euro, um 33 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Sie ist damit heuer Top 2 im Leitindex der Wiener Börse, für die der Rückzug der Festfestaktie ein schwerer Schlag ist.

RHI-Aktie kracht

Die Aktie von RHI hat am Donnerstagvormittag mit massiven Kursverlusten auf den angekündigten Zusammenschluss mit dem brasilianischen Wettbewerber Magnesita reagiert. Die RHI-Papiere fielen an der Wiener Börse bis etwa 11.50 Uhr um satte 10,25 Prozent auf 21,495 Euro, während der Gesamtmarkt repräsentiert durch den ATX wenig verändert tendierte.

Ein Analyst von der Baader Bank verwies auf APA-Anfrage darauf, dass der geplante Zusammenschluss doch überraschend kam. Die aktuell sehr negative Kursreaktion könnte mit den entstehenden Unsicherheiten verbunden sein. Vielleicht stehen den Aktionäre jetzt eineinhalb Jahre mit Unsicherheiten gegenüber, da dem Zusammenschluss noch die Hauptversammlungen und die Kartellbehörden zustimmen müssen.

Der Analyst sieht auch nicht den großen Kurstreiber aus der "Geschichte". Weiters ist die RHI-Aktie zuletzt gut gelaufen und die Anleger könnten nun die Gewinne mitnehmen. Die Bewertung von Magnesita sehe aber akzeptabel aus und der gegebene RHI-Unternehmensausblick ("Guidance") sei nachvollziehbar.

Weiters bewertet der Baader-Experte die geplante Struktur des neuen Konzerns als schwierig und vielleicht nicht glücklich gewählt: mit einem Firmensitz in den Niederlanden, der Börsennotiz in London und der operativen Leitung in Wien. Hier könnten zusätzliche Kosten entstehen.

Als positiv hebt der Wertpapierspezialist hervor, dass die Dividende stabil gehalten werde. Der Zusammenschluss habe auch eine operationale Logik, formulierte der Analyst weiter. Die Übernahme sei insgesamt ein defensiver Schritt von RHI.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.