Aufstand in Auschwitz: "Nicht kampflos in die Gaskammer gehen"

Aufstand in Auschwitz: „Nicht kampflos in die Gaskammer gehen
Aufstand in Auschwitz: „Nicht kampflos in die Gaskammer gehen"(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Vor 70 Jahren wehrten sich Roma und Sinti in Auschwitz gegen die "Liquidierung" des "Zigeunerlagers".

Etwa 6000 Roma und Sinti leben im Mai 1944 noch im Lagerabschnitt B II e des Vernichtungslagers Auschwitz, dem sogenannten Zigeunerlager. 22.000 Männer, Frauen und Kinder sind seit Bestehens des Abschnitts im Februar 1943 bereits durch Erschießen, Vergasen, Hunger und Krankheit ums Leben gekommen. Am 15. Mai befiehlt die SS die „Liquidierung" des Lagers - die Ermordung aller Gefangenen in der Gaskammer - für den nächsten Tag. Der Lagerführer des Abschnitts, Paul Bonigut, gibt die Entscheidung heimlich an einige Gefangene weiter. Die Roma und Sinti beschließen, nicht widerstandslos in den Tod zu gehen. „Alle haben sich, so gut es ging, bewaffnet (...) Wir wollten nicht kampflos in die Gaskammer gehen", zitiert der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, einen der Beteiligten, Willi Ernst.

Mit Spaten, Messern und Steinen bewaffnet warten die Lagerinsassen am 16. Mai auf die Räumung. Am Abend umstellen bewaffnete SS-Männer die Baracken. Es ertönt der Befehl, die Unterkünfte zu verlassen. Der damals zehnjährige Hugo Höllenreiner berichtet später davon, wie sein Vater schreit: „Wir kommen nicht raus! Kommt ihr rein! Wenn ihr was wollt, müsst ihr schon reinkommen!" Die SS-Männer reagieren überrascht auf den unerwarteten Widerstand. Nach Beratung mit der Lagerleitung wird die Räumung vorläufig abgeblasen. Die Nazis befürchten offenbar, dass SS-Männer bei dem Aufstand verletzt oder getötet werden könnten. Unter den gefangenen Roma- und Sinti-Männern finden sich immerhin auch solche, die bis zu ihrem Abtransport in das KZ in der Wehrmacht gedient haben. Außerdem soll der Funke des Widerstandes sich nicht im restlichen Vernichtungslager verbreiten.

Am 23. Mai werden etwa 1500 „arbeitsfähige" Roma und Sinti in das Stammlager Auschwitz I verlegt, um sie anschließend auf andere Konzentrationslager zu verteilen. In der Nacht auf den 3. August transportiert die SS die verbliebenen Männer, Frauen und Kinder in die Gaskammern. Lucie Adelsberger, die als jüdische Häftlingsärztin im Krankenblock des "Zigeunerlagers" arbeiten musste, erinnert sich: "Wir hören die kurzen Befehle der SS, das Kreischen der Kinder. Ich erkenne die einzelnen Stimmen. Die älteren wehren sich hörbar, rufen um Hilfe, brüllen Verrat, Schufte, Mörder!" „Es war nicht leicht, sie in die Kammern hineinzubekommen", heißt es in den Aufzeichnungen von Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß.

Insgesamt wurden etwa 500.000 Roma und Sinti während der nationalsozialistischen Herrschaft ermordet. In Österreich hatten vor dem „Anschluss etwa 11.000 Roma und Sinti gelebt, nur etwa die Hälfte überlebte.

(kron)

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