Ein Habsburg-Prinz, ganz aus der Art

90 JAHRESTAG ATTENTAT VON SARAJEWO: GEMAELDE FRANZ FERDINAND
90 JAHRESTAG ATTENTAT VON SARAJEWO: GEMAELDE FRANZ FERDINAND(c) APA
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Neue Facetten der Persönlichkeit eines faszinierend schwierigen Menschen. Was der Mann tat, tat er ganz: sammel- und schießwütig, rüde gegen Feinde, liebevoll zur Familie.

In diesem Gedenkjahr 2014 gibt es wohl keine noch so kleine Facette im Leben und der Persönlichkeit des 1914 ermordeten Franz Ferdinand von Österreich-Este, die nicht analysiert wird. Biografien durchleuchten jede Aufzeichnung, jede Äußerung dieses Mannes, der im Alter von 50 Jahren knapp vor der Herrschaft über eine europäische Großmacht stand.

Nicht nur die deutsche Wissenschaftlerin Alma Hannig hat sich ausführlich mit dieser rätselhaften Persönlichkeit beschäftigt, sondern auch der K.-u.-k.-Spezialist Wladimir Aichelburg. Drei dicke Bände mit der Transkription sämtlicher Briefe und Tagebucheintragungen zeugen von enormem Fleiß, von echter Hingabe an die Sache, von unbändiger Wissbegier.

Ungeheure Willensstärke

Franz Ferdinands Begabungen und Schwächen sind oftmals ausgeleuchtet worden: ein herrischer, aufbrausender Charakter, ein manischer Arbeiter mit ungeheurer Willensstärke. Legendär ist seine Jagdleidenschaft, die krankhafte Tötungsabsichten offenbarte; bekannt ist aber auch sein unbedingter Einsatz für die ihm anvertraute Armee, seine rüde Ablehnung jeglicher moderner Kunst, seine Katholizität, die durchaus eine politische Facette hatte. In seltsamem Gegensatz dazu stand sein liebevolles, harmonisches Familienleben, seine rührende Blumenliebhaberei.

Was dieser Mann auch tat, er tat es ganz. Er war im Hass gegen seine zahlreichen Widersacher maßlos, und wie er sich als absoluter „Kaiser von Österreich, König von Böhmen usw. und Apostolischer König von Ungarn“ aufgeführt hätte – wir wissen es nicht. Es gibt nur Indizien. Da ist etwa seine fanatische Sammelwut. Er liebte Antiquitäten und kaufte wie besessen an. Widerspruch gegen seine Befehle verbat er sich schroff. Geld spielte sowieso keine Rolle.

Ein Bundesdenkmalamt gab es noch nicht. Nur eine „k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale“ ab 1910. Man bot dem künftigen Kaiser die Präsidentschaft an, doch das war ihm viel zu minder, eventuell auch zu demokratisch. Nein, „FF“ setzte sich gleich als Protektor über diese Behörde drüber.

Er hatte sein Büro (das er wegen der Rivalität mit dem greisen Großonkel wenig benutzte) in der Hofburg, er unterhielt seine „Kleine Militärkanzlei“ im Belvedere, die quasi als Schattenregierung funktionierte. Und er besaß das böhmische Märchenschloss Konopischt, 45 Kilometer südöstlich von Prag. Dies alles wollte mit hunderten Antiquitäten eingerichtet werden. Als künftiger Herrscher eines Großreiches hätte er der zeitgenössischen Kunst ein Förderer sein müssen. Die Sezession, der Jugendstil, die Wiener Werkstätten – für all das hätte er „Trendsetter“ sein können. Er war es nicht. Nur in der Technik und beim Militär hatte er ein Gespür für die neue Zeit.

Bitten fiel ihm schwer

Und so wurde „FF“ tätig – in der von ihm geschätzten Geschwindigkeit. Er war seit 1898 Stellvertreter des Kaisers im Obersten Armeekommando, so tat er sich bei der Denkmalkommission mit dem Bitten schwer. Die Akten strotzen vor hastigen, zornigen, rüden, beleidigenden Randnotizen des Prinzen, dem nichts rasch genug gehen konnte.

Freilich: Franz Ferdinands Manie, alles Alte automatisch als wertvoll und erhaltenswert zu betrachten, brachte bisweilen auch Segen: So verhinderte er den geplanten brutalen Abriss des Maria-Theresien-Schlössls in Döbling oder des Theresianums. Ums Palais Schönborn kümmerte er sich, bis ihm der Bürgermeister hoch und heilig versicherte, man werde ohne Plazet Seiner Kaiserlichen u. Königlichen Hoheit nichts unternehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2014)

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