Vor 75 Jahren: Der erste Düsenflug der Welt

Die Heinkel He 178
Die Heinkel He 178Heinkel
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Der deutsche Ingenieur Ernst Heinkel änderte mit seiner Heinkel He 178 den Luftverkehr nachhaltig. Am 27. August 1939 startete Testpilot Erich Warsitz damit nahe Rostock zum ersten Düsenflug der Geschichte.

Als auf der Beton-Startbahn in Rostock-Marienehe die moderne Luftfahrt eingeläutet wird, verschlafen die meisten Anrainer den historischen Moment. Am 27. August 1939 gegen vier Uhr früh hebt das erste Düsenflugzeug der Welt ab. Am Steuer der Heinkel He 178 sitzt der Testpilot Erich Warsitz (1906-83, ein gebürtiger Westfale), der Erfinder Hans Pabst von Ohain, einer der Väter des Strahltriebwerks, schaut zu. Das Gesicht der Konstruktion wird aber jemand anders: Ernst Heinkel.

"Eine neue fliegerische Welt hat begonnen", jubiliert der damals 51 Jahre alte Unternehmer nach der sicheren Landung auf dem deutschen Werksflugplatz. Fünf Tage später beginnt der Zweite Weltkrieg.

Heute sind Jets Standard im Luftverkehr und in der militärischen Luftfahrt, Flugzeuge wie die Boeing 747, Airbus A380 oder der "Typhoon" von Eurofighter haben natürlich Strahltriebwerke. Doch der Weg zum Prototyp, der deutschen He 178, war lang.

Ernst Heinkel
Ernst HeinkelWikipedia/privat

Heinkel, geboren 1888 in der Nähe von Stuttgart, begeisterte sich früh für die Luftfahrt. Als Pilot wagte er sich viele Male selbst in die Luft - doch mehrfach stürzte er ab und verletzte sich. Darum wechselte er zum Flugzeugbau. 1922 gründete Heinkel sein eigenes Werk, das er ein Jahr später in Warnemünde ansiedelte.

Das Geschäft florierte. Heinkel machte sich einen Namen als Vordenker, bis zu 50.000 Mitarbeiter hatte sein Betrieb in Spitzenzeiten. Auch die Nationalsozialisten setzten auf seine Entwicklungen: Mitte der 1930er-Jahre bestand ein bedeutender Teil der Luftwaffe aus Heinkel-Maschinen. Der Unternehmer war da längst Mitglied der NSDAP.

Von der Rakete zum Strahlantrieb

1939 aber wollte er noch mehr. Mit dem Raketenforscher Wernher von Braun und dem Physiker Hans Joachim Pabst von Ohain plante er nichts Geringeres als eine Revolution der Flugtechnik. Der erste Schritt: Im Juni 1939 startete das erste Raketenflugzeug, die "He 176".

Bei einem Raketenantrieb werden fester oder (wie im Falle der He 176) flüssiger Brennstoff ohne Zufuhr von Außenluft verbrannt, daher funktionieren Raketen auch im Weltall. Strahltriebwerke indes sagen Außenluft an, die wird mit Brennstoff gemischt und verbrannt.

Langfristig durchsetzen sollte sich in der Luftfahrt die Düsentechnik, die das Team parallel entwickelte. Die He 178 konstruierten Heinkel und Co. in aller Stille. Dort, wo sonst ein Propeller war, war ein Loch. Aus dem Heck der Maschine zischte ein heißer Gasstrahl.

"Bammel hatte ich schon, das muss ich zugeben", erzählt Testpilot Warsitz später seinem Sohn. Aber das Experiment gelingt: Acht Minuten lang rast der Flieger durch die Luft, mehr als 600 Kilometer in der Stunde schnell, dann landet er sicher.

Testpilot Erich Warsitz
Testpilot Erich WarsitzLutz Warsitz

Nur wenige waren im Voraus in die Pläne eingeweiht - die Machthaber der Reichs gehörten übrigens nicht dazu. Etwa, weil der Luftwaffe Heinkels Methoden angeblich zu unkonventionell waren.

Keine große Rolle mehr im Weltkrieg

Trotzdem blieben die Bande zwischen den Heinkel-Werken und den Nazis eng, sagt der Historiker Lutz Budraß von der Ruhr-Uni Bochum. "Meiner Meinung nach war Heinkel der größte industrielle Profiteur von Arbeitern aus den Konzentrationslagern." Bis zu 10.000 KZ-Häftlinge gleichzeitig mussten demnach für Heinkel arbeiten.

Eine He 178 von hinten
Eine He 178 von hintenUS Air Force

Im Zweiten Weltkrieg produzierten die Heinkel-Werke Kampfflugzeuge in Serie, etwa den eleganten mittleren Bomber He 111. Allerdings waren Produzenten wie Junkers und Messerschmitt weit größer. Mit der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten 1945 wurde Heinkels Flugzeugwerk zerschlagen. Heinkel selbst wurde verhaftet und 1948 als Mitläufer eingestuft. Im Berufungsverfahren erklärte ihn die Spruchkammer jedoch zum "Entlasteten". Das Urteil bescheinigte, dass er ein Mann mit demokratischen und sozialen Anschauungen sei.

Fragwürdig sei das, sagt Historiker Budraß heute. "Die Behörden wollten sich in dem Verfahren den Unternehmer sichern, der Hunderte Arbeitsplätze versprach." Die technischen Leistungen seiner Werke beschrieb Heinkel selbst als persönliches Verdienst. Später erhielt Heinkel einen kleinen Teil seines Imperiums, die Motorenwerke in Stuttgart-Zuffenhausen, zurück. Im geringeren Umfang als zuvor setzte er seine Arbeit bis zu seinem Tod 1958 fort. Insgesamt entwickelte seine Firma mehr als 150 Flugzeuge aller Art, meldete mehr als 1350 Patente an.

Im Zweiten Weltkrieg selbst sollte der Düsenantrieb dennoch keine wesentliche Rolle spielen. Für die damalige Zeit bahnbrechende Entwicklungen wie der Jäger Me 262 von Messerschmitt und der Bomber Ar 234 von Arado, die in den beiden letzten Kriegsjahren auftauchten, kamen in zu geringer Zahl, um etwas am Kriegsverlauf zu ändern. Heinkel ließ eines seiner Modelle, die He 162 "Salamander", übrigens teilweise auch in Niederösterreich fertigen, nämlich in der Seegrotte bei Hinterbrühl nahe Mödling.

Me 262A auf Flugplatz, 1944
Me 262A auf Flugplatz, 1944Bundesarchiv

Das erste nicht-deutsche Düsenflugzeug, die britische Gloster E.28/39, flog erst am 15. Mai 1941. Die Gloster "Meteor", ein schnittiger, zweistrahliger Jäger, kam ab Juli 1944 zum Einsatz, aber ebenfalls nur in bescheidenen Zahlen. Sie wurde allerdings noch bis 1954 gebaut, insgesamt wurden es fast 4000 Stück, und flog neben der Royal Airforce in zahlreichen anderen Luftwaffen, etwa in Argentinien, Belgien, Brasilien, Israel, den Niederlanden und Ägypten. (dpa, Wolfgang Greber)

Gut erhaltene Gloster
Gut erhaltene Gloster "Meteor" der RAFairliners.net/Craig Steward

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