"Wettlauf zum Meer": Vom Bewegungs- zum Stellungskrieg

Karte: Wettlauf zum Meer
Karte: Wettlauf zum Meer(c) Wikipedia
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Deutsche Truppen versuchen im Herbst 1914 die Franzosen an der Westfront zu überflügeln - und lösen einen Wettlauf aus, der keiner war.

Es ist Herbst im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs. Konkret Anfang September, als es an der Westfront zu einem militärischen Stillstand kommt. Nachdem der deutsche Vormarsch zunächst rasch vonstatten gegangen ist, werden die Truppen am 5. September durch eine überraschende französisch-englische Gegenoffensive gestoppt – und ziehen sich an den Fluss Aisne zurück. Dort kommt es am 13. September zu schweren Gefechten, die jedoch keine Entscheidung, sondern lediglich eine Art Pattstellung bringen.

Ein Blick auf die geografischen Begebenheiten genügt dem französischen General Joseph Joffre und seinem deutschen Widersacher Generalstabschef Erich von Falkenhayn, um auf dieselbe Idee zu kommen: Der rund 160 Kilometer lange Streifen zwischen der Aisne und der Nordsee bietet Platz für neue Operationen. Wer dort mit den stärkeren Kräften heineinstoßen und den Feind umfassen würde, hätte die Möglichkeit, den Gegner zu überflügeln. Dazu notwendig: Truppenverschiebungen.

Wiederbelebung des Schlieffen-Planes

Karte: Wettlauf zum Meer
Karte: Wettlauf zum Meer(c) Wikipedia

Mitte September liegt die Zahl der alliierten Truppen bei 85,5 alliierten Divisionen und 84 deutschen Divisionen. Falkenhayn ordnet Eile an: ein schneller Marsch Richtung Nordsee soll ein Ergebnis herbeiführen – zugleich wird damit der bei der Marneschlacht sprichwörtlich begrabene Schlieffen-Plan (zunächst sollte die Masse des deutschen Heeres gegen Frankreich zum Einsatz kommen, danach zurück an die Ostfront verlegt werden, um gegen Russland vorzugehen) wiederbelebt.

Was nun folgt, gliedert der Historiker Herfried Münkler in seinem Buch „Der Große Krieg“ in drei Etappen: die Offensive der 6. Armee im Raum Saint-Quentin, die Eroberung der belgischen Festung Antwerpen und die Schlachten am Yser-Kanal und bei Ypern.

Etappe Nummer eins bringt den Deutschen zwar Gebietsgewinne, ein durchschlagender Erfolg gelingt aber nicht. Der Grund: ungünstige Transportbedingungen, die die deutschen Kräfte „vertröpfeln“ lässt, so Münkler.

Etappe Nummer zwei gestaltet sich komplizierter: Während die Deutschen mit der Eroberung von Antwerpen „den Feind im Nacken“ beseitigen wollen, sind die Interessen auf alliierter Seite divergent. Während Joffre darauf drängt, dass die belgische Armee die Festung aufgibt, drängt der britische Marineminister Winston Churchill darauf, dass die Belgier ihre Stellungen halten und kündigt Verstärkung an. König Albert entscheidet sich schließlich, die Stadt aufzugeben. Das Militär zieht sich in Richtung Yser-Kanal zurück, während ein großer Teil der Zivilbevölkerung in die Niederlande flieht.

Die letzte Lücke schrumpft dahin

Deutsche und alliierte Truppenverlegungen während des Wettlaufs zum Meer
Deutsche und alliierte Truppenverlegungen während des Wettlaufs zum Meer(c) Joseph Joffre, Éditions Plon (Wikipedia)

Etappe Nummer drei bringt eine deutliche Verlangsamung der steten Nordwärts-Bewegungen. Denn, „so vorzüglich die flandrische Landschaft für den Aufmarsch von Heeren und mehrtägige Schlachten geeignet war, so ungeeignet war sie für den Stellungskrieg“, schreibt Münkler. Und weiter: „In zwei, drei Spaten Tiefe stieß man bereits auf Grundwasser, sodass die Soldaten hier nicht nur mit dem Feind, sondern auch mit dem immer wieder in die Stellungen eindringenden Wasser zu kämpfen hatten.“Nach ersten Gefechten beginnt die eigentliche Schlacht um Ypern am 16. Oktober 1914 mit einem Angriff deutscher Einheiten. Die Belgier reagieren mit der Öffnung der Wasserschleusen von Nieuport, die Briten mit schwerer Schiffsartillerie. Die Deutschen geraten in Bedrängnis, könne sich aus ihrer festgefahrenen Lage nicht lösen.

Ende Oktober gibt es nur noch eine schmale Lücke zwischen den Fronten, die am 20. Oktober im Zuge der Ersten Flandernschlacht geschlossen wird. Die Opferzahlen steigen drastisch an. Laut Münkler fielen bei Ypern rund 24.000 Briten und 50.000 Deutsche. Der Schriftsteller Rudolf G. Binding hält dazu am 27. Oktober fest: „Das neunmal vierundzwanzig Stunden dauernde Gefecht, das die endgültige Entscheidung nicht brachte, hat beide Fronten bis zur Bewegungslosigkeit einander nahegebracht.“

Das Ende des „Wettlaufs“, der eigentlich kein Wettlauf war, hatte den Deutschen somit nicht den erhofften Durchbruch gebracht. Der Schlieffen-Plan war zum zweiten Mal gescheitert. Und der Bewegungskrieg einem Stellungskrieg gewichen. 

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