Manuel Noriega: Ein Offizier, aber kein Gentleman

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Vor 25 Jahren endete mit der US-Invasion in Panama die Gewaltherrschaft von Manuel Noriega. Der lange Zeit von Washington wohlgelittene Handlanger im Kampf gegen den Kommunismus hatte sein Land zur Drehscheibe des Drogenhandels gemacht.

Die größte Militäroperation der US-Streitkräfte seit dem Vietnam-Krieg begann am letzten Adventsonntag 1989. Präsident GeorgeH.W. Bush, seit knapp elf Monaten im Amt und von einer wachsenden Schar an Kritikern als entscheidungsschwacher Waschlappen verhöhnt, der ohne seine Berater zu keiner Entscheidung fähig wäre, zog sich an diesem 17.Dezember nach Verabschiedung der letzten Gäste einer Weihnachtsfeier im Weißen Haus mit seinen engsten sicherheitspolitischen Beratern zurück: Verteidigungsminister Dick Cheney, der nationale Sicherheitsberater Brent Scowcroft, Präsidentensprecher Marlin Fitzwater und Colin Powell, der frisch bestellte Generalstabschef der Streitkräfte.

Thema der Besprechung: Panama. Genauer: Manuel Antonio Noriega. Und noch genauer: Wie entmachtet man diesen 55-jährigen „Jefe Máximo“ des damals etwas mehr als zwei Millionen Einwohner zählenden Isthmus zwischen Costa Rica und Kolumbien?

Mit wachsendem Missfallen hatte man von Washington aus die Entwicklung des lebenslangen Berufssoldaten seit Anfang der 1980er-Jahre beargwöhnt. 1983 hatte General Noriega die Führung jener Junta übernommen, die das Land seit dem Tod des linkspopulistischen Militärmachthabers Omar Torrijos, eines persönlichen Freundes des britischen Schriftstellers Graham Greene, zwei Jahre zuvor regiert hatte. Rasch hatte der in Militärakademien in Peru und der School of the Americas in Panama (eine Kaderschmiede der US Army für lateinamerikanische Offiziere) ausgebildete Noriega seine Macht verfestigt: Streitkräfte, Polizei und Nationalgarde waren in seiner Hand konzentriert, ebenso alle Angelegenheiten, die den Panamakanal betrafen. Panamas Parlament war ein Marionettentheater, an dessen Fäden Noriega zog, Präsident Eric Arturo Delvalle von ihm persönlich eingesetzt.

Mit all diesen Unschönheiten hätte Bush leben können. Noriega war nicht nur einer von mehreren undemokratischen Machthabern im Sold der USA, er saß zudem an einer geografisch besonders günstigen Stelle: von Panama aus lässt sich ganz Südamerika geheimdienstlich vortrefflich im Auge behalten, allen voran die Stellvertreterkriegsschauplätze Nicaragua, Honduras und Kolumbien sowie Kuba, der kommunistische Erzfeind der USA.

Seit dem Jahr 1903, als die ersten US-Marines an Panamas Küste gelandet waren, um in den Wirren des Unabhängigkeitskriegs von Kolumbien wichtige Infrastruktur zu sichern, hatten die Vereinigten Staaten hier eine bedeutsame Militärbasis. 1963 errichtete das Southern Command der Streitkräfte in Panama sein Hauptquartier; zum Zeitpunkt der Unterredung von Bush und seinen Sicherheitsberatern waren rund 13.000 Soldaten dort stationiert – und zahllose Agenten der CIA und der National Security Agency, versteht sich.


Der Meistergeldwäscher. Noriegas größter Vorteil in den Augen Washingtons war, wie Seymour Hersh im Juni 1986 in der „New York Times“ festhielt, „dass er keine Ideologie hat“. In erster Linie ging es ihm um Macht. Und um Geld – egal, aus welchen Quellen. Seit den 1970er-Jahren hatte Noriega seine Kontakte zum kolumbianischen Drogenkartell in Medellín vertieft. 1979 begann er, Drogengelder aus den USA über das locker regulierte panamaische Bankenwesen weiß zu waschen. Binnen fünf Jahren hätte er so mindestens elf Milliarden Dollar an Drogeneinnahmen für das Medellín-Kartell gewaschen, sagte Noriegas Buchhalter im Februar 1988 in einer Einvernahme vor dem US-Kongress. Für Noriega blieben davon rund 350 Millionen Dollar an Provision.

Mit dem Amtsantritt von Bushs Vorgänger Ronald Reagan wurde Noriega für die Amerikaner zunehmend untragbar – spätestens, als Bush 1982 seinen „Krieg gegen die Drogen“ ausrief. Noriega agierte jedoch immer dreister, spionierte amerikanische Streitkräfte und Geheimdienste aus, verkaufte NSA-Daten an die Kubaner. „General Noriega ist das beste Beispiel in der jüngeren Geschichte der US-Außenpolitik, wie ein ausländischer Staatsführer die Vereinigten Staaten zu unserem eigenen Nachteil zu manipulieren weiß“, hielt der heutige Außenminister, John Kerry, 1988 als Vorsitzender eines Senatsausschusses fest.

Und Noriega begann, den Unmut der eigenen Bürger brutal niederzuzwingen. Die enthauptete Leiche des ehemaligen Gesundheitsministers und scharfen Kritikers Hugo Spadafora war 1985 in einem Postsack gefunden worden. „Wir haben den tollwütigen Hund“, dokumentierten US-Geheimdienstler den Anruf eines Militärs bei Noriega. „Und was macht man mit Hunden, die die Tollwut haben?“, antwortete Noriega. Spadaforas Kopf wurde nie gefunden; die gerichtsmedizinische Untersuchung ergab, dass er fünf Stunden lang gefoltert worden war.

Kurzum: Bush hatte gute Gründe, Noriega loszuwerden. Zudem war ihm die weltpolitische Großwetterlage günstig. Die Berliner Mauer war vor Kurzen gefallen, mit Michail Gorbatschow saß ein Mann im Kreml, der ein Interesse am Ende des Kalten Kriegs hatte. Der große Wettkampf der Systeme war zu Ende – und damit auch die Not, bedingungslos an einem Mann wie Noriega festzuhalten. „Machen wir es“, sagte Bush am Ende der Unterredung mit Cheney, Scowcroft, Fitzwater und Powell. Die Panama-Invasion war beschlossen.


Operation Just Cause. Am 20.Dezember, um ein Uhr morgens Ortszeit, griffen die US-Streitkräfte an. Knapp 24.000 Soldaten und rund 300 Flugzeuge und Hubschrauber beteiligten sich an der Operation Just Cause (Gerechte Sache). Rasch war die Luftabwehr der panamaischen Streitkräfte außer Kraft gesetzt, hatten US-Truppen Flug- und Seehäfen sowie Brücken und Verkehrsknotenpunkte unter Kontrolle. Als Soldaten Noriegas Hauptquartier stürmten, staunten sie nicht schlecht: in seinem Büro fanden sich unter anderem eine Napoleon-Büste, ein Hitler-Porträt sowie rund 50 Kilogramm Kokain.

Noriega tauchte unter, hetzte von einem Versteck zum nächsten, bis er an Heiligabend in der Botschaft des Vatikan Zuflucht fand. „Das Recht auf Asyl muss verteidigt werden, selbst für Luzifer“, erklärte ein Vertreter des Heiligen Stuhls. Der militärische Widerstand zerfiel, der befürchtete Guerillakrieg im Tropenwald blieb den Amerikanern erspart. 23 amerikanische und vermutlich 314 panamaische Soldaten starben, auch rund 500 Zivilisten fielen den Kämpfen zum Opfer.

Um Noriega zum Aufgeben zu bewegen, beschallten sie die Apostolische Nuntiatur tage- und nächtelang mit ohrenbetäubend lauter Rockmusik: „I Fought the Law“ von The Clash, „Panama“ von Van Halen und „Voodoo Chile“ von Jimi Hendrix dröhnten so lang, bis Papst Johannes Paul II. ein Machtwort sprach. Nach zehn Tagen ergab sich Noriega den US-Streitkräften. Sie flogen ihn nach Miami, wo ihm wegen Drogenschmuggels, Geldwäsche und organisierten Verbrechens der Prozess gemacht wurde. Aus ursprünglich 40 Jahren Haft wurden zunächst 30, im Jahr 2007 lieferten die USA Noriega an Frankreich aus, wo er wegen ähnlicher Vergehen zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Seit 2011 sitzt der mittlerweile 80-Jährige in seiner Heimat eine 20-jährige Gefängnisstrafe ab – allem voran wegen der Verschwörung zur Ermordung von Hugo Spadafora.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

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