Prinz Eugen: Der edle Ritter und sein Denkmal

Das Prinz-Eugen-Denkmal wurde vor 150 Jahren eingeweiht.
Das Prinz-Eugen-Denkmal wurde vor 150 Jahren eingeweiht.(c) Wikimedia (Haeferl)
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Vor 150 Jahren wurde das Prinz-Eugen-Denkmal am Wiener Heldenplatz eingeweiht. Über den Sinn der Heldenmonumente aus Stein und Erz - damals und heute.

Wenn man Robert Musil glaubt, dann gibt es auf der Welt nichts, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler. Für den Spaziergänger sind sie wie die Bäume Teil der Straßenkulisse, lagern im optischen Unbewussten und würden höchstens dann Verwirrung bei uns auslösen, wenn sie über Nacht abgerissen würden. Zwei solche stumme Zeugen der Vergangenheit befinden sich auf dem Wiener Heldenplatz auf dem Platz vor der Hofburg, zwei heroische Reiterstandbilder, jeder, zumindest jeder, der in Wien in die Schule gegangen ist, kann sie abrufen, aber nur die Touristen nehmen für ein Selfie Notiz von ihnen. Die beiden Helden auf ihren Rössern teilen das Schicksal von Denkmälern, die nur zweimal in ihrem Leben Aufsehen erregen: wenn sie eingeweiht werden und wenn sie abgerissen werden. Dazwischen verbringen sie ein beschauliches Dasein als Symbole des Umgangs der Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und scheinen gegen unsere Aufmerksamkeit wie imprägniert zu sein. Oft reichen sie gerade noch als Stoff für den Satiriker: „Der Plastiker, der uns ergötzt, / Weil er die großen Männer setzt, / Grauschwärzlich, grünlich oder weißlich, / Schon darum ist er löb- und preislich“, dichtete Wilhelm Busch.

Hoch zu Ross gegen die Türkengefahr: Prinz Eugen
Hoch zu Ross gegen die Türkengefahr: Prinz Eugen (c) Wikimedia

Musil mag recht damit haben, dass alles Beständige seine Eindruckskraft bei uns einbüßt, seine Verachtung gegenüber der Denkmalkultur wurde aber gerade in jüngerer Vergangenheit widerlegt, das beweisen die heftigen Diskussionen um die Holocaust-Mahnmäler in Berlin und Wien, das Deserteursdenkmal am Wiener Ballhausplatz und die Aufregung um das Hrdlicka-Denkmal des straßewaschenden Juden am Platz vor der Albertina. Allein auf der National Mall in Washington sind seit 1982 ein halbes Dutzend Denkmäler entstanden, sie erinnern an die toten GIs des Zweiten Weltkrieges genauso wie an Martin Luther King. Der wahre Nutzen von Denkmälern wird deutlich: Sie geben der identitätsstiftenden Erinnerung Gestalt, ohne die kein Staat existieren kann, mag die Erinnerung dem Guten gelten, mag sie dem Bösen Gestalt geben. Erinnerung benötigt auch Denkmäler.

Die "denkmalleeren Straßen Wiens"

Es wäre zu schlicht gedacht, wollte man die in Stein und Erz verewigten Helden, wie sie die Ringstraße prägen, als kunsthistorisch interessante schöne Übungen sehen, um das Andenken großer Männer zu erhalten. Gerade im Zeitalter Kaiser Franz Josephs dienen die Plastiken nicht nur der dokumentarischen Abbildung vergangener Ereignisse, sondern liefern Aufschlüsse über das Geschichts- und das ideologische Selbstverständnis jener Gesellschaft, die die Kunstwerke in Auftrag gegeben hat. Das ist besonders gut dokumentierbar anhand der beiden berühmten Reiterdenkmäler am äußeren Burgplatz der Wiener Hofburg, der ursprünglich als Zentrum des sogenannten nie vollendeten Kaiserforums dienen sollte und erst 1878 den Namen Heldenplatz erhalten hat: Das ältere der beiden Denkmäler ist von 1860, es zeigt Erzherzog Carl, den Großonkel des regierenden Kaisers Franz Joseph, wie er mit der Fahne in der Rechten gegen die Truppen Napoleons in der Schlacht bei Aspern (1809) anreitet, das zweite zeigt den savoyischen Prinzen Eugen, ebenfalls hoch zu Ross, der das Kaiserreich in entscheidenden Schlachten vor dem Ansturm der Türken verteidigte und am Tag der Enthüllung des Denkmals, am 18. Oktober 1865, seinen 202. Geburtstag gefeiert hätte.

Ein Denkmal zum 202. Geburtstag vor der Hofburg
Ein Denkmal zum 202. Geburtstag vor der Hofburg (c) Wikimedia (Haeferl)

Die Herstellung der Denkmäler bedurfte der Initiative von ganz oben. Noch kurz vor 1860 hatte ein Artikel in der „Wiener Zeitung“ die „denkmalleeren Straßen Wiens“ beklagt: „Wer durch die öffentlichen Straßen der Kaiserstadt geht, der wird sehr selten daran gemahnt, welche Männer es gewesen sind, die den Österreichischen Staat geschaffen haben.“ Auftraggeber bei beiden Denkmälern war Kaiser Franz Joseph, der auch die Kosten übernahm, den Künstler aussuchte und selbst im Fall der Erzherzog-Carl-Plastik den schlachtentscheidenden Moment von Aspern als Motiv auswählte (ironischerweise dürfte man sich dabei von dem berühmten Bild Jacques-Louis Davids mit der Darstellung Napoleons beim Ritt über den St. Bernhard inspirieren haben lassen). Beide Reiterstandbilder entstanden in Krisenzeiten, die Jahre zwischen 1859 und 1866 wurden gerahmt von zwei bitteren Schlachtenniederlagen, 1859, das Jahr, indem ursprünglich das Erzherzog-Carl -Denkmal bereits enthüllt werden sollte, war das Jahr der Niederlagen in Oberitalien (Magenta und Solferino), 1866 schließlich war das Jahr der verheerenden Niederlage von Königgrätz. 1865, bei der Enthüllung des Prinz-Eugen-Denkmals, hatte sich das Spannungsverhältnis zu Preußen bereits zugespitzt. Wiens imperialer Glanz der Ringstraßenära, die Zeit von Blüte und Wohlstand, war also zugleich ein Jahrzehnt, in dem die Monarchie in eine tiefe Depression stürzte und der Kaiser die bittersten Stunden seines Lebens erlitt.

Der Denkmal-Partner: Erzherzog Carl

Feldherr, Staatsmann, Intellektueller: Der zugewanderte Prinz
Feldherr, Staatsmann, Intellektueller: Der zugewanderte Prinz (c) Wikipedia

Trotzdem wurde unermüdlich an der Fertigstellung der Ringstraße gearbeitet, die baulich für jedermann erkennbar Wien zur repräsentativen Residenzstadt machen sollte. Das Prinz-Eugen-Denkmal war dann das erste, das nach der offiziellen Eröffnung der Ringstraße (am 1. Mai) im Oktober 1865 enthüllt wurde. Die Arbeiten daran hatten fünf Jahre gedauert, der Auftrag an Anton Dominik Fernkorn, der in einer alten Kanonengießerei auf der Wieden (heute Gußhausstraße 25) ein Atelier besaß, war am 13. November 1860 erfolgt, nach zweieinhalb Jahren war das Ton- und Gipsmodell vollendet und konnte für den Guss freigegeben werden. Erst durch die Einrichtung des Fernkornschen Erzgusshauses war die nun folgende Blüte der öffentlichen Denkmäler möglich geworden. Dennoch hat die Fertigstellung länger als erwartet gebraucht, die Beschaffung des Untersberger Marmors für den Sockel hatte sich angesichts der überaus regen Bautätigkeit an der Ringstraße schwierig gestaltet. Dazu kam der schwierige Gesundheitszustand von Fernkorn, der krank wurde und die Arbeiten an seinen Gießereileiter Franz Pönninger übergeben musste, 1868 wurde er in die Nervenheilanstalt Oberdöbling eingeliefert, wo er auch starb ( Sein Atelier übernahm in der Folge Hans Makart).

Partner beim Flankenschutz für das Burgtor: Erzherzog Carl
Partner beim Flankenschutz für das Burgtor: Erzherzog Carl (c) Imago

Besonders das Erzherzog-Carl-Denkmal ließ sich gut für die Staatsidee des neoabsolutistischen Zeitalters instrumentalisieren. Ein Jahr vor der Einweihung hatte der Kaiser die Niederlage von Solferino erlitten, bei der ein ganzes Königreich verlorengegangen war, nun präsentierte er seinen Völkern einen siegreichen Feldherrn und Vorfahren als Denkmal, das könnte ihm schwer gefallen sein. Doch die Zeitungen machten in unzähligen Artikeln Mut: Es galt, die italienische Schmach wieder vergessen zu machen und die Moral der österreichischen Bevölkerung, nicht zuletzt auch der Truppen, wieder zu heben, indem man betonte, dass der Sieg von Aspern durch ein Mitglied des Kaiserhauses ohne jegliche Verbündete möglich war. Beide Denkmäler spielen also auf einen „Abwehrmythos“ Österreichs an, im Fall Carls gegen die Franzosen, im Fall des Prinzen Eugen gegen die Türken, im Tonfall der Zeit von 1864 sei der „Haupt-Character“ Österreichs „der Schutz der Civilisation des Occidents gegen die Barbaren des Ostens, und zweitens in der Schirmung der Ehre des deutschen Reiches gegen den Westen“. In diesem inhaltlichen Konnex treten die beiden Heldengestalten nicht nur als „Torwächter“ für den Burghof auf, sondern auch als Kolossalbüsten auf dem niederösterreichischen „Heldenberg“.

Beschwörung der glorreichen Vergangenheit

Löwenhafter Mut: Das Wappen am Denkmalssockel
Löwenhafter Mut: Das Wappen am Denkmalssockel (c) Wikimedia (Andreas Praefcke)

Die relativ bescheidene Zahl an Zeitungsartikeln zu der Einweihung des Prinz-Eugen-Denkmals am 18. Oktober 1865 weist darauf hin, dass man sich bei dem Savoyarden schon etwas schwerer tat mit der historischen Legitimation. Das hängt auch damit zusammen, dass seine Taten länger in die Vergangenheit, in die Barockzeit, zurückreichten und die Situation der Monarchie sich innenpolitisch gewandelt hat. 1860/61 hatte es mit dem „Oktoberdiplom“ und dem „Februarpatent“ legistische Initiativen für eine konstitutionelle Monarchie gegeben, sie wurden am 20. September 1865, also ein Monat vor der Eröffnung des Eugen-Denkmals, wieder aufgehoben. Die Situation mit Ungarn, das sich aus der Macht des neoabsolutistischen Herrschers lösen wollte, hatte sich zugespitzt, die ursprüngliche Idee von einem Einheitsstaat wandelte sich zur Doppelmonarchie, sie wurde durch den Ausgleich von 1867 in der Verfassung verankert. Die Enthüllung des Eugen-Denkmals wurde nun in Vorahnung dieser Machtzersplitterung und des Nationalitätenproblems für einige Zeitungsartikel zum Anlass, die Ungarn nachhaltig daran zu erinnern, wem sie die Befreiung vom Türkenjoch zu verdanken hatten. Erst durch die militärischen Erfolge Eugens waren große Teile des Landes von den Türken befreit und dem Habsburgerreich eingegliedert worden. Die Inschrift auf der rechten Sockelseite („Dem ruhmreichen Sieger über Österreichs Feinde“) beschwört in einer Zeit der Schlachtenniederlagen die glorreiche Vergangenheit. Der Gedanke entspricht einem anonymen Gedicht, das in Abwandlung des populären Prinz-Eugen-Liedes formuliert: „Prinz Eugen, der edle Ritter, / Ach fürwahr, es wär‘ nicht bitter / Hätten wir Dich heute noch!“

Repräsentativer Standort für ein Denkmal: der Heldenplatz
Repräsentativer Standort für ein Denkmal: der Heldenplatz (c) Die Presse (Clemens Fabry)

Die Denkmalkultur in der Zeit der Ringstraße war also unmittelbar mit dem Mythos des regierenden österreichischen Kaiserhauses verbunden, in rückwärtsgewandter Verklärung widmete man sich den großen Momenten der österreichischen Geschichte. So gesehen erstaunt es wenig, dass zunächst für den Kaiser selbst kein Standbild errichtet wurde. Trotz mehrerer Anläufe scheiterten letztendlich alle Pläne für eine frei stehende Skulptur des Monarchen im Ringstraßenbereich, die erste öffentliche Büste wurde 1863 im Arsenal aufgestellt, erst 1904 wurde ein erstes öffentliches Standbild von Franz Joseph in der Gartenanlage vor der Infanterie-Kadettenschule in der Hütteldorferstraße enthüllt. Das mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass der Kaiser selbst nicht viel davon hielt, abgebildet zu werden.

Literatur (Auswahl)

  • Markus Kristan: Denkmäler der Gründerzeit in Wien In: Steinernes Bewusstsein. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern (Hg. Stefan Riesenfellner). Böhlau Verlag 1998
  • Werner Telesko: Kulturraum Österreich. Die Identität der Regionen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts. Böhlau Verlag 2008
  • Die Ringstraße. Magazin in der Reihe „PRESSE GESCHICHTE“ (Band 1). 2015 Verlag "Die Presse"

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