Der spartanische Spanier - vor 40 Jahren starb Franco

General Franco Franco Bahamonde Francisco Paulino Hermenegildo Teodulo Spanish dictator general
General Franco Franco Bahamonde Francisco Paulino Hermenegildo Teodulo Spanish dictator generalimago/United Archives Internatio
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Vom schüchternen Buben zum skrupellosen Machtmenschen, der sein klerikal-faschistisches Regime in die Zeit des Kalten Krieges hinüberretten konnte. Vor 40 Jahren starb Francisco Franco.

Der Vater, ein Marineoffizier, war ein Lebemann und Frauenheld, zuhause herrisch, aber politisch liberal. Der Sohn sollte das genaue Gegenteil werden. Der Vater verließ die Familie, der Sohn, schüchtern, unnahbar, körperlich schwach, mit hoher Stimme, entwickelte eine tiefe Verbundenheit zur frommen, sittenstrengen Mutter.

Fast 40 Jahre lang sollte dieser Sohn, Francisco Franco, Spanien als Diktator regieren. Anfangs brutal und skrupellos, insbesondere während der Zeit des Bürgerkriegs und danach. Gegen Ende hin dann fast schon mit großväterlicher Attitüde, die Regierungsgeschäfte zu Gunsten seiner beiden Hobbys, der Jagd und dem Fernsehen, vernachlässigend. Vor 40 Jahren, am 20. November 1975, starb Franco. Und Spanien wurde – anders als von ihm geplant – eine Demokratie.

Am 20. Dezember 2015 wählen die Spanier ein neues Parlament. Dass Francos langer Schatten noch immer über dem Land liegen würde, wäre zu viel gesagt. Aber doch geht immer noch ein Riss durch den Staat, die jahrzehntelange scharfe Trennung zwischen links und rechts ist Ausdruck davon. Die Linke kann nur schwer widerstehen, den regierenden Partido Popular als Nachfolger des Franco-Regimes darzustellen. Und Exponenten der spanischen Volkspartei tun auch das ihre dazu. Die Konservativen rangen sich zwar zu einer Verurteilung des Staatsstreichs von 1936 durch, nicht aber zu einer des Franquismus an sich.

Wer also war Francisco Franco? 1926, im Alter von 33 Jahren, war er der jüngste General Europas. Seine Meriten hatte er sich im spanischen Kolonialkrieg in Marokko erworben. Ein Krieg, der mit unglaublicher Rücksichtslosigkeit geführt wurde. Massaker, Plünderungen, Vergewaltigungen – Franco ließ seinen Soldaten freien Lauf. Hier kamen seine Gefühlskälte, sein Mangel an Empathie zum Vorschein. Über ihn selbst hieß es, er habe in Afrika „weder Furcht noch Frauen noch Messen“ gekannt.

Das religiöse Element sollte im Leben des asketischen Galiciers erst später (wieder) eine Rolle spielen. Vor allem unter dem Einfluss seiner Frau – und der verbündeten katholischen Kirche. Wobei es zeitlebens Gerüchte gab, Franco sei jüdischer Herkunft. Worauf seine beiden Nachnamen – er hieß eigentlich Francisco Franco Bahamonde – hindeuten würden.

Francos faschistisches Regime hatte betont katholischen Charakter – das unterschied es deutlich von jenen in Italien und Deutschland. Am ehesten ist es mit dem austrofaschistischen System des Engelbert Dollfuß zu vergleichen. Explizit faschistisch war in Spanien die Falange, eine politische Bewegung, die mit Franco in einer Art Symbiose existierte. So ähnlich wie seinerzeit in Österreich die Heimwehr mit Dollfuß' Christlich-Sozialen.

„Franco hat sich selber, hierin ist sich die Forschung einig, nicht als Faschist gesehen“, schreibt der Historiker Carlos Collado Seidel in seiner heuer erschienen Franco-Biografie (siehe Buchtipp). „Er war Militär und verstand sich und seine Herrschaftsausübung im militärischen Sinne.“

Francos Machtübernahme wäre ohne die Unterstützung der Nationalsozialisten allerdings kaum möglich gewesen. Das Verhältnis zu Adolf Hitler war jedoch von Distanz geprägt, Franco weigerte sich auch, auf Seiten der Achsenmächte in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Er lasse sich lieber drei oder vier Zähne ziehen als noch einmal mit Franco zu verhandeln, soll Hitler zu Mussolini gesagt haben. Franco und seine Verteidiger führten für das spanische Regime auch stets ins Treffen, Juden vor den NS-Vernichtungslagern bewahrt zu haben. In Wahrheit sei Spanien eher widerwillig für die Rettung von Juden eingetreten, fasst Carlos Collado Seidel jüngere Forschungsergebnisse zusammen.

Afrika-Armee. Afrika war auch das Sprungbrett für Francos Staatsstreich: Er, der die alte Monarchie unterstützt hatte, war anfangs noch loyal gegenüber der jungen Republik ab 1931 gewesen. Doch die das Land zusehends destabilisierenden Unruhen und die Sorge vor einem kommunistischen Umsturz – von Kommunisten und Freimaurern fühlte sich Franco zeitlebens bedroht – führten ihn ins Lager der Regierungsgegner, erst recht nach dem Wahlsieg der linken Volksfront 1936.

Wobei Franco gar nicht die erste Wahl für die Staatsführung nach einem erfolgreichen Putsch gewesen war. Der eigentliche Anführer der Verschwörung war General Emilio Mola. Das militärische Oberkommando hatte General José Sanjurjo über. Letzterer kam dann aber bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Zeitgleich verlief der Aufstandsversuch am Festland im Sand. Die Hoffnungen ruhten nun auf Franco, der sich mit seinen Truppen in Marokko befand. Das Problem war nur: Er konnte nicht übersetzen.

Und hier kommen die Nazis ins Spiel. Franco setzte sich mit Berlin in Verbindung – die Deutschen sollten eine Luftbrücke unterstützen. Das „Unternehmen Feuerzauber“ begann. Das Afrikaheer setzte in der bis dahin größten Luftbrücke der Geschichte über – und Franco war fortan unumstrittener Anführer der Putschisten.

Drei Jahre sollte der Spanische Bürgerkrieg zwischen Rechten, unterstützt von Hitler/Mussolini, und Linken, unterstützt von Stalin, dann noch dauern, mit Grausamkeit auf beiden Seiten geführt, ehe die Nationalisten das ganze Land erobert hatten. Und da Emilio Mola ebenfalls bei einem – mysteriösen – Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war und es auch sonst keine Kontrahenten mehr gab, war der Generalísimo nun der alleinige Führer. Sein Charisma als Diktator, so der Historiker Stanley Payne, gründete allein auf dieser „Mystik des Sieges“.

Kein Intellektueller. Als „exzessiv in seiner Mittelmäßigkeit“ beschreibt ihn der Historiker Alberto Reig Tapia. Kein Intellektueller, eher ein banaler Mensch, aber schlau und machthungrig. Im Gegensatz zu den italienischen Faschisten und den deutschen Nationalsozialisten war es Franco auch gelungen, sein Regime in die Nachkriegszeit hinüberzuretten. Er diente sich den Amerikanern an – als Verbündeter im Kalten Krieg. Der Feind blieb ja derselbe – der Kommunismus.

An den ebenfalls verhassten Liberalismus musste er nur leichte Zugeständnisse machen. Etwa, indem er nun wirtschaftsliberale Technokraten (viele davon aus dem Opus Dei) in die Regierung berief. Diese sorgten dann auch für ein spanisches „Wirtschaftswunder“ in den 1960ern.

Nichtsdestotrotz behielt das Franco-Regime seinen korporativen Charakter bei, der Staat übte weitgehend die Kontrolle über die Wirtschaft aus, dem sozialen Ausgleich auf nationaler Grundlage wurde große Bedeutung beigemessen. Patriotismus, Unterordnung des Einzelnen unter das Gemeinwohl, Antikapitalismus und Antikommunismus – das war die Ideologie in Francos „Neuem Spanien“.

Franco selbst war rhetorisch glanzlos, persönlich kühl und distanziert, im Arbeitsalltag diszipliniert und beherrscht. Kabinettssitzungen führte er autoritär. „Ich gestatte meinen Ministern nicht, mir zu widersprechen. Ich befehle, und sie gehorchen“, sagte Franco einmal. In den stundenlangen Sitzungen waren nicht einmal Toilettengänge gestattet.

Franco selbst beschloss dann, den Enkel des früheren Königs Alfons XIII., Juan Carlos, zu seinem Nachfolger aufzubauen. Er wurde unter seinen Fittichen ausgebildet und sollte sein Regime fortführen. Als Franco starb, ebnete Juan Carlos jedoch der Demokratie den Weg. Spanien erlebte seine Transición. Als 1981 eine Gruppe von Offizieren versuchte, das Ancien Régime mit einem Putsch wiederherzustellen, stellte sich Juan Carlos diesen entschlossen entgegen.

Francos langer Schatten begann zusehends zu verblassen. Auch wenn sich – nach einer Tabuphase – eine Phase der Vergangenheitsbewältigung anschloss, die bis heute andauert.

Buchtipp

Carlos Collado Seidel, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Marburg, hat heuer eine neue Franco-Biografie vorgelegt. Der Autor ist um ein umfassendes, möglichst objektives Bild des spanischen Machthabers bemüht. Historiker kommen zu Wort, Kritiker und Mitstreiter. Dennoch versteht Seidel sein Buch „Franco – General, Diktator, Mythos“ (Verlag Kohlhammer Urban) schon als Antithese zu den zahlreichen, in Spanien immer noch erscheinenden Franco-Hagiografien. Verlag Kohlhammer Urban

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2015)

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