"Erlegung eines bösartigen Elefanten": Der Tod von Sitting Bull

Porträt von Sitting Bull (ca. 1885).
Porträt von Sitting Bull (ca. 1885).(c) Imago
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Am 15. Dezember 1890 wird der berühmte Indianerhäuptling erschossen. Er stirbt nicht durch die Hand von Weißen, sondern durch Indianerpolizisten.

Bis heute ist kaum ein anderer Indianerhäuptling so berühmt wie Sitting Bull (1831-1890). Am 25. Juni 1876 gelang unter der spirituellen Führung des legendäre Sioux-Indianers am Little Bighorn der erste und einzige Sieg in einer offenen Feldschlacht gegen US-Soldaten, die mit dem Tod des legendären General George A. Custer endete. Die eigentlich herausragende Leistung dieses empathischen Häuptlings und Medizinmanns der Hunkpapa-Lakota-Sioux war allerdings das Zusammenführen der verfeindeten Stämme. Mit seinem Charisma und seiner Rednergabe einte er die Sioux.

Der Sieg bei der Schlacht am Little Bighorn erwies sich ohnehin als ein bitterer, denn danach machte die überlegene US-Army gnadenlos Jagd auf die Indianer. In Folge zerfiel die von Sitting Bull geschmiedete Allianz mehrerer Stämme. Sitting Bull musste mit 2000 Indianern nach Kanada fliehen, ehe er 1881 zurückkehrte und sich ergab. Fortan lebte er im in North- und South Dakota gelegenen Standing-Rock-Reservat, das die US-Regierung in Washington beharrlich in kleinere Gebiete aufzuteilen versuchte.

"Es gibt keinen Indianer mehr außer mir"

Sitting Bull und Buffalo Bill.
Sitting Bull und Buffalo Bill.(c) Imago

Es folgte eine Zeit der Erniedrigungen, die mit seinen tragikomischen Auftritten in den Wild-West-Shows von Buffalo Bill ihren Höhepunkt fanden. Der mangelhaft Englisch sprechende Häuptling wurde vermutlich im Irrglauben, den Genozid der Weißen an den amerikanischen Ureinwohnern und das sinnlose Abschlachten der Büffel brandmarken zu können, für dieses an Kuriosität kaum zu überbietenden Spektakel missbraucht.

Doch der vollkommen entmachtete Sitting Bull war ein Unbeugsamer, auf den Indianer der verschiedenen Sioux-Stämme hörten. Er beharrte auf die Beibehaltung vereinbarter Reservatsgrenzen und vertraglich zugesicherte Mengen von Lebensmitteln. Die Lage in den Reservaten war katastrophal, viele waren dem Hungertod nahe. Für die Regierung und die Reservatspolizei waren das aber Provokationen, man versuchte ihn zu diskreditieren. Doch sein Ansehen und seine Beliebtheit blieben ungetrübt. Dennoch konnte Sitting Bull nicht verhindern, dass die Sioux 1889 einen Vertrag zustimmten, der das bis dahin große Indianerreservat in viele kleine Inseln zersplitterte. "Es gibt keine Indianer mehr außer mir", soll er nach der schmachvollen Unterzeichnung gesagt haben.

Unbeugsamkeit als Todesurteil

Seine nicht enden wollende Unbeugsamkeit war aber letztlich auch Sitting Bulls Todesurteil. Ab Oktober 1890 unterstützte der Häuptling die sogenannte "Geistertanz"-Bewegung. Den Geistertänzern war ein Messias erschienen, der aber nicht wie Christus weiß war, sondern ein Indianer. Dieser sei ursprünglich von Gott auf die Erde geschickt, von den Weißen aber misshandelt worden und daher in den Himmel zurückgekehrt, ehe er auf die Erde wiedergekehrt sei, um alles besser zu machen. Diese, abgesehen von den Tanzritualen, den christlichen Lehren nicht unähnliche Geistertanz-Bewegung gewann rasant an Zuspruch. Sie wurde für die Regierung in Washington und die indianische Reservatspolizei rasch zu einer gefährlichen Massenbewegung. Mitte November hatte sie in den Sioux-Reservaten so um sich gegriffen, dass das übrige Leben fast zum Stillstand kam. "Die Kinder gingen nicht zur Schule, die Läden waren leer, auf den kleinen Farmen wurde nicht gearbeitet", schreibt darüber Dee Brown in seinem Buch "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses".

Nach Washington wurde von einem Agenten telegrafiert: "Die Indianer tanzen im Schnee und sind wild und verrückt ... Wir brauchen Schutz, und zwar schnell". Er forderte, dass die Anführer verhaftet und eingesperrt werden sollten, bis sich die Lage beruhigt habe. In Washington wurde daraufhin eine Liste der Unruhestifter erstellt. Auch Sitting Bull stand darauf, rasch hatte man einen Hauptschuldigen gefunden. Am 12. Dezember ging der Befehl hinaus, Sitting Bull festzunehmen.

"Erlegung eines bösartigen Elefanten"

Zwar war man sich bewusst, dass eine Verhaftung Sitting Bulls für weitere Unruhen sorgen könnte. Dennoch wurde am 15. Dezember 1890 die Blockhütte von Sitting Bull kurz vor Tagesanbruch von 43 Indianerpolizisten umstellt. Der Häuptling erklärte sich bereit, mitzukommen, ehe es zu einem Handgemenge kam, bei dem Sitting Bull, aber auch sein Mörder, der Indianerpolizist Bull Head starben.

Die "New York Times" verglich den Tod Sitting Bulls mit der Erlegung eines bösartigen Elefanten und beschrieb ihn als einen blutdurstigen Feind der Weißen. Man war sich sicher, dass Sitting Bulls Anhänger nun bald ihren Mut verlieren würden. Die Zeitung sollte auf tragische Weise recht behalten: Zwei Wochen nach seinem Tod kam es zum Massaker von Wounded Knee, bei dem US-Soldaten 350 Indianer, darunter viele Frauen und Kinder, massakrierten. Es sollte jenes Ereignis sein, das den Widerstandswillen der Indianer endgültig brach ("DiePresse.com" wird über die Geschehnisse von Wounded Knee Ende Dezember berichten).

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