„Schuldige der Wiener Kurdenmorde müssen benannt werden“

Ata Nassiri vor der Gedenktafel in Wien.
Ata Nassiri vor der Gedenktafel in Wien.(c) Schneider
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1989 wurde Kurdenführer Ghassemlou in Wien erschossen. Österreich scheut sich weiter, den Iran als Drahtzieher zu bezeichnen.

Ata Nassiri ist enttäuscht. Seit vielen Jahren führt er seinen Kampf für das, was er unter Gerechtigkeit versteht. Bisher erfolglos. „Ich will, dass endlich die Schuldigen der Kurdenmorde in Wien benannt werden“, sagt der Kurde aus dem Iran, der vor mehr als 30 Jahren nach Österreich gekommen ist.

Er hat hier studiert und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Nassiri deutet auf die schwarze Gedenktafel, die an einer Ziegelmauer gegenüber dem Haus in der Linken Bahngasse 5 im dritten Wiener Bezirk hängt. Mit ihr wird des Verbrechens gedacht, das hier vor 26 Jahren verübt worden ist: „Hier wurden am 13. Juli 1989 die beiden führenden Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran, Dr. Abdul Ghassemlou und Abdullah Ghaderi-Azar, sowie Fadel Rasoul im Kampf um Freiheit und Menschenrechte für das kurdische Volk durch iranische Terroristen ermordet“, steht dort eingraviert.

Ghassemlou war Präsident der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran, die für mehr Rechte der iranischen Kurden kämpfte. Im Juli 1989 wollte er in einer Wohnung in der Linken Bahngasse mit Vertretern des Teheraner Regimes Geheimgespräche über eine politische Lösung der Kurdenfrage im Iran führen. Doch das Treffen war ein Hinterhalt des Regimes: Ghassemlou wurde erschossen. Um diplomatische Schwierigkeiten mit Teheran zu vermeiden, ließ Österreich die Attentäter ausreisen.

Ata Nassiri hatte sich jahrelang dafür eingesetzt, dass die Gedenktafel aufgestellt wird. Die Formulierung „durch iranische Terroristen ermordet“, war ihm von Anfang an zu vage. Doch das war zunächst ein nötiger Kompromiss. Seither versucht er, die Inschrift zu ändern, etwa auf „ermordet durch die damaligen Machthaber im Iran“, wie das auf einer Gedenktafel in Berlin steht, wo 1992 ebenfalls ein Attentat auf iranische Kurdenpolitiker verübt worden war.

Angst vor „rechtlichen Konsequenzen“

Österreichs Behörden sperren sich weiterhin dagegen. „Das sind Formulierungen, die wir aus rechtlichen Gründen nicht verantworten können, da solche Bezeichnungen der Republik Iran möglicherweise politische und rechtliche Konsequenzen erwarten lassen“, heißt es in einem Schreiben der Stadt Wien. „Im Gegensatz zu dem von Herrn Mag. Nassiri Ata angesprochenen ähnlichen Fall in Deutschland gibt es in Österreich kein Gerichtsurteil.“ Während Österreich die Attentäter ziehen ließ, verhängte ein deutsches Gericht im ähnlich gelagerten Mykonos-Prozess Urteile.

Nassiri weist darauf hin, dass die Menschenrechtslage im Iran nach wie vor prekär sei. Vor allem in den Kurdengebieten ginge das Regime mit Brutalität gegen jeden Widerstand vor. „Jeden Tag werden dort junge Menschen hingerichtet.“ Dass Irans Revolutionsführer Ali Khamenei Anfang Dezember ausgerechnet an Österreichs Schüler und Jugendliche einen offenen Brief geschickt hat, empfindet Nassiri deshalb als besonderen Hohn. „Österreichs Politiker müssen auf diese Einmischung von außen reagieren“, verlangt er.

Mit Sorge betrachtet er, wie Irans Regime seit Abschluss der Atomverhandlungen im Westen wieder hoffähig wird. Mit seiner Frau hatte Nassiri während der Iran-Gespräche in Wien vor dem Palais Coburg demonstriert, dort wo sich Irans Diplomaten mit den Vertretern der Weltmächte getroffen hatten, um den Atomstreit beizulegen. „Wir waren am 13. Juli dort, um gegen die Gespräche mit dem iranischen Regime zu protestieren. Denn genau zu diesem Datum im Jahr 1989 wurde Ghassemlou in Wien ermordet.“ Nassiri will weiterkämpfen – dafür, dass endlich klar ausgesprochen wird, wer die Verantwortung für die Kurdenmorde trägt. Und das, obwohl er sogar in Wien den Druck des iranischen Regimes fühlt: „Man hat mir zu verstehen gegeben, dass ich mit meinen Aktivitäten aufhören soll.“ Doch davon will er sich nicht beirren lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2015)

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