Bert Brechts Honorar: Ein Steyr-Automobil

Steyr Typ 630
Steyr Typ 630(c) Wikipedia
  • Drucken

Ein prächtiges Buch dokumentiert die stolze Geschichte der oberösterreichischen Waffen-, Panzer- und Autofirma. Die besten Konstrukteure verwirklichten sich hier.

Wenn es um Automobile und um Steyr geht, dann beginnt alles bei dem Waffenproduzenten Josef Werndl (1831–1889). Nach Studienfahrten durch Europa und Amerika übernahm er 1855 vom Vater die Josef und Franz Werndl & Comp., Waffenfabrik und Sägemühle. Doch der junge Mann wollte mehr. Durch moderne Produktionsmethoden steigerte er die Zahl der an die Armee ausgelieferten neuen Hinterlader auf 8000 pro Woche. Und er wurde nicht nur sehr reich, sondern auch ein großzügiger Mäzen der Gegend. Noch heute künden Denkmäler von seinen Großtaten.

Seine Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft AG, 1926 umbenannt in Steyr-Werke AG, war aber auch die Wiege des heimischen Automobilbaus. Mit Waffen und Fahrrädern gab man sich schon lange nicht mehr zufrieden. Geniale Autokonstrukteure verwirklichten sich hier in Oberösterreich, die exzellentesten Techniker fanden hier ein Betätigungsfeld. Hans Ledwinka, Karl Jenschke und Ferdinand Porsche waren hier am Werk und schufen legendäre Fahrzeuge wie das „Waffenauto“, den „Stoppel“ (Steyr-Opel) oder das populäre „Steyr-Baby“, den Typ 50/55.

Nicht nur Herrenfahrer

Das vorliegende, prächtig ausgestattete Buch präsentiert die schönsten und skurrilsten Exemplare in der langen Firmengeschichte – etwa den Steyr Typ XII Double Phaeton mit Verdeck und Reisekoffer an der Seite. Aber auch an kleinere Feuerwehrautos traute man sich heran. Mit den Tourenwagen wagte man sich auf die internationalen Rennstrecken. Ein gewisses Fräulein Lisl Wurmb gewann 1927 ihre Wette, in einem Jahr auf der Reise zu hundert europäischen Städten 100.000 Kilometer im Typ XII zurückzulegen. Sie wurde danach vor dem Verkaufslokal am Wiener Kärntner Ring wie ein Star gefeiert.

Bald waren die Pioniere und Expeditionsreisenden die besten Werbeträger für österreichische Automobiltechnik. Der Abenteurer und Reiseschriftsteller Max Reisch etwa war eine Weltberühmtheit.

Bert Brecht, der große Kapitalismuskritiker, war im Privatleben – wie bekannt – durchaus ein Genießer. Für Bargeld tat er viel, daher reimte er für Steyr ein Auftragsgedicht, das ihm ein Steyr-Auto einbrachte. 1929 fuhr er damit leider mit 70 km/h gegen einen Alleebaum, blieb unverletzt und bekam ein neues Auto, weil die Firma sofort eine Werbestory daraus machte: „Ein Auto, in dem man überlebt . . .“

Brechts bescheidenes Werk begann so: „Wir stammen aus einer Waffenfabrik / unser kleiner Bruder ist der Mannlicherstutzen / unsere Mutter aber eine steirische Erzgrube. / Wir haben sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte. / Wir wiegen zweiundzwanzig Zentner. / Unser Radstand beträgt drei Meter. . .“ Und das Poem schließt: „. . . so lautlos fahren wir dich, dass du glaubst, du fährst, du fährst deines Wagens Schatten.“ Angestrengt hat er sich wohl nicht sehr.

Im Zweiten Weltkrieg ein Rüstungsbetrieb, weitete das Unternehmen bis in die Mitte der Sechzigerjahre seine Produktionspalette enorm aus: Personenautos, Lastkraftwagen, Geländewagen, Traktoren, Landmaschinen, Wälzlager, Jagdwaffen, Panzer, Motorräder, Fahrräder und Werkzeuge. Etwa ein Drittel der Produktion ging in den Export. Bekannte Fahrzeuge waren der Haflinger und der Pinzgauer, die vor allem beim österreichischen Bundesheer, aber auch bei zahlreichen ausländischen Armeen jahrelang eingesetzt waren. Der Puch G ist baugleich mit dem Mercedes-Benz G, der auch in Graz gebaut wird. Nur das wesentlich kleinere Vertriebsnetz von Steyr-Daimler-Puch führte dazu, dass das Fahrzeug auch unter der Marke Mercedes-Benz vertrieben wurde.

Berühmte Steyr-Panzer sind der in zahlreichen Versionen produzierte Schützenpanzer Saurer, der in vielen Ländern verwendet wird (Österreich, Griechenland, Zypern, Afrika etc.), Kürassier (Österreich, Brasilien, Marokko, Botswana, Tunesien, Argentinien etc.), Pandur (Österreich, Belgien, Slowenien, USA, Kuwait etc.) und Ulan (Österreich, Spanien).

Ab 1980 war die Steyr-Daimler-Puch AG als Konzerntochter der Creditanstalt das drittgrößte Industrieunternehmen Österreichs mit etwa 17.000 Beschäftigten. Umstrukturierungen sowie die Auslagerung von Teilen der Produktion auf mehrere Nachfolgeunternehmen ließen diese Zahl bis auf 8900 im Jahr 1991 sinken.

Der Ausverkauf hatte viele Gründe, auch das Waffenexportgesetz trug dazu bei. Tatsache ist, dass am Schluss nur noch die Fahrzeugtechnik im Magna-Konzern Frank Stronachs übrig blieb. Umso wichtiger ist die Erinnerung an ein prägendes Kapitel heimischer Wirtschaftsgeschichte.

Hubert Schier "Die Steyrer Automobilgeschichte"

Ennsthaler Verlag, 352 Seiten, Großformat, 65€

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.