Angriff auf Bagdad: Als die "Mutter aller Schlachten" losging

Iraqis walk past the bombed Amaria shelter in Baghdad
Iraqis walk past the bombed Amaria shelter in BaghdadREUTERS/Stringer
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Am 17. Jänner 1991 begann der Zweite Golfkrieg mit einem heftigen Bombardement der irakischen Hauptstadt Bagdad. Am 24. Februar folgte der Bodenkrieg von den USA.

Es war 2.30 Uhr Ortszeit, als in Bagdad die nächtliche Stille durch Kriegslärm abrupt unterbrochen wurde: Flugzeuge dröhnten und warfen Bomben ab, Sirenen heulten, die Flugabwehr feuerte in die Luft, der Himmel war voll von bunten Leuchtspuren. Im neunten Stockwerk des Rasheed-Hotels hielten die Reporter von CNN ihre Kameras und Mikros hinaus, sendeten live mit den legendären Worten: „The skies over Bagdad have been illuminated.“

In diesen Morgenstunden des 17. Jänner 1991 hatte US-Präsident George Bush sen. den Befehl zur „Operation Desert Storm“ gegeben. Das Ziel: Iraks Diktator Saddam Hussein zu zwingen, aus dem am 2. August 1990 besetzten Kuwait abzuziehen. Nur selten war sich nämlich nach dieser Okkupation die Welt so einig gewesen, dass die irakische Führung mit diesem Einmarsch nicht davonkommen dürfe: Mehrere UN-Resolutionen wurden vom Irak ignoriert, auch die letzte, die Resolution 678, in der als letztes Ultimatum für einen Truppenabzug der 15. Jänner fixiert wurde.

Aber parallel dazu hatten es die USA geschafft (auch mit politischem Druck und wirtschaftlichen Anreizen), eine umfassende Militärkoalition zu schmieden: In seltener Einmütigkeit hatten sich mehr als 20 Länder bereiterklärt, unter Führung der USA gegen Saddam zu kämpfen. Neben einigen westlichen Staaten und der Türkei waren dies auch arabische Bruderstaaten wie Ägypten, Marokko, die Golfstaaten und – besonders interessant – Syrien.

Die militärische Hauptlast aber trugen die USA: Schon in den ersten 24 Stunden flogen die alliierten Streitkräfte mit fast 800 Kampfflugzeugen Tausende Angriffe auf Ziele im Irak, vor allem Bagdad. Sie setzten dabei präzisionsgelenkte Munition, Marschflugkörper und Bomben ein. Das Ziel war, die militärische Infrastruktur wie Flakstellungen, Kasernen, Raketenbasen, Flugplätze etc. zu zerstören, aber auch Brücken, Staudämme und Industrieanlagen. In Kauf genommen wurden dabei auch viele zivile Opfer.

Saddam war bis zuletzt stur geblieben. Dabei hatte es in den Wochen vor dem 17. Jänner noch zahlreiche Vermittlungsversuche gegeben. Einer der letzten ging vom österreichischen Bundespräsidenten aus. Noch am 11. Jänner brach Kurt Waldheim zu einem offiziellen Besuch in den Oman auf – in der Delegation war auch der Autor dieser Zeilen. Schon von Muscat aus versuchten Waldheim und Sultan Qabus mit Saddam Kontakt aufzunehmen. Ohne Ergebnis.

Schließlich rief noch Jordaniens König Hussein an, schickte seine höchst fein ausgestattete Boeing 747 und brachte uns mit der Königsmaschine nach Amman. Mehrmals versuchten die beiden Staatsoberhäupter, mit Saddam Kontakt aufzunehmen – doch dieser ging nicht mehr ans Telefon. Einen Tag später startete das Bombardement.

Bemerkenswert ist die Vorgeschichte des Krieges bzw. der Kuwait-Invasion. Denn sie erzählt auch viel über die Nahostpolitik Washingtons: Es begann im September 1980, als Saddam Hussein, der starke Mann in Bagdad, glaubte, die Gunst der Stunde nützen und den durch die islamische Revolution geschwächten Erzrivalen Iran angreifen zu können. Die USA wiederum, gedemütigt durch die 444 Tage lang dauernde Geiselnahme amerikanischer Diplomaten in Teheran, beobachteten Saddams Pläne wohlwollend – trotz mancher Friktionen.

Acht Jahre dauerte dann dieser erste Golfkrieg, der als besonders grausamer Krieg mit vielen menschlichen Opfern vor allem auf iranischer Seite in die Geschichte einging. 1988 gab es keinen wirklichen Sieger. Bald fand Saddam in den Golfarabern ein lohnendes Ziel, um von nationalem Frust abzulenken. Kuwait war das erste Ziel, Saudiarabien sollte folgen. Tatsächlich hatte der Iran/Irak-Krieg das Land auch finanziell ausgeblutet, und Saddam wollte sich am kuwaitischen Tresor bedienen. Er rüstete massiv auf.

Dann kam es am 25. Juli 1990 zu einem schicksalshaften Treffen zwischen dem Diktator und der damaligen US-Botschafterin in Bagdad, April Glaspie. Dabei beklagte sich Saddam über die arroganten Golfaraber, die den Ölpreis künstlich niedrig hielten. Dann erwähnte er noch, dass ein Teil der Grenze zu Kuwait umstritten sei. Die US-Botschafterin, so ist es in den Archiven verbrieft, meinte nur lakonisch, die USA würden sich in innerarabische Angelegenheiten nicht einmischen. Saddam war verwirrt und deutete die Diplomatenworte so, dass sich Washington nicht gegen einen militärischen Einmarsch stellen würde.

Saddam lag falsch. Vom Tag des Kuwait-Einmarsches (2. August 1990) an wurde aus dem einstigen Partner USA ein Erzfeind. Der Krieg unter General Norman Schwarzkopf verlief in zwei Phasen: zuerst schwere Luftangriffe, die jeden Widerstand brechen sollten, dann die Bodenoffensive. Diese begann am 24. Februar 1991, nachdem die irakischen Truppen kaum noch Widerstand boten. Dennoch sprach Saddam immer wieder von der „Mutter aller Schlachten“. Seine Armee begann mit dem Rückzug aus Kuwait, Soldaten flüchteten zu Tausenden in ihre Heimat zurück. „Highway of Death“ wurde diese Route genannt, weil die abziehenden Einheiten ein leichtes Ziel waren und von US-Jets bombardiert wurden. Später sollte eine Kommission dies als Kriegsverbrechen einstufen.

Anfang März gab es Verhandlungen über einen Waffenstillstand, die in einer UN-Resolution mündeten. Offizielles Kriegsende ist der 12. April. Doch damit war schon der Keim für weitere Konflikte gelegt. Denn in der Resolution wurde lediglich der Rückzug aus Kuwait gefordert, die territoriale Integrität des Irak blieb unangetastet, was Saddam brutal ausnutzte.

Denn die Schiiten im Süden des Landes und die Kurden im Nordirak fühlten sich in jenen Märztagen stark genug, einen Aufstand gegen Saddams Regime zu beginnen. Ermutigt wurden sie dazu auch von den USA. Doch die Bagdader Führung war weniger geschwächt als erwartet, sie sandte sofort Sondereinheiten, die die Aufstände blutig niederschlugen, unter anderem auch mit dem Einsatz von Kampfhelikoptern. Im Norden flüchteten Hunderttausende in die Türkei, im Süden in den Iran. Erst die Schaffung von Flugverbotszonen bremste das Gemetzel. Jedenfalls waren Kurden und Schiiten bitter enttäuscht von den USA – und das wohl auch zu Recht.

Saddams neu aufgeflammter Hochmut zeigte sich auch darin, dass er bei jeder sich bietenden Gelegenheit den US-Präsidenten verspotten ließ, weil er nicht seinen Sturz betrieben habe, sondern „nur“ die Befreiung Kuwaits. Dazu kam, dass er die Auflagen aus dem Waffenstillstandsabkommen – nämlich die Zerstörung von Massenvernichtungsmitteln– nur halbherzig einhielt, Informationen zurückhielt und Katz und Maus mit den internationalen Waffeninspektoren spielte.

In Summe führte dies schließlich dazu, dass George W. Bush, der Sohn des damaligen Präsidenten, diese Schmach rächen und Saddam um jeden Preis stürzen wollte. Im März 2003 war es so weit. Ein neuer Krieg, der dritte Golfkrieg, begann – mit dem bekannten Ende. Zugleich war dies der Beginn einer Radikalisierung und religiös-politischen Zersplitterung im Irak, die letztlich auch zur Gründung des IS führte.

MEDIEN

Der erste Krieg, der live übertragen wurde

Der Beginn des Krieges gegen den Irak markiert auch eine neue Dimension der Medienberichterstattung. CNN hat es geschafft, besonders gute Übertragungsleitungen aus Bagdad zu bekommen. So konnten die Zuseher weltweit grünlich schimmernde TV-Bilder von nächtlichen Bombardements erstmals live erleben. CNN – und auch andere Fernsehstationen – waren freilich auch der Zensur in Bagdad unterworfen, und auf der anderen Seite wurden sie vom Pentagon beeinflusst und zensuriert. CNN wurde jedenfalls durch diesen Krieg zu einem großen Player im TV-Geschäft.

Überhaupt war dieser Krieg der Beginn des verstärkten Einflusses von Kriegsparteien auf Journalisten. Der Embedded Journalism wurde entdeckt und dann im Dritten Golfkrieg, als Bush junior 2003 Saddam im Visier hatte, perfektioniert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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