"Brückenbauer" Lord Weidenfeld gestorben

Verleger und Diplomat Lord George Weidenfeld
Verleger und Diplomat Lord George Weidenfeld(c) imago stock&people
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Geboren in Wien, floh der spätere Diplomat und Publizist zur Zeit der NS-Diktatur nach England. Er engagierte sich für den Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen.

Der britisch-österreichische Verleger und Diplomat Lord George Weidenfeld ist tot. Der langjährige Publizist der deutschen Zeitung "Die Welt" sei Mittwoch früh im Alter von 96 Jahren gestorben, teilte die Axel Springer SE am Mittwoch mit. Der gebürtige Wiener war zur Zeit der NS-Diktatur nach England geflohen.

Arthur George Weidenfeld wurde am 13. September 1919 in Wien geboren. Mit 19 Jahren emigrierte er nach London. „Einem Wunder kam es gleich, dass er später mithilfe seiner Kontakte die Eltern nach sich ziehen konnte, die sich freilich schwerer taten im fremden Milieu als er, der sprachgewandte Jugendliche, mit Französisch, Italienisch und Englisch in seinem Rüstzeug“, heißt es dazu in der „Welt“. Und: Seine Vielsprachigkeit soll ihm auch beim deutschen Dienst der BBC zugute gekommen sein.

1945 gründete Weidenfeld in England schließlich den Verlag Weidenfeld & Nicolson, in dem er unter anderem 1959 Vladimir Nabokovs Skandalroman „Lolita" verlegte. Als „Durchbruch" wollte er die Verlegung dieses Werks im Interview mit der „Presse" aber nicht sehen. Auf eine entsprechende Frage antwortete er im September des Vorjahres beharrlich: „Unsinn, zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon die Memoiren von Tito, de Gaulle und auch Speer veröffentlicht."

Weidenfeld, der es auch verstand, die Stimme von Adolf Hitler zu imitieren, erhielt 1947 die britische Staatsbürgerschaft und war ab 1994 auch wieder österreichischer Staatsbürger. 2002 wurde er in der Wiener Hofburg von Bundespräsident Thomas Klestil mit dem „Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst erster Klasse" geehrt.

Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen

Weidenfeld engagierte sich als "Brückenbauer" für den Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen und setzte sich stets für eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel ein. Noch im hohen Alter von 95 Jahren gründete er die „Operation Safe Havens", die verfolgten Christen aus dem Irak und Syrien hilft.

Politisch engagierte sich Weidenfeld außerdem leidenschaftlich für den Staat Israel. So wurde er 1949/50 Kabinettschef des ersten Präsidenten des neu entstandenen Landes, Chaim Weizmann. Eine fortlaufende Karriere in Jerusalem scheiterte allerdings an seinen verlegerischen Verpflichtungen, die Weidenfeld zurück nach London führten.

Einen weiteren Schritt auf das politische Parkett wagte der Verfechter einer "militanten Mitte" schließlich 1974, als er Berater des Labour-Premiers Harold Wilson wurde. 1976 wurde er auf dessen Initiative zum Pair auf Lebenszeit ernannt und zog als Baron Weidenfeld of Chelsea ins britische Oberhaus ein, wo er sich vor allem mit Nahost-Fragen beschäftigte.

„Mehr als die Summe seiner Teile“

Die „Welt“ erinnerte sich am Mittwoch mit einem ausladenen Artikel an den Publizisten. Demnach habe Weidenfeld, angesprochen auf das Thema Tod, stets bekundet: „Ich denke an den Tod, aber ich denke es nicht zu Ende.“ Das Medium ehrt ihn zudem als einen Menschen, der stets „mehr als die Summe seiner Teile“ gewesen sei. Nicht verwunderlich daher, dass er sich mit Alexander Pope darin einig gewesen war: „The proper study of mankind is man" – das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch.

In seinen eigenen, schon 1995 bei HarperCollins in New York erschienenen, Lebenserinnerungen, „Remembering my Good Friends", zeichnete Weidenfeld seinen Werdegang nach – und gab auch Einblicke in sein Privatleben. „Ich hatte ständig eine romantische Vorliebe für schöne Botschafterinnen, besonders, wenn sich bei ihnen Eleganz und politischer Verstand paarten“, ist dort über den Enthusiasten zu lesen, der gegenüber Neuem stets aufgeschlossen war – und es mit dem Ausruf „most exciting, most exciting“ zu begrüßen pflegte.

>>> Weidenfeld im Interview mit der "Presse"

>>> Bericht über Lord Weidenfeld in der "Welt"

(APA/dpa)

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