Jüdisches Museum lässt Wiener Synagogen virtuell auferstehen

Virtuelle Rückkehr: Jüdisches Museum zeigt zerstörte Synagogen
Virtuelle Rückkehr: Jüdisches Museum zeigt zerstörte SynagogenAPA/ANDREAS PESSENLEHNER
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Bis auf eine Ausnahme wurden alle Wiener Synagogen im Novemberpogrom 1938 zerstört. Eine Ausstellung zeigt nun virtuelle Rekonstruktionen.

Vor 1938 hat es in Wien fast einhundert Synagogen und Bethäuser gegeben - heute existiert nur noch einer dieser sakralen Bauten. Denn mit Ausnahme des Stadttempels wurden sie im Novemberpogrom der Nationalsozialisten zerstört. Die Ausstellung "Wiener Synagogen. Ein Memory" im Jüdischen Museum am Judenplatz lässt die Bauwerke nun wiederauferstehen - im Form virtueller Rekonstruktionen.

"In fast jedem Wiener Bezirk standen eine Synagoge - in der Leopoldstadt sogar fünf - und mehrere Bethäuser. Jede Spur davon ist heute verwischt", erklärte Museumsdirektorin Danielle Spera am Mittwoch. Die Bauten waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden - nachdem Kaiser Franz Joseph I. den Juden die Gründung einer Gemeinde und damit auch den Bau von im Stadtbild sichtbaren Gotteshäusern gewährte. Das war zuvor über Jahrhunderte hinweg nicht möglich.

"Synagogen zerstört, aber Pläne akribisch aufgehoben"

So entstanden in Wien kontinuierlich Synagogen und Bethäuser. Der Stil der Bauten reichte von ganz schlicht bis hin zur repräsentativ. In einer einzigen Nacht - vom 9. auf den 10. November 1938 - wurden diese Werke von den Nazis in Brand gesteckt. "Die Nazis haben zwar die Synagogen zerstört, aber die Pläne akribisch aufgehoben", so Spera. Diese Dokumente dienten als Basis für ein Projekt von Bob Martens, Professor an der Technischen Universität Wien, und Architekt Herbert Peter. Dieses startete vor mehr als 15 Jahren - mit dem Ziel, die zerstörten Bauten zumindest virtuell wieder begehbar zu machen.

Die Ergebnisse sind nun im Jüdischen Museum am Judenplatz zu sehen: "Wir haben versucht, der Wirklichkeit ein Stück weit nahe zu kommen. Ich denke, dass das gelungen ist", bilanzierte Martens. Und sein Kollege Peter fügte hinzu: "Unser Ansatz war, dass - wenn jemand aus der Ausstellung rausgeht - wirklich etwas hängen bleibt." Gezeigt werden Ansichtskarten, zeitgenössische Darstellungen, Interviews mit Zeitzeugen, Pläne, Modelle und Dokumentationen wie das Brandbuch der Wiener Feuerwehr von November 1938.

Highlight sind die computergestützten Darstellungen der zerstörten Synagogen, die mittels Tablet auf die Wände projiziert werden. "Was mir sehr, sehr gefällt, das sind die Räume, die wir betreten können - aber nur virtuell", lobte Ausstellungskurator Werner Hanak-Lettner die Ergebnisse des Projekts. In der realen Welt befinden sich heute auf den Grundstücken Gemeinde- und Genossenschaftsbauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren. An fast allen Standorten gibt es Gedenktafeln, die an die Geschichte erinnern.

Deutlichere Kennzeichnung gefordert

Spera würde sich eine deutlichere und einheitliche Kennzeichnung der Orte wünschen, an denen sich einst die Synagogen befanden. Dies sei bei den zuständigen Stadträten deponiert, so die Museumsdirektorin: "Wir haben das schon mehrmals angeregt."

Die Ausstellung

"Wiener Synagogen. Ein Memory" im Jüdischen Museum am Judenplatz, 18. Mai bis 17. November. Dann übersiedelt die Schau in die Museums-Dependance in der Dorotheergasse und wird Teil der dortigen Dauerausstellung. Neben einem zweisprachigen Katalog gibt es auch ein Memo-Spiel zur Ausstellung. Dieses ist um zwölf Euro im Museum erhältlich.

www.jmw.at

(APA)

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