Historiker Ernst Nolte mit 93 Jahren gestorben

Historiker Ernst Nolte
Historiker Ernst Nolte(c) imago/Leemage
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Der deutsche Historiker hatte 1986 mit seinen Thesen zur Vergleichbarkeit der NS-Verbrechen mit denen des Stalinismus den "Historikerstreit" ausgelöst.

Der Historiker Ernst Nolte ist am Donnerstagmorgen mit 93 Jahren in Berlin gestorben. Er sei einer kurzen, aber schweren Krankheit erlegen, bestätigte seine Familie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur einen entsprechenden Bericht des "Tagesspiegel".

Nolte hatte 1986 mit seinen Thesen zur Vergleichbarkeit der NS-Verbrechen mit denen des Stalinismus den sogenannten Historikerstreit ausgelöst. Damals hatte er in einem Aufsatz für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" über den Nationalsozialismus als "Vergangenheit, die nicht vergehen will" geschrieben. Umstritten war vor allem Noltes These, nach der die Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland ihren Ursprung im sowjetischen Gulag-System gehabt habe - er selbst nannte es einen "kausalen Nexus".

Nolte, der im Jänner 1923 im nordrhein-westfälischen Witten geboren wurde, hatte in Münster, Berlin und Freiburg Philosophie, Deutsch und Griechisch studiert. Nachdem er einige Zeit als Lehrer gearbeitet hatte, promovierte er an der Universität Freiburg über Karl Marx und legte 1963 sein Werk "Der Faschismus in seiner Epoche" vor, mit dem er sich habilitierte. Weitere bekannte Werke von ihm sind "Theorien über den Faschismus", "Deutschland und der Kalte Krieg" sowie "Der Europäische Bürgerkrieg. Nationalsozialismus und Bolschewismus".

In den folgenden Jahren lehrte Nolte, der einst mit dem Hanns Martin Schleyer-Preis ausgezeichnet wurde, in Marburg und an der Freien Universität Berlin, an der er 1991 emeritiert wurde.

Historikerstreit

Der sogenannte Historikerstreit war eine Debatte über die geschichtliche Einordnung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen. Den Hauptanstoß dazu gab der Berliner Professor Ernst Nolte am 6. Juni 1986 mit seinem Aufsatz "Vergangenheit, die nicht vergehen will" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Der Widerspruch erfolgte am 11. Juli vom Frankfurter Sozialphilosophen Jürgen Habermas mit einem Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit". Unter der Überschrift "Eine Art Schadensabwicklung" warf Habermas Nolte und anderen Historikern vor, die Nazi-Verbrechen zu verharmlosen. Unterstützt wurde Habermas in der Debatte von seinem Jugendfreund Hans-Ulrich Wehler.

Nolte hatte den Holocaust als mögliche Reaktion auf die Verbrechen der sowjetischen Kommunisten beschrieben. "War nicht der 'Archipel Gulag' ursprünglicher als 'Auschwitz'?", fragte er. Hitler habe vermutlich in der "asiatischen Tat", mit der Lenin und Stalin die Bourgeoisie vernichten wollten, eine Bedrohung gesehen. Zwischen dem "Klassenmord" der Bolschewiki und dem späteren "Rassenmord" der Nazis könnte eine logische und faktische Verknüpfung bestehen.

Habermas bezichtigte Nolte und andere Wissenschafter daraufhin des Revisionismus. Mit ihrer Deutung relativierten sie die Gräueltaten der Nazis. In der Folge entbrannte unter Wissenschaftern und Intellektuellen eine heftige Diskussion, die monatelang anhielt. Sie kreiste auch um die Frage, ob die Ermordung von Millionen Juden ohne Beispiel in der Geschichte war. Mehr als zehn Jahre später zog Wehler das Fazit, er kenne keinen Historiker, der Noltes Interpretationen in den wesentlichen Punkten recht gegeben habe.

(APA/dpa/Red.)

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