Der kürzeste Krieg der Weltgeschichte

Archivbild: Sklaven auf Sanisbar, 1896.
Archivbild: Sklaven auf Sanisbar, 1896.(c) Imago
  • Drucken

Vor 120 Jahren putschte sich Sayyid Khalid auf den Thron des Sultanats Sansibar. Die Briten beendeten das Intermezzo durch einen Sieg in 38 Minuten.

„Die Stille, welche über Sansibar hing, war erschreckend. Normalerweise hörte man Trommelklänge und das Geschrei von Babys, aber in dieser Nacht gab es keinerlei Geräusche.“ Die Schilderungen eines britischen Beamten stammen aus dem Jahr 1896 und kündigen den kürzesten Krieg der Geschichte an.

Es war Hamad ibn Thuwaini ibn Said, der damals in Sansibar auf dem Thron saß. Seine Autorität, die insbesondere auf der Sklaverei fußte, war dabei begrenzt: Die 1600 Quadratkilometer große ostafrikanische Insel, die vor der Somaliküste im Indischen Ozean liegt, stand seit 1890 unter britischem Protektorat, sein Tun wurde geduldet. Doch nicht von allen: Sein Cousin Sayyid Khalid ibn Barghash trachtete im Geheimen nach ibn Saids Tod, um selbst an die Macht zu gelangen. Schon seinem Onkel, ibn Saids Vorgänger, hatte er die Herrschaft nicht gegönnt und 1893 versucht, den Sultanspalast zu übernehmen. Doch er wurde von britischen Marinesoldaten verhaftet – und die von ihm verhassten Briten setzten stattdessen seinen Cousin und Schwager Hamad ibn Thuwaini ibn Said als Sultan ein.

Letzterem waren knapp drei Jahre der Herrschaft beschieden. Am Morgen des 25. August 1896 wurde er tot aufgefunden. Woran er starb, ist bis heute unklar. Die Vermutung, dass Sayyid Khalid ihn vergiftet haben könnte, machte aber umgehend die Runde. Selbst die „Neue Freie Presse“ schrieb damals über den Vorfall und äußerte Verdächtigungen: „(...) Damals regierte in Sansibar Sultan Said Ali, der seinen Nacken stumm unter das englische Joch beugte. Er starb vor drei Jahren ganz plötzlich wie seine beiden Vorgänger, wie auch jetzt sein Nachfolger Hamed ben Thwain. Alle diese Herrscher scheiden so jung aus der Welt, und man hat nie erfahren, welche Krankheit sie hinwegraffte. Man möchte fast glauben, in Sansibar würde die Thronfolge zuweilen durch eine Tasse schwarzen Kaffees geregelt.“

Ein Sultan für drei Tage

Sayyid Khalids Verhalten bestärkte die Mutmaßungen: Umringt von etwa 60 Mann trat er vor den Palast und proklamierte sich selbst zum Sultan. Die „Neue Freie Presse“ hielt dazu fest: „Kaum hatte Hamed ben Thwain die Augen geschlossen, so bemächtigte Sayyid Khalid sich, der den größten Theil der gut bewaffneten, von englischen Officieren ausgebildeten Leibwache für sich zu gewinnen wußte, des Palastes und proclamierte sich selbst zum Sultan. Seine Regierung war jedoch eine der kürzesten, die es je gegeben.“

Der britische Konsul in Sansibar, Sir Basil Shillito Cave, drohte Sayyid Khalid umgehend mit militärischen Maßnahmen, sollte er sich nicht ergeben. Der neue Sultan, der bei seinem Putsch deutsche Hilfe erhalten hatte, ließ sich nicht einschüchtern. Cave kontaktierte daraufhin den in London weilende Premierminister Robert Cecil of Salisbury, der ihm folgende Antwort übermitteln ließ: „Sie sind berechtigt, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, und werden in jeder Weise von Ihrer Majestät Regierung unterstützt werden.“ Mit anderen Worten: einem Krieg wurde stattgegeben.

Schon am 26. August bezogen drei britische Kreuzer und zwei Kanonenboote vor der Küste Sansibars Position. Sayyid Khalid rang um Rückhalt. Innerhalb von zwei Tagen konnte er etwa 2800 Mann aufstellen, die bei einem Kampfausbruch auf seiner Seite zu sterben bereit waren. Sie positionierten sich, mit alten Handfeuerwaffen bewehrt, auf der Festung der Hauptstadt und dem Palast.

Letztlich sprach Cave am frühen Morgen des 27. August 1896 das offensichtliche Ultimatum aus: Verzicht oder Beschuss. Der Sultan reagierte erst nicht, dann besann er sich auf einen Kompromiss und bat um Vermittlung des US-Konsuls Richard Mohun. Nun waren es die Briten, die sich nicht besänftigen ließen: Um 8.55 Uhr gab Admiral Rawson den Befehl „Klar zum Gefecht!“. Kurz nach 9 Uhr begannen seine Panzerschiffe, auf Festung und Palast zu feuern.

38 Minuten Kampf

Nach 38 Minuten gab der Sultan auf. Rund 500 Soldaten und Zivilisten hatte der Beschuss das Leben gekostet. Auf der Seite der Briten soll es hingegen, je nach Quelle, zwischen einem verwundeten Unteroffizier und 70 Toten gegeben haben. Khalid hingegen war längst geflohen – er hatte im deutschen Konsulat Zuflucht gesucht, das seine Auslieferung an die Briten verweigerte.

Nach der erfolgreich geschlagenen Schlacht setzten die Briten einen Cousin Khalids als Sultan ein, den omanischen Prinzen Hammud ibn Muhammad ibn Said. Eine Wahl, die reinem Kalkühl geschuldet war: „Hamud wird ein Schattenfürst sein, wie es seine Vorgänger seit Said Bargasch gewesen, und der eigentliche Regent Sansibars bleibt der englische Agent“, kommentierte die "Neue Freie Presse" vor 120 Jahren. Khalid setzte sich unterdessen mit deutscher Hilfe ab: Am 8. Oktober 1896 nahm die „Seeadler“ den Dreitageherrscher an Bord und brachte ihn nach Daressalam im damaligen Deutsch-Ostafrika. 1927 verstarb er im Exil in Mombasa.

(hell)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.