15. September 1916: Als der Panzer das Schlachtfeld betrat

Englischer Mark IV-Tank im Ersten Weltkrieg
Englischer Mark IV-Tank im Ersten WeltkriegImperial War Museum
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Während der Schlacht an der Somme in Nordostfrankreich setzten die Briten erstmals "Tanks" ein, um die festgefahrene Grabenkriegsfront zu knacken. Es war zwar eher ein Debakel, aber begründete eine neue Ära des Krieges.

Der 15. September 1916, ein Freitag, brach in Nordostfrankreich als kühler, neblig-dunstiger Frühherbstmorgen an. In der Region Picardie im Einzugsbereich des Flusses Somme hatte es, als es dämmerte, frische sechs Grad, die Wettervorhersage wähnte aber immerhin bis zu 15 Grad untertags. Außerdem würden sich die Morgennebel über dem weitgehend flachen bis sanft hügeligen, von Wäldchen, Bächen, Seen und Dörfern gespickten Gebiet am Vormittag verflüchtigen.

Drei Tage lang hatte die britische Artillerie auf die Stellungen der gut eingegrabenen Deutschen gehämmert, genauer auf einen - in Luftlinie gemessen - rund zehn bis elf Kilometer breiten Abschnitt nördlich der Somme in etwa zwischen den Kleingemeinden Combles (heute rund 800 Einwohner) und Pozières (rund 300 Einwohner). Denn es war Krieg, eine neue Offensive stand an. Und die Somme, dieses recht unerhebliche, meist nur ein Dutzend oder mehrere Dutzend Meter breite Flüsschen, das weiter östlich nahe Saint Quentin in 86 Meter Höhe in Hügeln entspringt, stark mäandert und von Wald, Sandbänken, Nebenarmen, Kanälen und Teichen an seinem Lauf begleitet nach 245 Kilometern in den Ärmelkanal mündet, floss an einem Schlachtfeld vorbei und hindurch, das insgesamt noch weit größer als dieser Abschnitt war.

Gegend nahe am Kampfgebiet an der Somme
Gegend nahe am Kampfgebiet an der SommeGuillaume de clermont - Wkipedia/Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert

Der erweiterte Kampfraum befand sich nämlich seit Monaten in weitem Umkreis jener Kurve, die die Somme beim Städtchen Péronne beschreibt, wo ihr Strom jäh von Richtung Nord nach Westen knickt. Zwei britische Armeen und Teile einer dritten, dazu eine Armee der Franzosen standen dort anfangs einer, mittlerweile zwei deutschen Armeen gegenüber, auf einer Frontlinie, die anfangs in ungefährer Nordsüdausrichtung mindestens 40 km lang war.

Westfront inklusive Kampfgebiet der Schlacht an der Somme, Juli bis November 1916, links oben in Blau
Westfront inklusive Kampfgebiet der Schlacht an der Somme, Juli bis November 1916, links oben in BlauUS Department of History, US Military Academy West Point
Tal der Somme
Tal der SommeBoldair/Wikipedia/Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license
Zoom: Das Kampfgebiet an der Somme
Zoom: Das Kampfgebiet an der SommeUS Army/Wikipedia/Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license

Als die große alliierte Offensive in diesem Raum am Morgen des 1. Juli 1916 begonnen und so die Schlacht an der Somme eingeleitet hatte, wurde sie für die Hauptmacht des ersten Stoßes, die im Mittelabschnitt vorgehende britische 4. Armee des Generals Henry Rawlinson (1864-1925, ein Londoner), zum schwärzesten Tag der britischen Militärgeschichte: Ein gewaltiges, eine Woche lang währendes Trommelfeuer der Artillerie inklusive chemischer Waffen hatte es bis dahin wider Erwarten nicht geschafft, die Frontstellungen der 2. Deutschen Armee des Generals Fritz von Below (1853-1918, ein Ostpreuße) so total zu zermalmen, wie man es geglaubt hatte.

General Henry Rawlinson
General Henry RawlinsonBritish Government Archives
General Fritz von Below
General Fritz von BelowArchiv

Die etwa 120.000 Mann Rawlinsons, die an diesem Morgen des 1. Juli in langen Schützenlinien und mit schwerem Gepäck über Wiesen, Felder und Äcker langsam und aufrecht vorwärts gingen, liefen in dichtes Feuer von Maschinengewehren und Artillerie. Wer es zur ersten Linie der Deutschen schaffte, blieb dort oft in noch intakten Stacheldrahtverhauen hängen.

Der traumatische "First Day on the Somme"

An diesem, wie er heute bei den Angelsachsen heißt, „First Day on the Somme" fielen fast 60.000 Briten und andere Commonwealth-Soldaten allein bei der 4. Armee aus, rund 21.000 davon waren tot oder vermisst, rund 8000 davon starben schon in der ersten halben Stunde dieses schönen Morgens. Die deutschen Verluste inklusive Gefangener: etwa 12.000 Mann.

1. Juli 1916: 2. Bataillon, Gordon Highlanders im Angriff über das tödliche Niemandsland
1. Juli 1916: 2. Bataillon, Gordon Highlanders im Angriff über das tödliche NiemandslandArchiv

Die Geländegewinne waren minimal, nur einige Quadratkilometer, aber der Oberbefehlshaber der britischen Truppen in Frankreich, General Douglas Haig (1861-1928, ein Schotte), hielt den Druck auf die Deutschen aufrecht. Das war mit den Franzosen so abgesprochen, die zeitgleich mit der Schlacht bei Verdun ausgelastet waren, und stand im strategischen Kontext mit Offensiven der Russen im Osten und der Italiener im Süden gegen die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn.

Schrittweise drückte Haig die Front der Deutschen mit einer Reihe kleinerer Angriffe ein, und mit besseren Taktiken, aber das Morden erreichte katastrophale Ausmaße und die Angreifer schafften jeweils nur einige Hundert Meter bis wenige Kilometer.

General, später Feldmarschall Douglas Haig
General, später Feldmarschall Douglas HaigBritish Army

Für Mitte September, als die Deutschen merklich erschöpft waren, wurde eine neue Teiloffensive angesetzt. Sie wurde erneut im wesentlichen von der 4. Britischen Armee vorgetragen, im anfangs erwähnten Abschnitt zwischen Combles und Pozières und mit flankierenden Aktionen kanadischer Divisionen im Norden und der Franzosen im Süden, wobei der geballteste Hauptstoß nur etwa fünfeinhalb bis acht Kilometer breit war.

Der Panzerangriff von Flers-Courcelette

Gegenüber stand jetzt die 1. Deutsche Armee, Kommandeur war erneut von Below, und im Raum des Hauptstoßes lag konkret das 2. Bayerische Korps mit seinen fünf meist frisch eingetroffenen Divisionen.

Detailkarte der Schlacht von Flers-Courcelette, 15.bis 22. September 1916; der Name "Courcelette" ist links oben abgeschnitten.
Detailkarte der Schlacht von Flers-Courcelette, 15.bis 22. September 1916; der Name "Courcelette" ist links oben abgeschnitten.Michelin/Archiv

Es waren die Männer der Frontregimenter dieser süddeutschen Divisionen, die sich am 15. September ab sechs bis sieben Uhr früh nicht nur der neuen britischen Offensive gegenübersahen, sondern dabei auch etwas bisher unbekanntes und schreckliches zu sehen bekamen: Aus Nebel und Rauchwolken kamen nicht nur zehntausende Infanteristen auf sie zu, sondern auch riesige, klobige, lärmende Maschinen, viele Meter lang und hoch, aus denen Kanonen und MGs Feuer spuckten. 

Vielerorts, etwa bei den bayerischen Infanterieregimentern 5 und 9, brach Panik aus, als sich zeigte, dass Gewehre, MGs und Handgranaten diesen Dingern nichts tun konnten. Sie rollten über Granattrichter und Stacheldraht, gefolgt von Infanterie, fuhren an die Gräben der Bayern heran und schossen hinein, einige Gefährte rollten rasselnd und fauchend an Gräben entlang und „putzten" sie mit Maschinengewehrfeuer aus.

Anderswo platzierten sich die rollenden Festungen auf Kreuzungen und Wegen und beschossen alles, was sich bewegte, einige fuhren langsam, aber unaufhaltsam in Dörfer hinein. Die Verluste der Bayern waren stellenweise enorm, Fluchtbewegungen setzten ein.

Der Mark I-Panzer "C19" rollt in die Bereitstellung vor der Offensive
Der Mark I-Panzer "C19" rollt in die Bereitstellung vor der OffensiveBritish Army
Mark I in der "Weibchen"-Version (ohne Kanonen, nur mit MGs) vor dem Angriff bei Flers
Mark I in der "Weibchen"-Version (ohne Kanonen, nur mit MGs) vor dem Angriff bei Flers(c) Imperial War Museums

Dann blieben einige der seltsam geformten Kolosse liegen und rührten sich nicht mehr. Manche blieben in Gräben, Granattrichtern oder in weichem Boden stecken, einige kippten um, manche wurden von deutschen Artilleriegeschossen zerrissen.

Aus einem Ding, das festsaß, krochen Männer, steckten ihr Fahrzeug in Brand und flohen. Wieder andere Riesen fuhren scheinbar planlos herum, machten kehrt und fuhren zurück. Deutsche Gegenstöße formierten sich, eroberten Stellungen zurück, mähten die Angreifer nieder. Und am nächsten Tag waren die Eisenmonster verschwunden.

Schlacht von Flers-Courcelette, abgeschossener Mark I nahe dem Bouleaux-Wald, 15. September 1916, man sieht ein Einschussloch hinten
Schlacht von Flers-Courcelette, abgeschossener Mark I nahe dem Bouleaux-Wald, 15. September 1916, man sieht ein Einschussloch hintenImperial War Museum

Diese Schlacht, die man nach zwei Hauptzielen der Briten „Schlacht von Flers-Courcelette" nennt (das waren zwei Dörfer), währte noch bis 22. September. Sie wurde für die Alliierten, die bis zu vier Kilometer vorstießen und etwa 16 Quadratkilometer Boden eroberten, ein maßvoller Erfolg. Für die Standards von 1916 war es relativ viel, und die rund 29.000 Mann an Verlusten auf Seiten der Briten, Kanadier, Neuseeländer und Franzosen (die der Deutschen sind unbekannt) waren in den kalten Kalkulationen des Kriegs sogar relativ klein: Im Vergleich zur Katastrophe des 1. Juli, so rechnete man aus, wurde in dieser einwöchigen Schlacht mehr als das Doppelte an Fläche eingenommen, bei weniger als der Hälfte an Opfern.

Blutiger als Verdun

Die gesamte Schlacht an der Somme endete am 18. November. Mit Verlustzahlen von rund 700.000 Mann auf britischer bzw. Empire-Seite zuzüglich rund 200.000 Franzosen, sowie rund 340.000 bis 465.000 Deutschen war sie blutiger als die weit längere, bei Franzosen und Deutschen aber symbolhaftere Schlacht von Verdun (Februar bis Dezember 1916, geschätzt 600.000 bis 980.000 Tote, Verwundete, Vermisste und Gefangene).

Junger deutscher Soldat 1916, vermutlich an der Somme
Junger deutscher Soldat 1916, vermutlich an der Somme(c) Bundesarchiv

Für die Geschichte des Kriegs waren solche Opferzahlen, noch dazu in Relation zur umkämpften Fläche, eine fürchterliche Neuheit. Doch das Töten im Gebiet jenes Flusses, in dessen Mündung sich 1066 die normannische Flotte Wilhelm des Eroberers für die Invasion Englands gesammelt hatte, leitete an besagtem 15. September 1916 auch eine neue Ära des Kriegs ein: Der Panzer, von den Briten „Tank" genannt, erschien auf dem Schlachtfeld.

Zwar war seine Premiere eher unglücklich, doch dazu später – jedenfalls dauerte es nicht lang, da wurden gepanzerte Fahrzeuge in vielfältiger Form zu wichtigen, ja entscheidenden Mitteln militärischer Operationen. Und sie sind es, wenngleich mit Abstrichen, noch heute – siehe etwa die Golfkriege, Syrien, Libyen oder die Ostukraine.

Uralte Vorgänger in Ägypten, Indien, Sumer...

Dabei ist die Nutzung von Fahrzeugen als Waffe nicht neu. Von Pferden oder Eseln gezogene Streitwagen gibt es seit dem 3. Jahrtausend vor Christus, von ihnen schossen Bogenschützen und Speerwerfer, man nutzte sie für Aufklärung und  Truppentransport und montierte bisweilen Klingen an ihre Seiten, mit denen sie während der Fahrt unter Fußsoldaten wüten konnten. Man kannte auch jedenfalls stellenweise Panzerungen, etwa aus Lederschirmen, Holz, sogar Metall, oder stellte dem Schützen einen Schildträger zur Seite.

Sumerische Darstellungen, etwa die „Standarte von Ur" aus der Zeit zwischen 2850 bis 2350 vor Christus, zeigen Streitwagen. Babylonier, Assyrer, Ägypter, Perser, Inder, Chinesen und Keltenvölker Europas, etwa die Britannier, benutzten sie, bei der Schlacht von Kadesch 1274 v. Chr. zwischen Hethitern und Ägyptern in der Nähe der syrischen Mittelmeerküste krachten Tausende davon ineinander. Viele Forscher verorten einen Ursprung des Streitwagens bei bronzezeitlichen Stämmen in den Steppen Westsibiriens und Zentralasiens, vor allem bei der „Sintaschta-Kultur“ (um 2000 v. Chr.) im südlichen Ural nahe der kasachisch-russischen Grenze, wo man auf ein solches Alter datierte Reste von Streitwagen in Gräbern fand.

Die Standarte von Ur, siehe unten Streitwagen
Die Standarte von Ur, siehe unten StreitwagenBabelstone/Wikipedia/Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license

Fahrbare mittelalterliche Belagerungsmaschinen kann man bedingt als Panzerfahrzeuge sehen. Der italienische Arzt und Erfinder Guido da Vigevano (etwa 1280 bis 1349) skizzierte für einen geplanten, aber abgesagten Kreuzzug König Philipps VI. von Frankreich große Kampfwagen und fahrbare Kastelle, die mit Kurbeln oder Windkraft betrieben werden sollten.

Nachbau von Leonardos Panzer im Panzermuseum von Amboise, Frankreich
Nachbau von Leonardos Panzer im Panzermuseum von Amboise, Frankreich AYArktos (gemeinfrei)

Sein Landsmann Leonardo da Vinci (1452-1519) zeichnete gegen 1484 einen riesigen runden Wagen, vom dem aus Kanonen in jede Richtung zielen und der von einer kegelförmigen (Holz)-Panzerhaube geschützt ist. Er sollte von Insassen mit Kurbeln betrieben werden, aber all diese Ideen blieben Theorie, auch, weil man mit Muskelkraft bei so schweren Fahrzeugen nicht weit kommt, nicht einmal auf guten Straßen, die es damals kaum gab. Ein gewisser James Cowan schlug dem Militär in England 1855 ein ähnliches Fahrzeug vor, diesfalls mit Dampfmaschinenmotor und aus Eisen, aber daraus wurde auch nichts.

In den 1890ern kommt die Tank-Story sanft in Schwung. So lässt sich in Österreich-Ungarn ein bei Škoda in Pilsen tätiger Ingenieur namens Franz Klotz um 1900 herum eine benzinmotorbetriebene „Panzerglocke" patentieren, die mit MGs bestückt ist und ihrerseits der Idee Cowans und da Vincis ähnelt, aber sie interessiert niemanden. In England versieht der Landmaschinenerzeuger „John Fowler & Company" aus Leeds etwa zeitgleich einen seiner dampfbetriebenen Rad-Lastkraftwagen bzw. Schlepper mit Stahlplatten, das Ding wird von den Briten in Südafrika während des Zweiten Burenkriegs (1899-1902) als geschützter Transporter benutzt.

Englischer Erfinder mit Tiroler Berghütte

Zu dieser Zeit hatte der bedeutende deutsch-englische Erfinder, Automobilpionier und Industrielle Frederick Simms (1863-1944) einen bügeleisenförmigen gepanzerten Radwagen mit MG, das „Simm’s Motor War Car", bei Vickers bauen lassen, angetrieben von einem deutschen Daimler-Motor mit 16 PS. 1902 wurde ein Prototyp fertig, doch dieses fast acht Meter lange, zweieinhalb Meter hohe Fahrzeug war eine Sackgasse, beeinflusste aber Konstrukteure im Ausland.

Simms hatte übrigens enge Beziehungen zu Österreich: Seine erste Frau war Österreicherin, doch schon vorher, in seinen 30ern, legte er sich nahe Holzgau im oberen Tiroler Lechtal nahe der gebirgigen Grenze zu Vorarlberg ein Jagdrevier zu, schuf durch Sprengungen künstlich einen Wasserfall und finanzierte bis 1907 den Bau einer Hütte des Deutschen Alpenvereins dort. Es gibt sie noch heute als „Frederick-Simms-Hütte".

Weiter im Osten, bei Wiener Neustadt, setzte 1906 die Firma „Austro-Daimler" einen großen, wohl von Simms inspirierten, noch unabsehbaren Schritt nach vorn, als sie einen zweiachsigen, benzinbetriebenen (40 PS) und gepanzerten (vier Millimeter) Spähwagen vorstellt, der sogar einen Drehturm mit zwei MG hat.

Kaiser Franz Josef, der Technik-Nichtauskenner

Das Gefährt ist klobig und unübersehbar hoch, aber schnell (45 km/h) und halbwegs geländetauglich (Allradantrieb!). Als man es im Herbst 1906 bei einem Manöver Kaiser Franz Josef vorstellt, geschieht ein Missgeschick, denn als man es startet, scheuen ob des Lärms Pferde von Offizieren, was dem Kaiser nicht gefallen hat, denn er grantelt, spricht von „unbrauchbar" und lässt den Kaufvertrag platzen.

Der Austro-Daimler-Panzerwagen
Der Austro-Daimler-Panzerwagentanks-encyclopedia.com/gemeinfrei

Nun, Austro-Daimler verkauft halt eine Anzahl der Wagen später ins Ausland – darunter nach Frankreich, wo man in der Zwischenzeit auch, freilich kleinere, Panzerwagen gebaut hat, indem man runde Metallwannen oder hohe Metallkästen mit MGs auf gewöhnliche Pkw montiert.

Indes, es bleibt bei Einzelstücken, und auch andere Modelle kommen nicht vom Fleck, denn das Problem war klar: Panzerwagen, also Radfahrzeuge, waren damals konstruktionsbedingt weitgehend an gute Straßen gebunden, von denen es in Europa außerhalb der Städte nicht viele gab. Im offenen Gefechtsfeld auf schwierigem Gelände, speziell in Europa, waren sie wenig tauglich.

Die Italiener allerdings zeigen im italienisch-türkischen Krieg 1911/12 in Libyen, dass Panzerautos mit den dortigen Verhältnissen (Wüste, harter Boden) gut zurechtkommen.

Glückloser österreichischer Panzervisionär

Die Lösung lag daher eigentlich auf der Hand, als ein österreichischer Offizier, der gebürtige Steirer Günther Burstyn (1879-1945), 1911 dem Technischen Militärkomitee in Wien ein Panzermodell zeigt, das ein wunderbar geländegängiges Kettenfahrgestell hat. Solche Raupen waren – abgesehen von rein theoretischen Vorgängern in England und Russland - erst Ende der 1890er in den USA, dann in England gebaut worden, man nahm sie für landwirtschaftliche Zugmaschinen. Die Raupentraktoren der kalifornischen Firma „Holt" firmierten seit 1910 unter der Marke „Caterpillar", also Raupe. 1925 bildeten Holt und ein zweites Unternehmen den „Caterpillar"-Konzern.

Burstyns Konzept ist aus heutiger Sicht aber noch weit beeindruckender, ja visionär, denn sein „Motorgeschütz", wie er es nennt, hat alle äußeren Merkmale weit späterer Panzer, speziell der Kampfpanzer, wie man sie ab den 1920ern und auch noch heute baut: eine allseits geschlossene Panzerwanne und einen drehbaren Turm mit Kanone. Zusätzlich ragt, das ist exotisch, vorn und hinten ein eigenartiges, kranartiges System von hydraulisch angetriebenen, beweglichen Stahlauslegern und Rollen hervor - der Sinn hätte sein sollen, dass sich der Panzer damit über Gräben, die breiter sind als sein Laufwerk, hinwegstemmen kann; er hätte auch extrem hohe Hindernisse überklettern können.

Modell des Motorgeschützes Burstyn vor dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, anno 2011
Modell des Motorgeschützes Burstyn vor dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, anno 2011HGM/gemeinfrei

Aber die Idee kam nicht an, auch nicht beim deutschen Militär. Als Burstyn im April 1945 in Korneuburg Suizid begeht, hat er schon lange die deutschen, sowjetischen, US- und anderen Panzer gesehen, die seiner Architektur folgen. Heute ist eine Panzerkaserne des Bundesheeres in Zwölfaxing südlich von Wien nach ihm benannt.

Mit Beginn des I. Weltkriegs im August 1914 überschlagen sich die Dinge (wie meinte doch der alte Grieche Heraklit, ca. 520-460 v. Chr: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge"). Gleich in den ersten Wochen lassen einige belgische Offiziere auf eigene Faust Autos des belgischen Herstellers „Minerva" mit Panzerplatten umhüllen und mit MGs bewaffnen, sie fahren schnelle Attacken auf die deutschen Marschkolonnen und Trains auf den vergleichsweise guten Straßen des Landes, man baut mindestens 30 Stück.

Mit Rolls-Royce ins Gefecht

Die Briten, interessanterweise die umtriebige Marineluftwaffe „Royal Naval Air Service", machen das später mit Autos von Rolls Royce (Modell „Silver Ghost") und Lanchester, die Franzosen mit Lkw von Peugeot. Die Russen lassen beim englischen Hersteller Austin ab Herbst 1914 Panzerwagen bauen und modifizieren später viele davon bei "Putilow" in Sankt Petersburg/Leningrad.

Rolls-Royce-Panzerwagen im Panzermuseum von Bovington, Südengland
Rolls-Royce-Panzerwagen im Panzermuseum von Bovington, Südengland Hohum/Wiki Creative Commons Attribution 3.0 Unported license

Doch als der Krieg, zunächst an der Westfront, ab Spätherbst 1914 im Grabenkrieg erstarrt, taugen die Radpanzer dafür natürlich überhaupt nicht. Es beginnen die fürchterlichen Jahre, in denen sich alle Seiten eingraben und die Fronten auch durch stärkste Offensiven mit massivstem Artilleriebeschuss, Luftangriffen, Giftgas und so fort nicht, oder nur unter horrenden Verlusten, zu durchbrechen sind.

Maschinengewehre und Kanonen beherrschen das Schlachtfeld, die Infanterie wird darauf niedergemäht. Wer es zu den gegnerischen Linien schafft, bleibt oft in Stacheldraht und Minenfeldern hängen, letztlich sorgen Gegenangriffe häufig dafür, dass jene erschöpften Soldaten, die trotz allem in die Feindlinien eingebrochen waren, letztlich doch fallen, aufgeben oder fliehen müssen.

Wie durchbricht man die Grabenfront?

Wie von Geisterhand berührt erinnern sich viele an die Erzählung „The Land Ironclads" (Die Land-Panzerschiffe) des englischen Science-Fiction-Schriftstellers Herbert George Wells (1866-1946), der darin 1903 genau einen solchen Grabenkrieg in einem fiktiven Land beschrieben hat. Der Stillstand wird dort erst durchbrochen, als eine Seite eine Art landgängiger Kriegsschiffe mit „Pedrail wheels", einer besonderen Form von Rädern, einsetzt, damit die Front durchbricht, und durch die Lücken motorisierte- bzw. Fahrrad-Infanterie ins Hinterland strömt.

Und in Frankreich entfährt einem hohen und damals ob seiner technischen Expertise und Aufgeschlossenheit schon berühmten Artillerieoffizier, Jean Baptiste Estienne (1860-1936), Ende August 1914 ein bemerkenswerter Satz: „Meine Herren, der Sieg in diesem Krieg wird jenem der beiden Teilnehmer gehören, der als erster eine Kanone vom Kaliber 75 Millimeter auf ein geländegängiges Fahrzeug packt." Später würde Estienne, der sich auch um die französische Luftwaffe bemüht hat, in Frankreich „Père des Chars", Vater der Panzer, genannt werden.

Briefmarke zu Ehren General Jean Estiennes, des "Vaters der Panzer" (eigentlich trug er meist Schnauzbart, Anm.)
Briefmarke zu Ehren General Jean Estiennes, des "Vaters der Panzer" (eigentlich trug er meist Schnauzbart, Anm.)La Poste

Es war dann allerdings ein Engländer, dem auf weltweiter Ebene diese Ehre zusteht, zumindest ging er als erster durchs Ziel. Ernest Dunlop Swinton (1868-1951) war als Sohn eines Richters in Britisch-Indien geboren worden, ging 1888 zu den Royal Engineers (den Pionieren), kämpfte im Burenkrieg und wurde danach Offizier im Kriegsministerium sowie nebenher Militärschriftsteller. Nach Kriegsausbruch sandte man ihn nach Frankreich, von wo aus er unter dem Pseudonym „Eyewitness" (Augenzeuge) Berichte schickte.

Vorbild: Raupenschlepper aus Amerika

In dieser Zeit kam ihm die Idee, auf Basis eines Holt-Raupenschleppers ein gepanzertes Fahrzeug zu bauen, mit dem man geländegängig und geschützt durch das tödliche Niemandsland zwischen den Fronten fahren und auf der anderen Seite MG-Stellungen zerstören kann. Seine Idee kam wenig an, und als er Anfang 1915 vor Offizieren einen Raupenschlepper vorführt, der zusätzlich mit Gewicht beladen ist, fällt dieser aus und die Sache ins Wasser.

Ernest Dunlop Swinton, Foto von etwa 1919
Ernest Dunlop Swinton, Foto von etwa 1919Archiv

Allerdings ist einer der Beobachter, Marineminister Winston Churchill, von der Grundidee angetan, und zieht die Idee, ein Kampffahrzeug zu entwickeln, an sich bzw. die Navy. Man würde eben dort über ein „Landship" nachdenken.

Doch über die komplizierten Wege, wie es letztlich zum Bau der ersten Kettenpanzer als Mittel, die Fronten zu knacken, kam, und wieso das doch bis Ende 1916 dauerte, soll nunmehr der englische Militärhistoriker Kenneth Macksey (1923-2005) erzählen. Der folgende Text ist unter dem Titel „Die Tank Story" im Bildpaperback „Panzerkampfwagen des 1. und 2. Weltkriegs", erschienen 1974 im Wilhelm Heyne Verlag, München, erschienen. Er wird leicht modifiziert und mit Anmerkungen ergänzt wiedergegeben. 

„Am 1. Juni 1915 erfuhr Oberstleutnant Ernest Swinton, dass seine Abkommandierung als „Augenzeuge" zur britischen Armee in Frankreich beendet werden sollte. Noch am gleichen Tage leitete er dem Hauptquartier eine Studie über Einsatzmöglichkeiten „gepanzerter Maschinengewehr-Zerstörer" zu. In seiner Darlegung, wie man mit Hilfe der Artillerie eine Gasse durch die deutschen Schützengräben schlagen könne, schrieb er: „Dies liegt gegenwärtig indessen noch nicht in unseren Kräften." Gleichzeitig drückte er aber die Überzeugung aus, dass der Einsatz von „Benzintraktoren nach dem Raupenkettenprinzip (…) mit einer Panzerung gegen deutsche Hartkern- und panzerbrechende Geschosse und einer Bewaffnung von z. B. zwei Maxim-Maschinengewehren und einer 2-Zentimeter-Maxim-Kanone günstigere Voraussetzungen für den Maschinengewehreinsatz schaffen könnte".

Verschlungene Bahn durch Bürokratistan

Swinton verfolgte damit einen von ihm bereits 1914 unterbreiteten Vorschlag, der nun durch viele verschlungene Kanäle des Oberkommandos der Streitkräfte, des Kriegsministeriums, der Admiralität und der Industrie als Konzept für einen neuen Kampffahrzeugtyp Gestalt annahm. Nicht die Kampffahrzeuge an sich waren eine Neuerung: Schon im 3. Jahrtausend vor Christus gab es Streitwagen und eine Reihe von Fahrzeugen mit Panzerungen aus Häuten, Holz oder gar Metall. Seit mindestens 20 Jahren aber existierten nun auch die meisten Komponenten, aus denen ein schweres motorisiertes Kampffahrzeug gebaut werden konnte, auf den Reißbrettern oder befanden sich bereits im Einsatz.

Der von Gottlieb Daimler 1885 entwickelte schnell laufende Verbrennungsmotor etwa war so weit fortentwickelt, dass mehr als 100 PS von einem relativ kompakten Antriebsaggregat erbracht wurden. Verschiedene Raupentypen wurden im zivilen Bereich verwendet – besonders in den USA, wo mit Raupenfahrzeugen der Firma „Holt" unterentwickelte Gebiete erschlossen wurden. Die britische Firma „Ruston, Proctor and Company" (ab 1918 Ruston & Hornsby) trug wesentlich zu diesen Entwicklungen bei, verkaufte aber 1912 ihre Patente dazu an Holt.

Die von Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und Russland gebauten Panzerwagen wurden an allen Fronten eingesetzt, wo das Gelände offen war, nicht aber dort, wo Grabensysteme die Bewegung von Radfahrzeugen fast unmöglich machten. Holt-Traktoren wurden auf englischer Seite in Frankreich als Artillerieschlepper verwendet.

Sollten gepanzerte Kampffahrzeuge im Grabenkrieg eine Rolle spielen, mussten sie zunächst dafür entwickelt und gebaut werden. Dann mussten derartige Fahrzeuge in die Hand von Männern gegeben werden, die mit ihnen umzugehen verstanden und in der Lage waren, ihre Erfahrungen weiterzugeben, und die dabei weniger Aufgeschlossene von der neuen Waffe und ihren Einsatzmöglichkeiten zu überzeugen vermochten.

Widerstand konservativer Militärs

Für Ingenieure gab es nie Zweifel an der Möglichkeit, Kampffahrzeuge auf Ketten zu bauen. Bei den konservativen Generalstäblern aber, die sich mit jedem nur geeigneten Mittel gegen den festgefahrenen Grabenkrieg zu befassen hatten, gab es indessen viele Missverständnisse. Das war nicht verwunderlich! In ihrem Unverständnis für technische Vorgänge betrachteten die Generalstäbler der meisten Armeen die Technologien mit unverhohlener Skepsis. Selbst bis zur Einführung der modernen Artillerie und der Maschinengewehre vergingen Jahrzehnte, weil man sich gegenüber jenen Militärs durchsetzen musste, die noch immer nur an den Nahkampf glaubten. Es war nicht zu erwarten, dass altgediente Stabsoffiziere über Nacht ihre Meinungsverschiedenheiten mit den neuen Technologien begraben würden, um den Bau eines noch völlig unerprobten Waffensystems zu fördern. Ein Waffensystem, für dessen Brauchbarkeit es einstweilen keine andere Garantie gab als nur die Begeisterung seiner Initiatoren.

Ein überzeugendes Versuchsmodell musste also geschaffen werden. Doch zuvor war es nötig, die Forderungen aufzustellen, die ein solcher Entwurf erfüllen musste.

Churchill, der Beschleuniger

In England ging das von Marineminister Winston Churchill unter der Leitung des Direktors für Marinebauwesen, Eustace Tennyson d'Eyncourt (1868-1951), im Februar 1915 berufene „Landships Committee" im Juni desselben Jahren bereits über das Konzept eines „Trojanischen Pferds" hinaus – mit dessen Hilfe sollte eine aus 50 Mann bestehende Grabensturmgruppe hinter die deutsche Linie gebracht werden. Nachdem das Komitee einen besseren Einblick in die Verhältnisse an der Front gewonnen hatte, war ihm klargeworden, dass ein für den Zweck geeignetes Fahrzeug aufgrund seiner Größe Artilleriefeuer gegenüber zu verwundbar und zudem ungeeignet wäre, durch enge Dorfstraßen und über leichte Brücken zu fahren.

Winston Churchill 1915 als Marineminister (First Lord of the Admiralty)
Winston Churchill 1915 als Marineminister (First Lord of the Admiralty)Royal Navy/Britisch Government Archives

Gerade zu diesem Zeitpunkt aber fiel der Dialog zwischen Swinton und dem Oberkommando der Streitkräfte auf fruchtbaren Boden. Obwohl seine Ideen bis dahin von Feldmarschall Sir John Frenchs Chefberater für militärisches Ingenieurswesen mit ein paar sarkastischen Bemerkungen abgetan worden waren, die die Entwicklung einer jeden Erfindung verhindert hätten, fand er nun Gehör beim neu gegründeten „Komitee für Erfindungen", dessen Vorsitzender und mehrere Mitarbeiter seine Freunde waren. Es wurde eine Reihe von Vorlagen erarbeitet, von denen jede neue Forderungen zu erfüllen hatte, nachdem Swintons Gedanken in Diskussion mit erfahrenen Frontoffizieren angeregt worden waren.

Bis 9. Juni 1915 wurde eine Spezifikation erstellt, die in großen Zügen mit den vom Landship Committee getrennt ausgearbeiteten Vorschlägen übereinstimmte. Sie forderte nun ein Fahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit von 6,5 km/h in ebenem Gelände, das in voller Fahrt eine scharfe Wende vornehmen konnte. Weiters: Rückwärtsfahrfähigkeit, Kletterfähigkeit über einen 1,5 Meter hohen Erdwall mit Steilwand, die Fähigkeit, einen 2,4 Meter breiten Graben zu überwinden, Reichweite 20 Meilen (rund 32 km), zehn Insassen, 2 MG und eine leichte Kanone.

Zwischenzeitlich wurde in England das Landships Committee zwischen der Admiralität und dem Kriegsministerium hin- und hergezogen. Während sich die Admiralität mehr und mehr von den früher von Churchill gegebenen Zusagen löste (er war Mitte Mai 1915 wegen des Debakels bei den Dardanellen als Minister zurückgetreten, Anm.) und das Kriegsministerium immer größeres Interesse zeigte, wurde Rüstungsminister Lloyd George im Hinblick auf notwendige industrielle Vorkehrungen eingeschaltet. Zum weiteren Spielball der Ministerien wurde die RNAS (Royal Naval Air Service) Armoured Car Division, die Pionierarbeit auf dem Gebiet der mechanisierten Kriegsführung in Flandern und andernorts geleistet hatte und ihre Daseinsberechtigung durch die Befürwortung der sogenannten Landships durch Churchill gefährdet sah. Die Männer der 20 Staffeln dieser Panzerwageneinheit sollten schon bald (Sommer 1915, Anm.) zum Heer versetzt werden.

Swintons Vorschläge, unterstützt vom Oberkommando in Frankreich, gaben den technischen Enthusiasten in England indes echten Antrieb: Jeden Augenblick mussten sie mit Befehlen zur Einstellung der Arbeiten rechnen. Ende Juni war das Landships Committee zu einer gemeinsamen Einrichtung aller Teilstreitkräfte geworden und stand unter Leitung des Direktors für Befestigungen im Kriegsministerium. Churchill, der zu der Zeit nur noch als Minister ohne Portfolio in der zweiten Regierung von Herbert Asquith (25. Mai 1915 bis 5. Dezember 1916) saß und weiter unter starkem Druck stand, war aber weiter in kritischen Momenten bereit, seine Unterstützung zu geben.

Die illustren "Tank Guys"

Auf jeden Fall wurden jetzt aber auch die unteren Ebenen des Komitees aktiv – vor allem dessen Sekretär, Leutnant Albert Stern, im Zivilberuf Bankkaufmann, der seine Kriegserfahrungen bei den RNAS-Panzerwagen gesammelt hatte. Mit seiner starken Persönlichkeit, seinem Vermögen, den Papierkrieg auszuschalten, und dem notwendigen technischen Verständnis war Stern (1878-1966) der richtige Vermittler, um die Verbote der Politiker und Bürokraten zu umgehen und die Konstrukteure und Ingenieure zu schützen und anzufeuern, während sie diese neue Waffe schufen.

Auch die Konstrukteure entwickelten bemerkenswerte Aktivität. Neben d'Eyncourt und den Männern seines Komitees war da Major Thomas Hetherington, ein ehemaliger Transportoffizier der Marinepanzerwagenabteilung. Er hatte außerdem die Marine-Versuchsabteilung, die in der Daily-Mail-Luftschiffhalle in Wormwood Scrubs im Westen Londons untergebracht war, geleitet.

Dann war da William Tritton, geschäftsführender Direktor der Maschinenfirma „Foster" in Lincoln, Grafschaft Lincolnshire, die an Haubitzentraktoren gearbeitet und sich im Juli 1915 um die Entwicklung eines Raupenfahrzeuges beworben hatte. Für die technische Entwicklung war Leutnant Walter Gordon Wilson verantwortlich, ein irischstämmiger Offizier, der sich in Zusammenarbeit mit Tritton als erstklassiger, schöpferischer Ingenieur erwies.

William Tritton (li.), Direktor des Landmaschinenherstellers Foster in Lincoln, und Walter Wilson, Chefkonstrukteur des ersten Panzers
William Tritton (li.), Direktor des Landmaschinenherstellers Foster in Lincoln, und Walter Wilson, Chefkonstrukteur des ersten PanzersBritish Government Archives

Eine Unzahl bestechender Projekte und Vorschläge für Raupenfahrzeuge mussten neben Motoren und Waffen geprüft, verworfen oder für die weitere Auswertung angenommen werden. Diese mussten wiederum erprobt werden, bevor man sich auf einen endgültigen Entwurf einigen konnte, der alle Spezifikationen Swintons erfüllte, die jetzt tatsächlich auch die amtliche Forderung darstellten.

Die Blut-Uhr tickt

Die besten Voraussetzungen zur Weiterentwicklung schienen die schon erwähnten Holt-Traktoren zu bieten. Eine Reihe anderer Vorschläge, die von großen Rädern über Pedrailraupen bis hin zum „Killen-Strait"-Traktor reichten, hatten sich als undurchführbar erwiesen. Die Abwandlungen des Holt-Traktors aber erwiesen sich auch als schwer durchführbar, weil sie entweder zu schwach, kompliziert oder zur Entwicklung zu zeitraubend waren. Die ständigen Fehlschläge an der Westfront aber machten eine schnelle Entwicklung immer dringender.

Ein Holt-Raupenschlepper mit Dampfmaschine
Ein Holt-Raupenschlepper mit DampfmaschineHolt/Caterpillar/gemeinfrei
Manche Holts fahren noch heute, hier eine 75-PS-Benzinerversion, die es 1915 auch schon gab.
Manche Holts fahren noch heute, hier eine 75-PS-Benzinerversion, die es 1915 auch schon gab.hmvf.co.uk

Als Swinton seine Spezifikation zu Papier brachte, kam die französische Offensive im Artois zum Stillstand und die Russen wurden in Gorlice eingekesselt. Die Spezifikationen des Generalstabs machten aber Komplikationen unvermeidbar: Man hatte nicht nur das Konzept des Trojanischen Pferds aufgegeben und stattdessen ein vielfältig bewaffnetes Kampffahrzeug als Kampfplattform, sondern gleichzeitig die Überwindung von Hindernissen in einem Umfang gefordert, die weit über die bei den Holt-Traktoren gegebenen Möglichkeiten hinausging. Diese waren ja vor allem dafür geschaffen, auf relativ ebenem Gelände zu arbeiten, mit Sicherheit aber nicht für den Einsatz in den Kraterlandschaften der Westfront.

Als am 24. Juli 1915 an Foster ein Entwicklungsauftrag vergeben wurde, stand ziemlich fest, welche Bauteile für ein Serienfahrzeug zur Verfügung stehen würden. Es waren ein 105-PS-Daimler-Motor, dessen Leistung unzureichend war, aber bereits in Serienfertigung stand, dazu ausreichend Panzerplatten und Maschinengewehre. Die MG-Typen waren auch nicht gerade die geeignetsten. Swintons Vorstellung einer 2-cm-Kanone ließ man fallen, weil keine zur Verfügung stand. Glücklicherweise bot die Marine in ausreichendem Umfang 57-mm-Kanonen und Munition an.

Fehlende Glieder waren die Raupenkette und das Federungssystem. Die Holt-Raupen waren weder robust genug noch hatten sie genügend Bodenfreiheit, um den Spezifikationen zu genügen. Behauptungen, eine andere amerikanische Raupenkette vom Typ „Bullock" sei besser geeignet, konnten nicht überprüft werden, bevor ein Satz davon über den Atlantik gebracht worden war.

In der Zwischenzeit steckten Tritton (1875-1946) und Wilson (1874-1957) ihre Köpfe zusammen und begannen nur drei Wochen nach Erhalt des Auftrags, am 11. August 1915, mit dem Bau eines Prototyps, der als Tritton-Panzer bekannt wurde. Nach vielen Ideen und Diskussion kam es dabei zu Änderungen und Verbesserungen, die zum Bau einer „Metallkiste" auf Raupenketten mit der Bezeichnung „Little Willie" führten.

Und dann kam "Little Willie"

Little Willie sollte einen Drehturm mit 2-cm-Kanone und ein niedrigeres Laufwerk mit Bullock-Raupen nach deren Eintreffen erhalten. Es war aber klar, dass dieses mehr als drei Meter hohe Fahrzeug kopflastig sein würde, sehr wenig Bodenfreiheit besäße und kaum eine Chance hätte, einen 2,5 Meter breiten Graben zu überwinden. Als Versuchsfahrzeug würde es großen Wert haben, als Kampffahrzeug aber ungeeignet sein.

Der erste Panzer der Welt: Little Willie
Der erste Panzer der Welt: Little WillieTankmuseum Bovington
Little Willie anno 2014 im Panzermuseum Bovington
Little Willie anno 2014 im Panzermuseum BovingtonWolfgang Greber

Also arbeitete Wilson bereits am Entwurf eines völlig neuen Gefährts. Es hatte die Form eines Rhombus – also einer Raute – mit voll um die ganze Wanne herum laufenden Ketten. Wegen der großen Höhe des Fahrzeugs musste auf einen Turm verzichtet werden, die Kanonen wurden in Erkern an der Wannenseite untergebracht. Im August erhielt es den Namen „Big Willie".

Im Juli kam Oberstleutnant Swinton nach London zurück. Er wurde dort zum Sekretär des Dardanellen-Komitees des englischen Kabinetts. Nach den letzten Gefechten bei Suvla war das (sieglose, Anm.) Ende des Dardanellenfeldzugs abzusehen, nun wurden die Politiker und Militärs aktiv, die den Krieg im Westen gewinnen wollten. Damit gewannen auch die Kampffahrzeuge für den Grabenkrieg wieder an Bedeutung.

Swinton befasste sich mit der Weiterentwicklung des Kampfwagens in der gleichen Intensität, wie er sich seiner Aufgabe im Dardanellenkomitee widmete. Geschickt verstand er es, die sich daraus ergebenden guten Beziehungen zu nutzen, um die Tank-Entwicklung zu fördern. Tatsächlich war er nur aus dem Grund in dieses Amt geholt worden, um den Ablauf dieser Dinge zu beschleunigen. Dieser Umstand war es jedoch, der die Mitglieder des Landships Committees in Angst und Schrecken versetzte, da sie befürchteten, dass er ihre Arbeit völlig in Frage stellen könnte. Dabei wussten sie nicht, dass die Grundforderungen, zu deren Verwirklichung sie beitragen sollten, ursprünglich von ihm, Swinton selbst, stammten.

Glücklicherweise verliefen die ersten Besprechungen zwischen Swinton und d'Eyncourt und dann mit Stern und den anderen Team-Mitgliedern sehr freundschaftlich. Jeder schätzte die Fähigkeiten des anderen. Mit Swinton als Koordinator und seiner Kenntnis der Vorgänge im Kriegsministerium wurde eine gefährliche Lücke für das Entwurfsteam geschlossen. Von nun an konnte Swinton Einfluss auf die Regierungsausschüsse nehmen, während d'Eyncourt und Stern sich um die Industrie und um Wilson als Entwickler kümmerten.

"Die Geburt des Tanks"

Der große Tag war gekommen, als der Tritton-Tank sich anschickte, seine ersten Probefahrten zu unternehmen. Am 8. September 1915 bewegte er sich über das Fabrikgelände in Lincoln. Am 10. wurde er erneut gefahren, verlor aber seine Bullock-Raupe. Am 19. gab es bei einer Vorführung vor Swinton, dem Committee und dem Leiter der Abteilung für Neuerungen im Rüstungsministerium ein erneutes Raupenversagen. Bei den Zuschauern handelte es indessen um vernünftige Praktiker, die verstanden, dass eine derartige neue Entwicklung nicht auf Anhieb perfekt funktionieren konnte. Die anschließende Besichtigung der Holzattrappe von Big Willie gab allen dann auch die Hoffnung auf bessere Ergebnisse. 

Bisher hatten die Versuche das Vermutete bestätigt: Das schwächste Glied war die Raupenkette. Genialität, Begeisterung und Elan waren aber bei Tritton und Wilson so groß, dass sie dieses Problem in drei Tagen durch Bau und zufriedenstellende Erprobung einer völlig neuen und leichtgewichtigen Kette aus Stahlplatten lösen konnten. Sie war das fehlende Glied gewesen, und Stern beschrieb den Vorgang als „die Geburt des Tanks".

"Big Willie" macht das Rennen

Jetzt musste alles auf den Bau eines brauchbaren Kampffahrzeugs konzentriert werden. Die Wahl fiel auf Big Willie. Am 29. September fand in London eine Konferenz mit Vertretern des Oberkommandos statt, bei der man folgende neue Forderungen fixierte: zehn Millimeter Frontpanzerung, acht Millimeter an der Seite; eine Besatzung von acht Mann (allein vier waren mit Lenken und Schalten beschäftigt!); Geschwindigkeit 6,5 km/h; Annahme des Angebots der Admiralität der 57-mm-Kanone.

Am selben Tag gab Stern Tritton Weisung, Big Willies Bau zu beschleunigen. Einige Konferenzteilnehmer des Oberkommandos dürften über den Ausgang froh gewesen sein, da sich bei all ihren Offensiven, die ihren Höhepunkt zeitgleich in der Schlacht bei Loos in Nordostfrankreich fanden, gezeigt hatte, dass die Artillerie das Problem des festgefahrenen Grabenkriegs nicht lösen konnte.

Little Willie wurde weiter als Erprobungsfahrzeug benutzt und bewies am 3. Dezember, dass die neue Raupenkette viel zuverlässiger war. Grund zum Feiern gab es aber erst am 16. Dezember, nachdem Big Willie erstmals mit der neuen Kette gefahren war. Bis dahin hatten nur die unmittelbar Beteiligten die Fahrzeuge gesehen. Alles wurde unter größter Geheimhaltung durchgeführt, diese verbot es sogar, Fosters Arbeiter mit Orden auszuzeichnen und sie dadurch als Mitarbeiter an einem Projekt von nationaler Bedeutung auszuweisen. Obwohl einige Männer aus diesem Grund ihre Arbeitsstätten verließen, durfte Foster zunächst keinerlei Hinweise auf die Art der Arbeiten geben, indem er die begehrten Ehrenzeichen beantragte.

Die Geheimhaltung, um das Projekt vor den Deutschen zu verbergen, bedeutete gleichzeitig eine Gefahr für die Entwicklung und Einführung der neuen Waffe beim britischen Heer: Solange die politischen und militärischen Verantwortlichen und jene, die damit umgehen sollten, diese Waffe noch nicht zu Gesicht bekommen hatten und ihren Wert nicht zu schätzen wussten, war kaum erwartbar, dass sie sich für deren vorrangige Finanzierung, Herstellung und Verwendung einsetzen würden.

Die historische Panzershow vom Februar 1916

Die Zeit für eine Vorführung war also gekommen. Das Oberkommando war dennoch schon recht gut unterrichtet: Churchill, der seit Mitte November als Offizier an der Front in Frankreich diente, hatte eine lange Studie für den neuen Oberkommandierenden der Briten dort, Feldmarschall Douglas Haig, verfasst, die unter anderem auch ein, wenngleich ungenaues, Bild über den Stand der Tankentwicklung gab.

Haig, der die Studie am Weihnachtstag gelesen hatte, schickte Major Hugh Elles nach England, um mehr über die Tanks zu erfahren. Elles' Bericht war aufgrund seiner Eindrücke günstig, also dachte das Oberkommando zunächst an einen Auftrag über 40 Tanks. Bei den unter großer Geheimhaltung durchgeführten Hauptvorführungen am 29. Jänner und 2. Februar 1916 in Hatfield Park nördlich von London war das Oberkommando aber nicht vertreten. Bei der ersten Vorführung, die eine Probe für die zweite war, waren nur die an den bisherigen Arbeiten Beteiligten dabei.

Zur zweiten „Show" kam dann die Prominenz – Kriegsminister Lord Herbert Kitchener (1850 – Juni 1916), Rüstungsminister David Lloyd George (1866-1945, der spätere Premierminister), Schatzminister Reginald McKenna (1863-1943), dazu viele andere Persönlichkeiten, die dazu beitragen konnten, die Entscheidung der Serienherstellung und Einführung voranzutreiben oder zu behindern.

Bei der Vorführung wurden Little und Big Willie über einen schwierigen Hinderniskurs gejagt, der abgesehen von deutschem Beschuss und dem grundlosen Schlamm alles enthielt, was das schlimmste Gelände an der Westfront zu bieten hatte. Schon bei dieser Vorführung nannte man die Fahrzeuge „Tanks" - der von Swinton aus Geheimhaltungsgründen gewählte Name, unter dem sie für immer bekannt bleiben sollten (jedenfalls im Englischen, aber auch etwa auf Russisch, Spanisch, Türkisch, Anm.).

"Schöne mechanische Spielzeuge"

Von Anfang an hinterließen sie einen tiefen Eindruck, obwohl viel über Kitcheners Bemerkungen zu den Konstrukteuren, dass die Tanks „schöne mechanische Spielzeuge" seien und der Krieg damit nie gewonnen werden könne, geredet wurde. Die engsten Mitarbeiter Kitcheners sagten später, er habe das nur aus Sicherheitsgründen getan, damit nicht über die weitere Erprobung geredet würde. Es ist auch möglich, dass Kitchener durch diese provokativen Bemerkungen die Männer aus der Reserve locken wollte, um mehr über ihre Gedanken zu erfahren, da sie ja „harte Verkäufer" ihrer Sache sein mussten.

Festzuhalten bleibt, dass Kitchener unmittelbar danach Stern aufforderte, den Posten jener Abteilung im Kriegsministerium zu übernehmen, die die Produktion der Tanks durchzuführen hatte – eine logische Maßnahme, da das Rüstungsministerium noch im Dezember 1915 die Herstellung abgelehnt hatte. Im Februar übernahm Lloyd George Stern aber ins Rüstungsministerium, in dessen Verantwortungsbereich der Bau von Waffen und Munition eigentlich lag. Was auch immer geschehen war: Am 12. Februar 1916 unterschrieb Lloyd George eine Weisung, die die Handschrift Sterns trug und derzufolge ein erster Auftrag über 100 Big Willies vergeben werden sollte.

Big Willie, auch "Mother" genannt, in Hatfield Park, Anfang 1916- Die Räder an der Rückseite dienten bei den Mark I als Lenkunterstützung und eine Art Stoßdämpfer.
Big Willie, auch "Mother" genannt, in Hatfield Park, Anfang 1916- Die Räder an der Rückseite dienten bei den Mark I als Lenkunterstützung und eine Art Stoßdämpfer.Foster/British Army/gemeinfrei

Manchmal ist der Eindruck erweckt worden, als seien die Verantwortlichen wie Kitchener und Haig gegen die Tanks gewesen. Wenn das zeitweilig der Fall war, dann kaum ohne Grund – entweder hatten die Tank-Enthusiasten verabsäumt, wichtige Aspekte klarzustellen, oder sie erwarteten Wunder von diesen unerprobten Geräten. Wenn man in das Unbekannte vorstößt, ist immer eine gewisse Vorsicht gerechtfertigt. Im Vergleich zu manch anderer technischen Neuerung dieser Zeit aber machte der Tank eine geradezu stürmische Entwicklung durch.

Diener der Infanterie

Swinton verfasste im Februar 1916 die Grundzüge einer taktischen Doktrin. Der einfachste und sicherste Weg, MG-Stellungen zu zerstören, sei es, „über die Stellung hinwegzurollen und sie zu zermalmen". Gelang das nicht, könnte man nahe heranfahren und sie „mit Geschossen auf nächste Entfernung überschütten". Zur Verständigung nach hinten sollte jeder zehnte Tank mit drahtlosen Telegraphiegeräten ausgestattet sein. Andere sollten beim Vorwärtsfahren Telefonkabel legen und wieder andere sich mit Lichtsignalen verständigen. Die Tanks waren freilich durch Artilleriefeuer leicht verwundbar und mussten daher durch Feuer eigener Batterien unterstützt werden.

Danach beschrieb Swinton, wie die Tanks zum Einsatz vorbereitet, zur Front transportiert und zusammen mit Infanterie eingesetzt werden sollten, um ihre speziellen Eigenschaften optimal wirksam werden zu lassen. Zu der Zeit sah Swinton die Aufgabe des Tanks noch ausschließlich in der Urkonzeption, der Infanterie beim Aufbrechen der deutschen Linien zu helfen. „Die Tanks sind als Unterstützungswaffe  für die Infanterie anzusehen, sie müssen zur Infanterie gerechnet werden und im Einsatz dem gleichen Kommando unterstehen."

Ihm schwebte zwar auch ein Durchbruch durch die Linien bis hin zur Tiefe der Artilleriereichweite vor (damals typischerweise etwa sieben bis zehn Kilometer, Anm.), eine weitere Ausnutzung eines solchen Durchbruchs entzog sich aber noch seinen Vorstellungen, auch, weil die meisten Soldaten das als Vorrecht der Kavallerie ansahen.

Parallelentwicklung in Frankreich

Zu diesem Zeitpunkt, als die Briten gerade die Trennlinie zwischen Traum und Wirklichkeit überschritten, gaben die Franzosen 400 „Chars d'assaut" (Angriffsstreitwagen, Anm.) in Auftrag, ohne dass die Briten davon wussten. Aber auch den Franzosen waren die Anstrengungen der Engländer dabei verborgen geblieben. Die Arbeiten ihres „Swinton", des Artillerieobersten Jean Estienne, und seine Experimente mit einem gepanzerten Kampfwagen wurden 1915 zweimal abgelehnt. Erst nach dem Fehlschlag der französischen Offensive erhielt er im Dezember 1915 die Genehmigung, in Zusammenarbeit mit dem „Schneider-Creusot"-Werk eine Lösung zu suchen.

Die Franzosen gingen indessen nicht so sorgfältig vor wie ihre Alliierten: Sie wählten das Holt-Traktorfahrwerk als das beste verfügbare und gaben sofort einen bewaffneten gepanzerten Kastenaufbau in Auftrag, ohne vorher Versuche durchzuführen, um die Einsatzfähigkeit zu erproben. So entwickelten sie ein Fahrzeug, das kaum besser war als der ursprüngliche Tritton und diesem zufälligerweise auch noch sehr ähnlich sah. Trotz dieser gefährlichen Abkürzung der Entwicklung lagen die Franzosen damit mindestens sechs Monate hinter den Briten. Es bestand kaum Hoffnung, die Fahrzeuge vor 1917 zum Einsatz zu bringen.

Einer der unseligen französischen "Schneider"-Panzer
Einer der unseligen französischen "Schneider"-PanzerFranzösische Armee/gemeinfrei

Auf englischer Seite befasste man sich zu dieser Zeit schon mit den taktischen Lehrsätzen Swintons und dachte an einen Tankeinsatz im Sommer 1916. Bei einem Gespräch mit Swinton am 14. April 1916 erklärte sich Feldmarschall Haig mit der vorgeschlagenen taktischen Doktrin ganz allgemein einverstanden. Gleichzeitig forderte er die Bereitstellung einer möglichst großen Zahl von Tanks zum 1. Juni, noch vor Beginn der Offensive an der Somme.

Damit verlangte er etwas Unmögliches. Die Produktion war gerade erst angelaufen und die Ausbildung der Besatzungen musste erst beginnen. Diese Ausbildung konnte aber erst nach den für Juni vorgesehenen ersten Auslieferungen der Fahrzeuge unter echten Bedingungen durchgeführt werden. Die erste Lieferung nach Frankreich war, wenn man die Dinge sehr optimistisch betrachtete, frühestens am 1. August möglich.

Wer soll diese Dinger fahren?

In der Zwischenzeit wurden die Besatzungen aufgestellt. Das erwies sich als großes Problem, denn wie in anderen Ländern auch besaßen auch in Großbritannien damals nur Wohlhabendere und Sportsleute Motorfahrzeuge, und damit das nötige technische Verständnis für sie. Da die neue Truppe ihren Standort im Depot der motorisierten Maschinengewehrtruppe haben sollte, die langsam abgebaut wurde, war es unvermeidlich, dass sie anstatt der ursprünglich vorgesehenen Bezeichnung „Tank-Abteilung" aus Geheimhaltungsgründen die Bezeichnung „Panzerwagenabteilung der motorisierten MG-Truppe" erhielt. Auch hoffte man, dass sich viele der an den ursprünglichen Versuchen beteiligten Angehörigen des RNAS von der Marine zum Heer versetzen lassen würden.

Der drohende Verlust des Ranges, die damit verbundene Einbuße an Sold und eine ungenaue Beschreibung der künftigen Aufgaben ließ diese Männer jedoch davor zurückschrecken. Aus dem Kfz- und Motorengewerbe konnten jedoch – nicht zuletzt mit Hilfe des Herausgebers der Zeitung „The Motorcycle" – viele fähige Händler und Handwerker rekrutiert werden. Allerdings hatten sie keine Ahnung von militärischen Dingen.

Fahrausbildung, zuerst mit Little Willie, Schießausbildung und Vermittlung taktischer Grundsätze wurden den Sommer über durchgeführt, während vor Verdun, an der Somme und überall dort, wo Soldaten ihre Köpfe über Grabenränder streckten, die geringe Wirksamkeit der Artillerie täglich demonstriert wurde. Das Oberkommando forderte immer stärker den baldigen Einsatz der Tanks. Die Ausbildung wurde daraufhin verkürzt, um den Einsatztermin 15. September 1916 einhalten zu können.

Es kann eigentlich gar nicht klappen

Die ersten 50 Fahrzeuge waren am 30. August in Frankreich. Ihre Besatzungen standen einem Kampfgeschehen gegenüber, das sie überwältigte. So begeistert sie auch sein mochten, nur wenige hatten Einsatzerfahrung oder waren ausgebildete Soldaten. Ein Tankkommandant schrieb. „Ich und meine Besatzung hatten die ganze Zeit über in England keinen eigenen Tank. Er war am Tag seiner Auslieferung defekt geworden. Wir wurden nicht im Aufklären oder Kartenlesen ausgebildet (...) keine Übungen oder Einweisungen am Kompass (...) wir hatten keine Signal-Übungen und keine Erfahrungen in Hinblick auf die Befehlsübermittlung. Wir hatten keinerlei Kenntnis, wo wir die Informationen herbekommen sollten, die für uns als Tankkommandanten wichtig waren."

Man muss sich die Schwierigkeiten vorstellen, die diese Männer hatten. In dunklen und heißen Stahlkisten, angefüllt mit Rauch und hervorstehenden Bedienungshebeln, wurden sie bei der ungefederten Fahrt im Gelände hin und her geworfen. Vom Krach der Motoren und Waffen halb taub, waren sie kaum in der Lage, untereinander oder mit der Infanterie draußen Kontakt zu halten.

Blick ins Innere der Mark-Serie
Blick ins Innere der Mark-SerieHeyne/John Batchelor

Der Kommandant konnte den Schützen kaum helfen, ihre Ziele zu finden und zu bekämpfen. Er musste sich darauf konzentrieren, den Tank durch Handsignale zu steuern, die er dem Mann an der Getriebeschaltung und den zwei Männern im hinteren Teil des Wagens gab, sie bedienten die Hebel zur Abbremsung der Raupenketten, wodurch die Fahrtrichtung geändert wurde. Es ist erstaunlich, dass sie überhaupt fuhren und obendrein noch kämpften, denn man darf nicht vergessen, dass auch laufend Instandhaltungs- und Justierarbeiten nötig waren.

Orgie an Ausfällen schon vor dem Einsatz

Nachdem die Tanks sich in Frankreich auf dem langsamen Marsch zur Front befanden, wurden die Besatzungen mal zum Opfer ausländischer Sicherheitsbestimmungen, mal zum Objekt großen Interesses von Soldaten und Zivilisten. Ständig wurden sie aufgefordert, das Können der Tanks zu zeigen. Dabei gab es immer Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen an den Fahrzeugen. Die Schwierigkeiten, die gesteckten Tagesziele von jeweils wenigen Kilometern zu erreichen, waren ohnehin groß genug. Die Besatzungen waren voll damit beansprucht, sich und ihre Tanks auf den Einsatz vorzubereiten. Viele waren schon erschöpft, bevor sie einen Schuss abgegeben hatten.

Mark I beim Tanken, 14./15. September 1916
Mark I beim Tanken, 14./15. September 1916(c) Imperial War Museum

Trotz aller Schwierigkeiten krochen die noch einsatzfähigen Tanks in der Nacht zum 13. September 1916 durch weiße Bänder geleitet in ihre Bereitstellungen. Sie verbreiteten bei all jenen, die sie in der Nacht kreischend fahren hörten, Erstaunen. In der folgenden Nacht fuhren sie weiter in ihre Angriffsstellungen und bewegten sich dabei erstmals auf einem echten Gefechtsfeld, wie es auf dem Übungsgelände in England nicht darzustellen war. Hier versagten viele der 30-Tonnen-Fahrzeuge mit ihren zu schwachen Motoren und ihrer primitiven Bauweise, weil ihre Fahrer in der Aufregung Fehler machten.

Die Streitmacht schmolz auf 36 Fahrzeuge zusammen. Im Morgengrauen des 15. September war diese kleine Streitmacht aber bereit, und in der Dämmerung dieses Tages begann eine neue Ära der Kriegsführung."

Epilog:

Der erste Einsatz jener Big Willies bei Flers-Courcelette, die in der Praxis als „Mark I" firmierten und von denen manche Kanonen und MG trugen (die „Männchen"), andere aber nur, wenngleich mehr, Maschinengewehre (die "Weibchen"), war im Grunde in die Hose gegangen. Von den ursprünglich 50 waren also nur 36 überhaupt in ihre Angriffsstellungen gekommen, davon drangen 27 bis in die vorderste deutsche Linie ein, nur 18 trugen dort mit ihrer Bewaffnung etwas zur Schlacht bei und sechs schlugen sich letzlich bis in die Nähe der Endziele durch. Am Tag darauf waren noch drei Panzer einsatzbereit, und wenig später auch die nicht mehr.

Soldaten der 41. englischen Division nahe Flers mit einem der letzten drei fahrbereiten Mark I, 17. September 1916
Soldaten der 41. englischen Division nahe Flers mit einem der letzten drei fahrbereiten Mark I, 17. September 1916(c) Imperial War Museum

Viele Soldaten, die dabei waren, ja sogar Panzerleute waren von der neuen Waffe nicht überzeugt. Manche Politiker und hohe Offiziere fanden, man habe die Tanks zu früh und in zu geringer Zahl für eine unbedeutende Aktion enthüllt.

Die Deutschen erfingen sich rasch

Die Deutschen waren einige Wochen lang verwirrt, analysierten erbeutete Mark I und kamen zum Schluss, dass sie leicht bezwingbar seien. Die Frontsoldaten stellten sich auf die neuen Erscheinungen ein und man entwickelte Gegenmaßnahmen, etwa geballte Ladungen (Bündel von Handgranaten), besonders großkalibrige Gewehre, die die Wände durchschlugen (Panzerbüchsen), grub breite Panzergräben und brachte leichte Kanonen in die vorderen Linien. Die deutsche Seite war fortan kaum an Panzerbau interessiert, erst 1918 kamen deutsche Panzer, die noch viel größeren Stahlfestungen „A7V", an die Front. Nur 20 Stück davon wurden überhaupt gebaut.

Hatte nicht ein britischer General früher gesagt: „Erstens sind Tanks in schlechtem Gelände nicht zu gebrauchen. Zweitens ist das Gelände im Gefecht immer schlecht. Drittens sind die Tanks auf dem Schlachtfeld nutzlos"?

Dennoch: Haig und viele seiner Kollegen glaubten an die Tanks. Ihr Misserfolg sei Folge der Neuheit und Unerfahrenheit, künftige Modelle würden besser, stärker, zuverlässiger, weitreichender und zahlreicher sein. Man würde sie in größeren Formationen einsetzen können, und nicht, wie bei Flers-Courcelette, zersplittert zu je drei bis zehn Stück auf einzelne Infanteriedivisionen.

Und so forderte Haig noch im Oktober 1000 neue Tanks und erreichte bis 1917 die Formierung einer Zentralorganisation für Panzer, das „Royal Tank Corps", dessen erster Chef Hugh Elles wurde, welchen Haig einst als „Aufklärer" zu den Panzerbauern nach England geschickt hatte.

Der Opa von Tilda Swinton

Ernest Swinton wirkte ebenfalls weiter am Aufbau der britischen Panzerwaffe mit, wenngleich er 1919 als Generalmajor in Pension ging. Er mischte auch in der Zivilluftfahrt mit, war für den Autohersteller Citroën tätig und Professor für Militärgeschichte in Oxford. Eine Enkelin Swintons, der 1951 starb, ist übrigens die androgyn-charismatische Schauspielerin Tilda Swinton (*1960).

Doch zurück zu den Panzern: Die besseren Nachfolger des Mark I kamen tatsächlich: Mark II, III, bis hin zum Mark VIII (der kam für den Krieg aber zu spät), vor allem aber die am meisten gebaute Version, Mark IV, alle vom ursprünglichen Rhombus-Design. Dazu neue Taktiken und höhere Zahlen. 1918 gab es auch „Jagd-Panzer" vom Typ „Whippet" (eine englische Windhunde-Rasse), die leichter und viel schneller waren und durch Breschen, die die Marks und die Infanterie in die Front geschlagen hatten, ins Hinterland ausschwärmten und mit MG-Feuer wüteten.

Späteres Modell Mark IV und eine fröhliche Truppe, etwa 1917/18
Späteres Modell Mark IV und eine fröhliche Truppe, etwa 1917/18Imperial War Museum

Die französischen „Chars" erschienen im Frühjahr 1917 – auch ihre ersten Gefechte endeten im Fiasko, aber auch die Franzosen machten es bald besser und führten im Mai 1918 mit dem „FT" von Renault einen sehr kleinen, bloß sechseinhalb Tonnen schweren, hochgeländegängigen, schnellen und wirksamen Panzer ins Gefecht, der erstmals einen Drehturm aufwies, vieltausendfach gebaut wurde und in den 1920er/30ern zum Verkaufsschlager weltweit wurde.

Die Tanks gewinnen an Fahrt

In der Schlacht von Cambrai (November/Dezember 1917) kam es zum ersten Masseneinsatz von Tanks, 376 Stück griffen an, meist Mark IV, dazu 100 Spezialpanzer, die etwa Wege legten („Faschinen"), Brücken legten und Stacheldraht zerschnitten. Taktik und Vorgehen war erstmals mit Infanterie, Artillerie und Luftwaffe genau koordiniert, es war das Konzept des „Kampfs der verbundenen Waffen". Der Panzerangriff schlug durch, aber die Deutschen konnten die Front wieder schließen.

Im August 1918 gelang ihnen das bei Amiens, der Hauptstadt des Départements Somme, nicht mehr richtig: Etwa 500 bis 580 britische, australische und kanadische Panzer überrollten in Verein mit Infanterie die deutschen Linien. Die sowieso schon entkräfteten und dezimierten Deutschen gaben jetzt en masse auf, allein am 8. August waren es wohl um die 15.000, abgesehen von etwa gleich vielen Toten und Verwundeten. Das also war nun der "schwarze Tag des deutschen Heeres".

Nach Kriegsende wurden Panzer – in erster Linie Kampfpanzer, wie man jene mit einer Kanone im Drehturm als Hauptwaffe zum direkten Beschuss auf Sicht nennt – in den meisten Armeen gebräuchlich, und die Entwicklung setzte sich fort, doch nicht immer vorteilhaft. So warben zwar moderne und visionäre Offiziere und Militärtheoretiker in Ländern wie Deutschland, Russland und Großbritannien im Sinne der „Panzer-Idee" für den Bau von Panzer-Großverbänden mit Einschluss komplett motorisierter, ja gepanzerter Begleitverbände: mit Panzerartillerie, Schützenpanzern für Infanterie, beweglicher Flugabwehr und so fort.

Neue Ideen, die Kriege entscheiden

Diese Großverbände sollten eine Front nicht bloß auf begrenztem taktischen Niveau durchbrechen, sondern auf operativem, ja strategischen Niveau tief ins Hinterland stoßen. Sie würden dort Städte, Flugfelder, Industrie, Depots und andere wichtige Ziele angreifen bzw. nehmen sowie Truppenansammlungen zerschlagen oder von hinten angreifen, ohne die Masse der langsameren marschierenden und bespannten Einheiten abzuwarten – letztere würden mit der Zeit den Raum schon sichern.

Das aber waren neue Gedanken, die unter konservativ-defensiven Militärs, etwa in Frankreich und Belgien, nicht fruchteten, wo man Panzer verstreut eingesetzt nur als Helfer der Infanterie, als Aufklärer oder als "Schild" zum Bremsen eines Angreifers im Vorfeld einer Hauptverteidigung aus Infanterie und Artillerie à la Erster Weltkrieg ansah. Die deutschen Panzerstöße in Polen und Frankreich/Benelux 1939/40 hingegen sowie der spätere Verlauf des Zweiten Weltkriegs bewiesen, wer Recht hatte.

In den USA hatte das Militär übrigens schon Anfang der 1920er das Interesse an Panzern weitgehend verloren, dort kam die Entwicklung erst stark verspätet, Ende der 1930er, in die Gänge. Die UdSSR hingegen spielte bei Panzerbau und operativem Panzereinsatz weltweit in der Elite mit. 

Der Panzer hat weiter Saison

Doch all das und mehr, auch die immer noch wesentliche militärische Bedeutung von Kampfpanzern und anderen Panzerfahrzeugen selbst nach 1989, sind Fortsetzungen einer Geschichte, die an einem nebligen Frühherbstmorgen im September 1916 in der Picardie begonnen hat.

Von wegen obsolet: russische Panzer bei der Siegesparade in Moskau, 2014
Von wegen obsolet: russische Panzer bei der Siegesparade in Moskau, 2014Sergei Karpukhin / Reuters

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