3.Oktober 1999: Haiders Triumph dauerte nicht lang

Haider und Schüssel
Haider und Schüssel(c) APA (Gindl Barbara)
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Am 3.Oktober 1999 stürzte die ÖVP mit ihrem Bundesobmann Wolfgang Schüssel in den Abgrund. Mit 26,9 Prozent der Stimmen bei den Nationalratswahlen erzielte sie ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945.

Am 3.Oktober 1999 stürzte die ÖVP mit ihrem Bundesobmann Wolfgang Schüssel in den Abgrund. Mit 26,9 Prozent der Stimmen bei den Nationalratswahlen erzielte sie ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945. Erstmals landete die Partei hinter den Freiheitlichen auf Platz drei. Zwar war der Vorsprung der Haider-FPÖ nur hauchdünn, aber es gab ihn.

Niemand hätte darauf gewettet, dass just dieser Wahlverlierer Bundeskanzler werden könnte und drei Jahre später seiner Partei den größten Wahltriumph bescheren würde. Alle drei Wegmarken sind freilich Jörg Haider geschuldet gewesen: Schüssels Niederlage 1999, Schüssels Kanzlerjob ab 2000, Schüssels Triumph 2002 (über eine aus eigener Schuld am Boden zerstörte FPÖ).

Desaster für die Koalition

Aber was führte zu der – auch für ausgewiesene Kenner der Szene – überraschend schweren Niederlage der Regierungsparteien (die Verluste der SPÖ waren sogar noch viel größer, sie blieb aber stärkste Partei)? Es war die Selbstlähmung zweier Koalitionsparteien, das tiefe Misstrauen zwischen den handelnden Personen, der mangelnde Budgetspielraum, die Unflexibilität der damals noch starken Gewerkschaft.

Bundeskanzler war der damals 52-jährige Viktor Klima, der sich erste Regierungserfahrung in den Neunzigerjahren als Verkehrs-, dann als Finanzminister geholt hatte. Sein sonniges Wesen, das ihn vor allem für Frauen unwiderstehlich machte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der frühere OMV-Vorstandsdirektor wenig Bodenhaftung an der Basis besaß. Und außenpolitisch war er ungefähr so mäßig bewandert wie sein Koalitionspartner Schüssel. Aber der war als Außenminister gezwungen, dazuzulernen.

Klimas Nachteil war, dass er in seiner Partei mangelnden Rückhalt besaß. So konnte er die dringend nötige Nachbeschaffung teurer Abfangjäger für das Bundesheer innerparteilich nicht durchsetzen. Die Volkspartei nahm darauf Rücksicht und verschob das Vorhaben auf die Zeit nach den Wahlen – prompt fiel es ihr dann auf den Kopf.

Schüssel hingegen hatte zwar seine Parteifreunde im Griff, aber war durch sein Regierungsamt öfter als gewünscht auswärts. Die Innenpolitik lief auf Sparflamme, es war eine Pattstellung, die Wasser auf die Mühlen des Kärntner Landeshauptmannes bedeutete, der sich so als einziger „Herausforderer“ und Hecht im ruhigen Karpfenteich inszenieren konnte.

Zur PR-Katastrophe wuchs sich schließlich eine volkstümliche Darbietung beim Wiener „Hanslteich“ aus, bei der die ÖVP ein Volksliederbuch präsentierte. Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht. Der Außenminister und Vizekanzler mit der Ziehharmonika, sein Landwirtschaftsminister Molterer mit der Gitarre, die Parteiobmann-Stellvertreterin Gehrer an der Querflöte – ein gefundenes Fressen für Karikaturisten und Satiriker. Und ein Desaster in den Umfragen unter Jungwählern.

Jörg Haider hingegen fand sich im Aufwind. 1995 hatte er mit dem Slogan „Einfach ehrlich. Einfach Jörg“ geworben, 1999 mit „Einfach menschlich“. Alle vier Plakatsujets zeigten Haider, obwohl der offizielle Spitzenkandidat der Partei Thomas Prinzhorn hieß. Wie viele Prozentpunkte der Kärntner „Kinderscheck“ brachte, ist zwar umstritten. Tatsache war jedenfalls, dass Haiders Wahlwerber einen direkteren Zugang zu den „Menschen draußen“ fanden.

Schüssels Ansage

Am 7. September sorgte dann Schüssel nach einer Ministerratssitzung für den einzigen Spannungsmoment in diesem seltsamen Wahlkampf: Die Umfragewerte waren für beide Großparteien schlecht, sodass der VP-Obmann seine Funktionäre mit der Drohung auf Trab bringen wollte: Sollte die ÖVP auf Platz drei hinter die FPÖ abrutschen, werde sie die Regierung verlassen und in Opposition gehen. Eine Warnung, die zwar einige Prozentpunkte Verbesserung brachte, aber eine schwere Hypothek bei der künftigen Regierungsbildung bedeuten sollte.

Die Kampagne nahm nun rasch an Rasanz zu. So heftig, dass Bundeskanzler Klima am 23.September mit Lungenentzündung ausfiel. Die Schlappe bei den Vorarlberger Landtagswahlen (19.September) hatte ihm zugesetzt. Nur zwei Tage später war auch Finanzminister Rudolf Edlinger am Ende seiner Kräfte angelangt: Ein Kreislaufkollaps setzte ihn außer Gefecht.

Neun Listen traten am 3.Oktober1999 an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, LIF, Grüne, KPÖ, DU (Die Unabhängigen – Liste Lugner), NEIN (Nein zu NATO und EU Neutrales Österreich Bürgerinitiative) und CWG (Christliche Wählergemeinschaft).

1.532.448 Stimmen entfielen auf die SPÖ. Das ergab 65Mandate (minus sechs); 1.243.672 Stimmen auf die ÖVP (52 Sitze, unverändert); 1.244.087 auf die FPÖ (52 Sitze, plus elf). Auch die Grünen schafften den Einzug in den Nationalrat mit 342.260 Stimmen (14 Mandate, plus fünf). Alle anderen Listen gingen leer aus, die Liberalen flogen aus der Reihung. Einen „Trost“ gab es für Schüssels Volkspartei, die zehn Prozent ihrer Wählerschaft von 1995 an Haider abgeben musste: Auch die Sozialdemokraten verloren zehn Prozent ihrer Wähler an die FPÖ. Es war unbestritten der größte Wahltriumph Jörg Haiders auf Bundesebene; zum ersten Mal waren die Freiheitlichen bundesweit auf Platz zwei.

Und so war die Situation für eine Regierungsbildung verfahren. Keine Partei wollte mit den anderen kooperieren, durch das Scheitern der Liberalen an der Vier-Prozent-Hürde war obendrein das Projekt einer Ampelkoalition Rot-Grün-Gelb tot. Es blieben nur die Varianten Rot-Schwarz, Rot-Blau und Schwarz-Blau. Bundespräsident Klestil, der sich so gern als politischer Mitspieler gesehen hätte, war ohnmächtig. Nach endlosen „Sondierungsgesprächen“ schlossen ÖVP und FPÖ miteinander ab. Doch das Experiment scheiterte 2002 in Knittelfeld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2009)

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