Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, der Hunger ist geblieben: Vor 70 Jahren erreichte das erste Care-Paket Österreich - insgesamt sollten 100 Millionen davon in ganz Europa verteilt werden.
14.01.2017 um 09:52
Nahrung, Kleidung und Medikamente waren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Mangelware. Wien galt gar als hungrigste Großstadt Europas. Vor allem in den Wintermonaten kamen die Menschen meist nicht einmal auf die Hälfte der nötigen Kalorien – und waren auf ausländische Hilfe angewiesen: Am 27. November 1945 gründeten in den USA 22 Wohlfahrtsverbände die private Hilfsorganisation CARE („Cooperative for American Remittances to Europe“). Sie sollte fortan Hilfsaktionen für Europa koordinieren.
(c) Care Österreich
Vor 70 Jahren erreichte das erste CARE-Paket Österreich. Zunächst werden die Päckchen an Einzelpersonen verteilt, die Bekannte oder Verwandte in den USA haben, schon bald treffen auch „general relief“-Pakete ein. Über deren Verwendung entscheidet das Bundesministerium für soziale Verwaltung. Sie gehen zumeist an Altersheime, Krankenhäuser oder Schulen.
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„Ein CARE-Paket zu bekommen war fast wie Weihnachten – natürlich Weihnachten früher, als es noch eine Bescherung gegeben hatte“, erinnert sich Christa Chorherr aus Wien. „Aber Nahrungsmittel waren ohnedies die wunderbarsten Geschenke! Mit Kakao! So etwas hatten wir schon ewig nicht gehabt.“
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Die Pakete enthielten für viele auch zunächst Unbekanntes, wie beispielsweise gesalzene Butter, Corned Beef in Dosen, Erdnussbutter oder Cadburyschokolade. „Einmal gab es auch Würfelzucker, den Mutter für Weihnachten versteckte. Mein Vater, der erst 1946 aus der Gefangenschaft dünn wie ein Strich nach Hause gekommen war, fand das Versteck und nahm sich immer wieder mal ein Stück Zucker“, schildert Peter Haas aus Salzburg. Das Ergebnis: „Weihnachten, als Mutter die Dose nehmen wollte, war sie leer.“
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Der Wiener Fritz Vesely, der heute in Kärnten lebt, war fünf oder sechs Jahre alt, als die Lebensmittel sozusagen an der Türe klingelten: „Ich erinnere mich, dass es wie Weihnachten war im Sommer 1946 wie der Vater ein großes CARE-Paket nach Hause gebracht hat. Wir Kinder staunten über die fremden Sachen in dem Karton. Kaugummi und Kondensmilch kannten wir ja nicht.“ Die Freude galt aber nicht nur den Lebensmitteln, sondern den Absendern: „Weil ich mir gedacht habe, dass da draußen irgendwo in der Welt Menschen sind, die für dich da sind und die dir helfen obwohl sie dich nicht kennen.“
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Margarete Gößnitzer begegnete ihrem ersten Paket mit Argwohn: Sie war zehn Jahre alt, als sie und eine Klassenkameradin zum Direktor zitiert wurden. „Ich dachte, dass ich was angestellt haben muss“, erzählt sie. Tatsächlich aber übergab der Direktor den beiden Mädchen je ein CARE-Paket. „Ich war so erleichtert“, so Gößnitzer. „Das Paket war so groß, dass ich es nicht tragen konnte. Am nächsten Tag kam ich mit dem Schlitten in die Schule um das Paket sicher heimzubringen. Es war so viel drinnen, auch weil ich aus einer großen Familie komme. Wir waren zehn Personen.“
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Ab März 1947 enthielt ein Paket standardmäßig ein Pfund Rindfleisch in Kraftbrühe, ein Pfund Steaks und Nieren, ein halbes Pfund Leber sowie ein halbes Pfund Corned Beef, ein dreivierteltes Pfund „Prem“ (ähnlich dem heutigen Frühstücksfleisch), ein halbes Pfund Speck, zwei Pfund Margarine, ein Pfund Schweineschmalz, zwei Pfund Zucker und je ein Pfund Honig, Schokolade, Rosinen und Aprikosen-Konserven. Weiters enthalten war ein halbes Pfund Eipulver und je zwei Pfund Vollmilch-Pulver und Kaffee.
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Das erste CARE-Büro in Österreich (Wien wurde bald zum Hauptquartier von CARE in Europa) befand sich in der Strudlhofgasse in Wien, das Hauptlager am Schottenring. Täglich werden an die 1000 Pakete, die mit je 40.000 Kilokalorien in unterschiedlichster Konsistenz gefüllt sind, an die Österreicher ausgegeben. In Linz, Salzburg, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Rankweil, Leibnitz und Leoben werden weitere Lagerhäuser für CARE-Pakete eingerichtet.
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Aus der spontanen Hilfsaktion in der Nachkriegszeit entstand eine der größten privaten Hilfsorganisationen weltweit: CARE International. Das gleichnamige Paket avancierte zum „Symbol für rasche humanitäre Hilfe, die nicht nach Religion, ethnischer oder politischer Zugehörigkeit fragt“, sagt Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich. Im Vorjahr wurden laut Angaben der Organisation, die in 95 Ländern tätig ist, in Form von Entwicklungsprojekten und Katastrophenhilfe mehr als 65 Millionen Menschen erreicht. Mehr Informationen unter: www.care.at
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