Vertreibung Sudetendeutscher für immer weniger Tschechen "gerecht"

Symbolbild: Sudetendeutsche Frauen in traditioneller Tracht
Symbolbild: Sudetendeutsche Frauen in traditioneller Tracht(c) APA/EPA
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Noch 2002 hielten 64 Prozent der Tschechen die Vertreibung der Sudetendeutschen für "gerecht" - jetzt nur mehr 37 Prozent. Immer mehr wollen einen Schlussstrich ziehen.

In Tschechien gibt es immer weniger Menschen, welche die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg für "gerecht" halten. Während 2002 noch 64 Prozent der Tschechen dieser Auffassung waren, sind es jetzt nur mehr 37 Prozent. Dies geht aus der jüngsten Umfrage des Prager Meinungsforschungsinstituts CVVM hervor.

Gleichzeitig ist laut der Befragung der Anteil jener gestiegen, die meinen, dass die Vertreibung - in Tschechien wird der Begriff "Abschiebung" verwendet - zwar ungerecht gewesen sei. Allerdings sollte man einen Schlussstrich darunter ziehen. 2002 waren das 18 Prozent, jetzt 25 Prozent. Gering bleibt der Anteil der Tschechen aber, die die Vertreibung als ungerecht betrachten und zugleich für eine Entschuldigung und Entschädigung seitens Tschechien plädieren. 2002 war es ein Prozent, jetzt sind es vier Prozent.

Besitzverhältnisse nach Benes-Dekreten "unabänderlich"

Obwohl schon mehrere tschechische Politiker Bedauern über die Vertreibung der Sudetendeutschen zum Ausdruck gebracht haben, bleibt die offizielle Position Prags, die diesbezüglichen Dekrete des damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Benes nicht aufzuheben und kein Eigentum zurückzugeben oder Entschädigungen zu zahlen. Dabei wird argumentiert, man müsse die Zeitfolge der Ereignisse um den Zweiten Weltkrieg respektieren. Außerdem seien die Dekrete Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung.

Auf der Grundlage der Benes-Dekrete wurden die seit Jahrhunderten in Böhmen und Mähren lebenden fast drei Millionen Deutschsprachigen nach 1945 als Vergeltung für die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitler-Deutschland enteignet. Gleichzeitig schufen die Verfügungen die Voraussetzung für die Ausweisung der deutschen Minderheit.

Die Dekrete werden als menschenrechtswidrig eingestuft, weil sie auf dem Prinzip der Kollektivschuld basierten und gegen die Unschuldsvermutung - die Betroffenen mussten ihre Unschuld nachweisen - verstießen. Die Dekrete sind weiterhin Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung, auch wenn sie ihre Wirkung verloren haben. Als die Benes-Dekrete im Rahmen der tschechischen EU-Beitrittsgespräche zum Thema wurden, nahm das Prager Parlament im April 2002 einstimmig eine Erklärung an, in der die aus den Benes-Dekreten resultierenden Eigentumsverhältnisse als "unantastbar und unabänderlich" bezeichnet wurden.

(APA)

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