Am 7. Juni 1917 ließen britische Truppen 19 Minen unter deutschen Stellungen hochgehen – und erzeugten das bis dahin wohl lauteste vom Menschen verursachte Geräusch. In anderen Worten: "Die größte Explosion vor Hiroshima."
Es war das Jahr 1917. Die Kämpfe an der Westfront, etwa in Flandern, wirkten eingefroren. Um jeden Quadratmeter wurde erbittert gerungen, große Bewegungen aber gab es nicht. Sogar Giftgas ("Yperit" bzw. Senfgas) kam rund um die alte flandrische Metropole Ypern zum Einsatz. Die Briten hatten sich zum Ziel gesetzt, den sogenannten Wytschaete-Bogen einzunehmen. Sie wollten die an der Küste liegenden Ortschaften Ostende und Zeebrugge zerstören, um im – mittlerweile uneingeschränkten – U-Boot-Krieg bestehen zu können.
Im Mai setzte der britische General und Oberbefehlshaber an der Westfront, Douglas Haig (1861-1928), dafür auf ein enormes Aufgebot an Sprengkörpern und Geschützen. Ab 21. Mai ließ er rund 2000 Geschütze auf die deutschen Stellungen schießen – nicht nur einmal. Bis zum 7. Juni wurde ununterbrochen gefeuert.
Daneben ließ er einen unterirdischen Kampf führen – den gegen das Felsen- und Erdreich: Britische, kanadische und neuseeländische Mineure wurden angewiesen, in 15 bis 30 Metern Tiefe Stollen anzulegen (es waren nicht die ersten, schon länger übten sich die Feinde im Anlegen eigener und Zerstören der anderen Grabungen), die exakt unter den deutschen Stellungen ihr Ende fanden. Dort wurden 26 Minen platziert, die größte von ihnen, mit rund 42 Tonnen Sprengstoff, bei St. Eloi.
"Werden sicherlich die Geographie verändern"
Neben Haig mahnte auch der Stabschef der britischen Zweiten Armee, General Charles Harington, zu Tempo unter Tage. Am Tag vor der Zündung soll er seine Männer angespornt haben: „Wir werden morgen vielleicht keine Geschichte schreiben, aber sicherlich die Geographie verändern."
Am 7. Juni war es dann soweit: Um 3:10 Uhr wurde gezündet – rund 425 Tonnen Ammonal detonierten – und erzeugten das wohl lauteste Geräusch, das bis dahin von Menschenhand erzeugt worden war: Eine der größten nicht-nuklearen Explosionen der bisherigen Geschichte fand statt. Der Knall soll so enorm gewesen sein, dass ihn sogar der damalige Premierminister David Lloyd George in der Londoner Downing Street No. 10 gehört haben will – rund 220 Kilometer von Flandern entfernt, vom Festland durch den Ärmelkanal getrennt.
Die Deutschen versuchten sich umgehend in der verbalen Schadensbegrenzung hinsichtlich der Operation „Magnum Opus": Die Explosion sei „überschätzt" worden, wurde im Bericht an Kaiser Wilhelm II. festgehalten, sie habe „unter der dünnen Besatzung wenig Opfer gefunden". Heftig aber, so wurde denn doch eingeräumt, sei die „seelische Wirkung auf unsere aus dem Schlaf gerissenen Truppen" ausgefallen.
Tatsächlich hatten die Minen allerdings 19 riesige Krater in die flandrische Landschaft gerissen.
An die zehntausend deutsche Soldaten fanden praktisch auf einen Streich den Tod, getroffen wurden vor allem Teile der 204. württembergischen Infanteriedivision, zweier preußischer Divisionen sowie zwei bayrische und eine sächsische Division. Die deutsche Verteidigung des Frontabschnittes brach zusammen. Nun begann die sogenannte Schlacht von Messines (Meesen).
Doch der Sieg war den Briten nach dem Angriff nicht sicher. Erst am 14. Juni konnten sie im Verein mit australischen, neuseeländischen und kanadischen Truppen den Frontbogen ihre Eroberung nennen. Wenige Wochen darauf sollte die Dritte Flandernschlacht bei Ypern so richtig ihren Anfang nehmen – die Schlacht von Messines sollte da nur ein Vorspiel an Brutalität gewesen sein.
Zwischen Kratern und Kränzen
Heute, 100 Jahre nach dem Töten in Flandern, ist dort Haringtons Prognose noch immer präsent. Denn die Krater sind nach wie vor zu sehen. Momentan erinnern aber nicht nur sie, sondern auch Kränze an die Schrecken der Schlacht von Messines (Mesen). Niedergelegt wurde einer von ihnen am Mittwoch von Prinz William, Enkel der britischen Queen Elizabeth II. Auch der Historiker Lar Joye vom Nationalen Militärmuseum in Dublin war dafür nach Westbelgien gereist. Der deutschen Nachrichtenagentur dpa sagte er: „Das war die größte Explosion vor Hiroshima."
>>> Film zur Veranschaulichung: Explosion einer riesigen britischen Mine ("Hawthorne-Ridge-Mine", 18 Tonnen Sprengstoff) am 1. Juli 1916 bei Beginn der Schlacht an der Somme