Obdachloser siegt gegen Behörde

AP (Mark Lennihan)
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Der Bescheid war nicht korrekt an den „Wohnsitz“ des Mannes zugestellt worden.

Wien. Im Umgang mit Obdachlosen müssen die Behörden sorgfältiger sein – das geht aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hervor. Die Polizeidirektion wollte über einen obdachlosen Ausländer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängen. Sie stellte ihm den Bescheid an eine Adresse zu, an der er polizeilich gemeldet war. Allerdings war im Melderegister zu sehen, dass der Mann unter der Anschrift seit dem Vorjahr mit dem Vermerk „W-Qualität O“ gemeldet war. Die Abkürzung steht für „Wohnsitzqualität obdachlos“.

Das hinderte die Behörde nicht, dem Obdachlosen den Bescheid am 26. März 2004 zuzustellen. Herr S. war aber nicht da, weswegen der Bescheid bei der Post hinterlegt wurde. Die Berufungsfrist gegen den Bescheid endete am 9. April, erst im November aber verfasste Herr S. die Berufung. Darin schrieb er, dass er erst am 16. April an die Zustelladresse gekommen sei. Der Behörde war das zu wenig: Sie argumentierte damit, dass S. in seinem Schreiben nur auf den 16. April Bezug nimmt, nicht aber auf den vorherigen Zeitraum der Berufungsfrist, die am 9. April geendet habe. Daher sei die Berufung verspätet.

Genauere Prüfung nötig

Der Obdachlose wandte sich nun an den VwGH. Der hielt fest (2005/18/0077), dass die Behörde die Schilderungen von S. so hätte verstehen müssen, dass dieser auch im Zeitraum der Zustellung nicht an der Adresse war. Ganz generell dürfe es sich die Behörde bei Obdachlosen nicht so einfach machen, erklärt Verwaltungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk. Die Judikatur zeige, dass die Behörde prüfen muss, ob sich ein Obdachloser tatsächlich an der im Melderegister aufscheinenden Adresse befinde, so Funk. Das könne sie machen, indem sie anruft oder auch persönlich hingeht. Der Kerngedanke der Judikatur sei: „Dass jemand obdachlos ist, darf ihm nicht zum Nachteil gereichen.“

Wie stellt man nun am besten einem Obdachlosen einen Bescheid zu? Am einfachsten sei es, wenn der Obdachlose selbst bei der Behörde einen Antrag auf Zustellung des Bescheids an eine Adresse stellt, so Funk. Weitere Möglichkeit: Ein Anschlag des Bescheids an die sogenannte Amtstafel. Eine dritte Möglichkeit: Man könnte einen Abwesenheitskurator für den Obdachlosen bestellen und diesem den Bescheid zustellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2008)

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