Betteln mit Kind: Verbot ab 1. Juni

(c) EPA (Gabriel Mistral)
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Wien verbietet Betteln mit Kindern. Einen Tag vor dem Beschluss kommt aber die Forderung: Kinder müssen betteln dürfen.

WIEN. Sie geben ein trauriges Bild ab: Kleinkinder, die von Erwachsenen missbraucht werden, um auf der Straße mit traurigen Augen um zu Geld betteln. Die Stadt schiebt diesem Missbrauch einen Riegel vor: Betteln mit Kindern wird in Wien ab Juni verboten. Der Strafrahmen bei Verstößen beträgt bis zu 700 Euro bzw. eine Woche Haft.

Einen Tag bevor im Landtag das entsprechende Gesetz am heutigen Freitag beschlossen wird, begann plötzlich eine Diskussion über das Gesetz. Die Katholische Aktion bezeichnete das Bettelverbot für Kinder als „falsche Maßnahme“: „Es gibt weder einen sozialen noch einen psychischen Grund Menschen zu verbieten, ihre Kinder zum Betteln mitzunehmen.“ Die Begründung: „Wenn ruhiges Sitzen schädlich wäre, müssten Millionen Schulkinder bereits geschädigt sein.“ Dazu SOS-Mitmensch: „Armut soll noch vor der Fußball-EM aus Wien hinaus gestraft werden.“

Kinderpsychiater sind empört

Ist Betteln für Kleinkinder, die stundenlang auf der Erde sitzen müssen, kein Problem? Der renommierte Kinder- und Jugendpsychiater Ralf Gößler, Primar am Krankenhaus Hietzing und im Neurologischen Zentrum Am Rosenhügel ist empört: „Betteln ist eine völlig inadäquate Form für Kinder. Sie werden für die Zwecke von Erwachsenen instrumentalisiert. Das lehne ich ab.“ Was Gößler im „Presse“-Gespräch noch stört: „Das ist eine verkehrte Welt. Die Kinder sorgen für die Erwachsenen und bekommen nur deshalb eine Bedeutung.“ Das habe nichts mehr mit einer Eltern-Kind-Beziehung zu tun.

Banden nutzen Kinder aus

Das wirkliche Problem zeigt Wiens Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits auf: „Hauptsächlich geht es um Familien aus dem Osten die mit irrsinnig jungen Kindern in Wien betteln.“ Es gebe Hinweise, dass das Betteln oft von Banden organisiert wird; wobei die Kinder zum Betteln gezwungen und Kleinkinder an Erwachse „vermietet“ werden, um per Mitleidseffekt mehr Geld zu verdienen. Die Polizei bestätigt diese Theorie und spricht von „großteils slowakischen Tagestouristen“, die mit „gemieteten“ Kindern nach Wien kommen.

Trotzdem: Ein Bettelverbot alleine hilft den Kindern nicht. Pinterits: „Ich muss fragen: Wie kann diesen Kindern im Herkunftsland geholfen werden? Wie kann ich mit den dortigen Behörden kooperieren, damit die Kinder nicht mehr missbraucht werden?“

Die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger: „Deshalb gibt es mit der Gesetzesnovelle ein umfassendes Sozialpaket, um den Kindern effektiv zu helfen.“ Der Inhalt: Engere Kooperation mit den Sozialeinrichtungen der Heimatländer der Kinder, Aufbau von Betreuungszentren nach Wiener Vorbild; soziale Unterstützung. Das Bettelverbot will Frauenberger im heutigen Landtag jedenfalls durchsetzen: „Viele dieser Kinder sind in einem erbärmlichen gesundheitlichen Zustand.“ Oft seien sie traumatisiert, sitzen stundenlang regungslos in einem Eck wenn sie in einem Krisenzentrum versorgt werden: „Diesen Kindern muss geholfen werden.“

AUF EINEN BLICK: Betteln in Österreich

Wien beschließt heute, Freitag, dass Betteln mit Kindern per 1. Juni verboten wird. In Graz gilt bereits ein Bettel-Verbot mit Kindern. Dort ist wie in den meisten Bundesländern (Salzburg, Stmk, Kärnten, Tirol) „aggressives und organisierte Betteln“ verboten. In Fürstenfeld wurde das erste generelle Bettelverbot vom Höchstgericht aufgehoben; andere Städte planen trotzdem ähnliche Verbote.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2008)

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