Der ÖVP-Arbeitnehmerbund verlangt ein strengeres Vorgehen gegen Missbrauch bei der Sozialhilfe. Ein Modell aus Niederösterreich verlangt Kontrollen durch die Finanzpolizei.
Wien. 200 Millionen Euro möchte die Bundesregierung zur Gegenfinanzierung der Steuerreform durch den verstärkten Kampf gegen Sozialbetrug hereinbringen. In der ÖVP richtet sich der Fokus besonders auf den Bezug der Mindestsicherung, der Sozialhilfe für Menschen mit geringem oder gar keinem eigenen Einkommen. Unmittelbar vor der Regierungsklausur am Montag prescht jetzt der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB) aus Niederösterreich wegen einer Verschärfung der Mindestsicherung vor.
Die Kernpunkte: Bei Arbeitsunwilligkeit oder Unregelmäßigkeiten sollen Betroffene statt Bargelds Gutscheine erhalten, Miete oder Wasser sollen direkt von den Behörden beglichen werden. Für die Überprüfung würde nach diesem Modell künftig die Finanzpolizei eingesetzt, nicht mehr Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat.
Insgesamt bezogen in Österreich nach den aktuellsten bundesweit für 2013 vorliegenden Daten rund 238.000 Personen eine Mindestsicherung, mehr als die Hälfte der Bezieher (134.000) kommt aus Wien. Die Mindestsicherung, die im September 2010 eingeführt wurde, macht monatlich 827 Euro aus.
Neuregelung ist bis 2016 fällig
Auf Bundesebene ist die ÖVP bisher mit ihren Bestrebungen für Verschärfungen weitgehend an Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) abgeprallt. Der Generalsekretär des Bundes-ÖAAB und ÖVP-Sozialsprecher, August Wöginger, hat erst im Dezember des Vorjahres in der „Presse“ auf Änderungen und eine Vereinheitlichung beim Vollzug in allen Bundesländern gedrängt. Die ÖVP sowie ÖAAB-Bundesobfrau und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kritisieren seit Längerem, dass in Wien weniger streng als in den anderen Bundesländern bei der Mindestsicherung vorgegangen wird. Das wird allerdings von der rot-grünen Stadtregierung ebenso vehement zurückgewiesen.
Eine Neuregelung wird jedenfalls fällig, weil bis Ende 2016 die sogenannten 15a-Vereinbarungen mit den Ländern über die Mindestsicherung auslaufen und verlängert werden müssen. Genau dies nimmt nun Niederösterreichs ÖAAB mit Obmann und Vizelandeshauptmann Wolfgang Sobotka zum Anlass einzuhaken. Er stellte am Freitag ein Reformmodell vor, das zum Ziel hat, mehr Anreize zur (Wieder-)Aufnahme von Beschäftigung, Hilfe, Gerechtigkeit und Kontrolle zu schaffen. Das von einer eigenen Arbeitsgruppe erstellte Konzept sieht vor: Als Anreiz für den Umstieg von der Sozialhilfe in die Arbeitswelt ist demnach für Wiedereinsteiger vorgesehen, dass sie, wenn die Mindestsicherung länger als sechs Monate bezogen wurde, für weitere maximal sechs Monate bis zu 30 Prozent der Mindestsicherung dazuverdienen dürfen. Maximal dürfen Arbeitslohn und Mindestsicherung insgesamt 1150 Euro im Monat ausmachen.
Umgekehrt wird für Bezieher einer Mindestsicherung im arbeitsfähigen Alter mehr Strenge verlangt, wenn sie offenkundig nicht arbeiten wollen. Dazu dient eine Umstellung bei der Auszahlung. Statt Bargelds würde zumindest ein Teil der Mindestsicherung auf ein Gutscheinsystem (Bons) umgestellt: Miete, Heizung und Wasser würden gleich direkt von der öffentlichen Hand bezahlt werden.
„In heutiger Form unsozial“
Für Niederösterreichs ÖAAB-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner ist die Mindestsicherung in der jetzigen Form „unsozial“. Im Nationalrat und im Landtag müsse es daher Änderungen geben. Für Sozialminister Hundstorfer ist hingegen der tatsächliche Missbrauch schon bisher gering. Deswegen ist man im Sozialressort der Ansicht, dass diese Form der Sozialhilfe wenig Potenzial in dem von der Bundesregierung angestrebten Kampf gegen Sozialbetrug birgt. Hundstorfer möchte den Hebel hauptsächlich dort ansetzen, wo mehr Anreize für den Umstieg in eine reguläre Beschäftigung geschaffen werden.
Zu den Größenordnungen: In Niederösterreich gab es im Jahr 2013 rund 24.500 Bezieher einer Mindestsicherung. Etwa 9000 sind arbeitsfähig. Der Grund: Mindestsicherung wird auch an Kinder ausbezahlt. Bundesweit ist es in der Mehrzahl der Fälle so, dass ein geringes eigenes Einkommen (aus Beschäftigung oder Sozialleistungen) mit einem Differenzbetrag auf die volle Höhe der Mindestsicherung aufgestockt wird („Aufstocker“).
VORSCHAU
Die Regierungsklausur. Am Montag verlässt die Koalition für eineinhalb Tage Wien. In Krems sollen nach der Einigung auf die neuen Steuertarife samt Gegenfinanzierung die nächsten Großvorhaben diskutiert werden. Und es soll ein 6,5 Milliarden Euro schweres Wohnbau- und Investitionspaket vorgelegt werden.
(''Die Presse'', Print-Ausgabe, 21.03.2015)