„2020 können wir Zementbedarf nicht selbst decken“

(c) Bilderbox
  • Drucken

Der EU-Klimaschutz gefährde die Versorgung in Österreich, sagt die Industrie.

Wien (mac). Die rege Bautätigkeit (3,7 Prozent plus) hat das Wachstum der Zementnachfrage im Vorjahr deutlich beschleunigt. Die heimischen Zementwerke produzierten mit 5,9 Mio. Tonnen Zement um sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Damit waren die guten Nachrichten bei der Jahresbilanz der österreichischen Zementindustrie (VÖZ) schon wieder beendet.

Die geplanten Klimaschutz-Ziele der EU waren der Interessensvertretung ein Dorn im Auge. Seit 2005 müssen Unternehmen in der EU für ihre CO2-Emissionen Zertifikate vorweisen. Noch werden die meisten gratis zugeteilt, 2007 überstieg die Zementnachfrage die Zuteilung der CO2-Zertifikate jedoch bereits deutlich. Zwischen 2013 und 2020 soll die Zementindustrie schrittweise keine Gratis-Zertifikate mehr bekommen. Das macht nicht nur die Produktion teurer. „Das Problem ist, dass wir gar nicht wissen, ob wir genug kaufen dürfen, um den Bedarf in Österreich zu decken.“, sagt VÖZ-Vorsitzender Rudolf Zrost.

Denn anders als in anderen Branchen kann die Zementindustrie nicht unbeschränkt Einfluss auf die Emissionen nehmen. Bei der Produktion von Zement wird Kalkstein gemahlen und auf 1450 Grad erhitzt, um das CO2 aus dem Gestein zu treiben. Erst dann kann das Pulver mit Wasser wieder verfestigt werden. Von 642 Kilogramm CO2 pro Tonne Zement bleiben nur 231 Kilogramm als Manövriermasse. Das ist bereits um die Hälfte weniger als Zementwerke in den USA und China ausstoßen.

Weniger Investitionen in Europa

Bleiben die Vorgaben der EU wie geplant, dürften die heimischen Zementbetriebe 2020 nicht einmal so viele Zertifikate zukaufen, wie sie für die Versorgung der Inlandsnachfrage bräuchten, rechnet der VÖZ vor. Darunter leide der Standort ebenso wie die Umwelt. Denn die fehlende Menge müsste über Importe ausgeglichen werden, käme also mit dem Lkw und wäre wohl umweltschädlicher produziert als in Österreich.

Die Industrie fordert daher die Aufnahme der Zementbranche in den Kreis der Industrien, die von der EU auch nach 2013 geschützt werden, um Wettbewerbsverzerrungen durch Importe aus Nicht-EU-Ländern zu vermeiden. Zudem solle die Menge an benötigten Zertifikaten nach der Benchmarking-Methode zugeteilt werden, nach der die Betriebe mit dem geringsten CO2-Ausstoß auch am wenigsten Zertifikate brauchen. Entscheiden, welche Industrie in den Status aufgenommen wird, will die EU erst knapp vor 2013. Große Zementkonzerne wie Lafarge investieren daher nicht in Europa, bis Rechtssicherheit bestehe. „Kleine Zementwerke können es sich leider nicht leisten, so lange zu warten“, sagt Zrost.

AUF EINEN BLICK

Österreichs Zementindustrie fürchtet um ihre Zukunft, sollte die EU den CO2-Handel planmäßig umsetzen.

Zwei Drittel der Emissionen würden bei der Zement-Produktion zwangsläufig anfallen. Senkt die EU die Höchstmenge an Emissionen wie geplant, könne der Bedarf in Österreich 2020 nicht mehr gedeckt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.