Satirische Kampagne: "Soziale Wärme statt Woarme"

(c) Clemens Fabry
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Die Werbung zum Film „Blutsfreundschaft“ hat rechtspopulistische Ideen satirisch überspitzt – und für Empörung gesorgt. Die „Presse“ bat zum runden Tisch.

Die Schlagzeile lautet „Soziale Wärme statt Woarme!“, Forderungen wie „Nein zur Homoehe!“ und „Stopp der Überfremdung!“ stehen darunter. Das Sujet wirkt wie die Kampagne einer rechtsradikalen Partei („RWT – Österreichs Partei für Recht, Würde und Tugend“), sie gehört aber zu einem Film: Das Gesicht unter der Schlagzeile ist dasjenige des berühmten Schauspielers Helmut Berger. Er hat eine Hauptrolle in Blutsfreundschaft, dem neuen Film von Peter Kern, der am 5.November in die Kinos kommt.

Berger spielt in dem Film einen schwulen alten Wäschereibesitzer in Wien: Ausgerechnet bei ihm findet ein Teenager aus dem Umfeld einer Neonazi-Gruppe Zuflucht. So nehmen die Rechtsradikalen den Alten ins Visier: Er kommt auf deren Hetzplakate, darunter das eingangs beschriebene. Mit diesem Motiv, das rechtspopulistische Strategien satirisch überspitzt, ist die Werbung für Blutsfreundschaft angelaufen: Als erstes Inserat einer zweiteiligen Kampagne (erst auf dem zweiten prangt auch der Filmtitel) erschien es in diversen Medien, auch der „Presse“ – und sorgte für Empörung. Die zeitgleich geplante Plakatierung wurde hingegen von der Gewista abgelehnt. Die „Presse“ lud die wichtigsten Beteiligten zu einem runden Tisch: Regisseur Kern, Koproduzent Franz Novotny, Claus Philipp, den Leiter des Stadtkino-Filmverleihs und Franz Weissenböck von der Goldfish Marketing GmbH, die das Sujet entworfen hat.


„Die Presse“: Wie verlief die Zurückweisung dieser Kampagne durch die Gewista?

Franz Weissenböck: Wir waren von Anfang an mit der Gewista-Tochter Kultur:Plakat in Kontakt – darüber, wie die Kampagne aussehen wird, welche Sujets wir machen, und wie und warum. Darauf gab es eigentlich keine Reaktion, ein vereinbarter Termin fiel aus Zeitgründen aus, wir telefonierten und schickten E-Mails. Nachdem wir nichts gehört haben, ließen wir die Plakate drucken. Als wir sie anliefern ließen, kam plötzlich der Anruf: Das kann man nicht affichieren!

Gab es eine nähere Begründung?

Weissenböck: Kultur:Plakat dürfe nur Veranstaltungen kulturellen Inhalts plakatieren.

Peter Kern: Auch solche satirischen Inhalts?

Werbeplakat für
Werbeplakat für "Blutsfreundschaft"(c) Stadtkino

Weissenböck: Ja. Aber keine politischen Plakate. Auch wenn sie satirisch sind.

Franz Novotny: Ich nehme die Empörung mit Freude zur Kenntnis: Die Kampagne soll ja verunmöglichen, dass man Hetze plakatiert. Sie soll über den Film hinaus eine Wirkung schaffen, der kann nie so eine Durchdringung erreichen. Insofern bin ich auch für die berechtigte Empörung der Passanten dankbar: Als wir selber affichieren ließen, wurden einige unserer Plakatkleber attackiert – denen gilt natürlich unser Bedauern. Aber es ist ein Zeichen, dass man nicht jederzeit Naziparolen verbreiten kann. Die Aufklärung der ganzen Geschichte erfolgt obendrein fast zeitgleich durch die Medien, es kann also nicht befürchtet werden, dass hier gehetzt wird. Das Gegenteil ist der Fall.

Claus Philipp: In „Heute“ ist neben unserem Inserat ein großer roter Pfeil, auf dem steht, dass sich die Redaktion davon distanziert, und dass es Werbung für einen Kinofilm sei. Würde das Schule machen – sagen wir: bei jedem FPÖ-Inserat – dann wäre das eine gewisse Grundvoraussetzung, die Psychohygiene im Land wiederherzustellen. Bei einem Strache passiert das ja nicht so.

Kern: Man könnte neben dem Strache-Sujet anmerken: „Die Redaktion weist darauf hin, dass man das nicht ernst nehmen kann.“

Aber muss man nicht aus handwerklicher Sicht sagen: Die FPÖ-Kampagne ist saugut?

Weissenböck: Leider ja. Die wissen über ihre Zielgruppe Bescheid, und bringen das knallhart auf den Punkt. Schaut man sich dagegen die Kampagnen der „Konkurrenten“ an: fast logisch, dass die keinen Erfolg haben.

Werbeplakat für
Werbeplakat für "Blutsfreundschaft"(c) Stadtkino

Novotny: Die FPÖ-Werbung spricht bestimmte Instinkte an. Sie ist auch relativ leicht zu imitieren, es bedurfte nur einer kleinen Überspitzung der Slogans. Ich finde unsere Kampagne leicht zu decodieren: Zum einen sind diese Deix-Figuren auf den Fotos, zum anderen sind die Sprüche dermaßen idiotisch. Ein interessanter Nebeneffekt ist, wenn Leute Helmut Berger sehen und sagen: Jö schau, der lebt auch noch!

Auch von Leuten aus dem Kulturbereich gab es Reaktionen, die Berger offenbar nicht erkannt – aber gleich gefragt haben: Wie kann in der „Presse“ so etwas gedruckt werden?

Kern: Dabei ist allein der Spruch schon absurd! Wahrscheinlich ein Zeichen, wie sehr wir uns schon an rechte Slogans gewöhnt haben, selbst die Intellektuellen.

Eine andere Sichtweise wäre, dass die Empörungsbereitschaft bei so etwas so groß ist, dass man gar nicht mehr genau schaut.

Novotny: Es ist schon Teil des Konzepts, dass man das Sujet missverstehen kann, und das empörte Publikum wird dann Teil der Aktion.

Weissenböck: Ob politisch links oder rechts, und ob man da nur eine Sekunde darüber nachdenken muss oder eine Woche braucht dazu – es geht darum, dass man nachdenkt: Kann das eigentlich ernst sein? Kann das eigentlich wahr sein? Online gab es auch zustimmende Kommentare, nicht nur ablehnende: „Gut, dass endlich wer...“ Aber am nettesten war der Anruf: „Die Drucker weigern sich, das zu drucken.“

Philipp: Interessant ist, dass die Kritik und Berichterstattung zur Kampagne natürlich mit dem Inserat bebildert wird – kostenfrei! Auf ähnliche Weise funktioniert das doch auch bei einem H.-C. Strache: Durch die Perpetuierung der Bebilderung und die ständige Wiedergabe der unsäglichsten Zitate pulverisiert sich die Kritik selbst. Aber die Frage bleibt, wie viel Zeit sich die Leute mit dem Inserat nehmen, um sich anzusehen, ob das echt ist. Ein wesentlicher Bestandteil der gegenwärtigen Stammtischdiskussion ist doch der Faktor der Beschleunigung. Mehr oder weniger von Tag zu Tag kann man neue Slogans auf den Tisch werfen, und binnen eines Monat sind sie gegessen. Die Leute werden vom Tempo überrollt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2009)

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