Schöne neue atomwaffenfreie Welt

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Atompilz(c) US Department of Energy
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Die Abschaffung von Nuklearwaffen fordern nicht mehr nur Pazifisten. Bei der Münchner Sicherheits-Konferenz sprachen sich auch Deutschlands Außenminister Steinmeier und andere Staatenlenker dafür aus.

Ist es möglich, Atombomben einfach abzuschaffen? Etliche ältere, ergraute Herren, die einst, als sie selbst noch an den Schalthebeln der Macht saßen, eine solche Vorstellung wohl als „Narretei“ abgetan hätten, fordern nun genau das: die Abschaffung sämtlicher Kernwaffen. Die Amerikaner Henry Kissinger, George Shultz, Sam Nunn und William Perry beispielsweise, die Deutschen Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Hans-Dietrich Genscher und Egon Bahr.

Sind die weisen Herren inzwischen also selbst zu Narren geworden? Ganz und gar nicht, erklärte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende und stellte sich voll hinter das Ziel, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Gewiss, dies sei eine „Vision“, die aber stufenweise durchaus realisierbar.

„Fenster der Geschichte“

Und auch die demokratische Kongressabgeordnete Ellen Tauscher sieht bereits globale Bestrebungen im Gange, die Nuklearwaffen aus der Welt zu verbannen: „Mit der bisherigen, veralteten Form des Denkens kommen wir auch in dieser Frage einfach nicht mehr weiter.“ Schon im Sommer hatte US-Präsident Obama während seiner Rede in Berlin die vollständige atomare Abrüstung zu seinem Ziel erklärt.

Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohamed ElBaradei, wiederholte in München sein Credo: „Der einzige Weg, um zu verhindern, dass Atomwaffen weiterverbreitet und letztlich auch eingesetzt werden, ist, diese Waffen ganz abzuschaffen.“ Steinmeier sieht derzeit angesichts der neuen Präsidenten in den USA und in Russland „das Fenster der Geschichte weit geöffnet“, um mit dem Aufbau einer neuen Sicherheitsarchitektur zu beginnen. Und ElBaradei stimmt zu, dass es diese beiden Länder sind, die zusammen mit noch immer 27.000 Atomwaffen (über 90 Prozent der weltweiten Arsenale) den Schlüssel in der Hand haben.

Am 5.Dezember läuft der Vertrag über die Reduzierung der strategischen Atomwaffenarsenale (Start-1) zwischen Washington und Moskau aus. „Es ist allerhöchste Zeit, dass wir ein neues Abkommen aushandeln, das Start-1 ersetzt“, unterstrich Russlands Vizepremier Sergej Iwanow. Moskau wünsche, dass ein solcher Vertrag „rechtlich bindend“ sei und zu weiterer Reduzierung der Trägersysteme wie der Kernsprengköpfe führe.

ElBaradei meinte, dass beide Seiten ihre Kernwaffenarsenale „nachprüfbar auf 1000 oder sogar auf 500“ verringern könnten (Start-1 lässt jeder Seite immer noch eine Obergrenze von 6000 Sprengköpfen). Iwanow forderte auch, dass ein neuer Vertrag über strategische Abrüstung das Verbot enthalten müsste, dass keine Seite „strategisch offensive Waffen außerhalb des eigenen Territoriums stationieren darf“.

Das soll wohl heißen: Die USA dürfen keine Abfangraketen in Polen in Stellung bringen. Denn, so der Vizepremier: „Die geplante Raketenabwehr in Mittelosteuropa ist Teil der strategischen Infrastruktur der USA, die das russische Atomraketenpotenzial abschrecken soll.“ US-Vizepräsident Joseph Biden wiederholte in München die Bereitschaft der Regierung von Obama, mit den Russen tiefere Einschnitte in die Atomwaffenarsenale zu verhandeln. Von einer Reduzierung bis zu 80 Prozent ist die Rede.

Raketenabwehr infrage gestellt

Was die amerikanischen Raketenabwehrpläne anbetrifft, erklärte Biden: „Wir werden mit der Entwicklung von Raketenabwehrsystemen fortfahren, um Irans wachsenden Fähigkeiten begegnen zu können, vorausgesetzt, die Technologie funktioniert auch und ist kosteneffizient.“ Die Abgeordnete Ellen Tauscher meinte zur Position des US-Kongresses in dieser Frage: „Solange eine weitreichende Raketenabwehr nicht erfolgreich getestet ist, sollte ein solches System auch nicht installiert werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2009)

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