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Nachruf auf Prince: Manchmal schneit es im April

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Prince, epochemachende Musikikone zwischen Funk, Disco und Rock, starb völlig überraschend nur 57-jährig in seinen geliebten Paisley Park Studios.

Sein früher Tod macht genauso fassungslos wie jener von Michael Jackson. Gemeinsam und in erbitterter Konkurrenz bildeten die beiden ein die Achtzigerjahre beherrschendes Doppelgestirn, das afroamerikanische Musikgenres wie Funk und Soul mit Elementen einer in die Eingeweide fahrenden Rockästhetik und avancierter Elektronik mischte und so dem weißen Mainstreampublikum schmackhaft machte. . „Don´t make me black!“ rief er schon 1977 in einem Gespräch mit Lenny Waronker, damals Talentesucher beim Majorlabel Warner, aus.

Der schmächtige Jüngling wollte Musik machen, die sich jeglicher Kategorien widersetzt, eine Musik, die zwischen Rockästhetik und Funk-Machismo vermittelt. Für den afroamerikanischen Autor Nelson George („The Death Of Rhythm & Blues“) war Prince aus diesem Grund schon in den Achtzigern ein Ärgernis. Die „zwei machtvollsten Symbole der Assimilation“, Michael Jackson und Prince, verwischten aus Gründen schnöder Gewinnakkumulation die Spuren ihrer Herkunft. Der Exzentriker Prince ging sogar weiter und sägte an den konventionellen Geschlechterrollen. Er zelebrierte Oberlippenflaum als der Zeitgeist glatte Männergesichter verlangte, dazu trug er Strapse und High Heels.

Schwächen im System

Als er am 29. Mai 1987 erstmals in der Wiener Stadthalle gastierte, um sein opulentes Doppelalbum „Sign O´The Times“ live in einem schmucken Bühnenbild vorzustellen, lieferte er ein Show ab, die sprachlos machte, ob ihrer Bildgewalt. Sexuelle Obsession mit aller denkbaren Ambiguität und Ambivalenz dominierte seine Liedkunst in wunderbar groovigen Balladen wie „If I Was Your Girlfriend“ und „Slow Love“. Die in pfirsichorange und schwarz gekleideten Fans rasteten zu „Housequake“ und „Hot Thing“, „1999“ und „Little Red Corvette“ aus. Und da war noch dieser epochale Song, der den Abend einläutete: „Sign O´The Times“ in dem von einem „skinny man in France“ die Rede war, der an einer „big disease with a little name“ starb. Aids, Crack, eine Gang namens „The Disciples“ – Prince legte den Finger in die Schwächen des amerikanischen Systems, sang über Themen, die hierzulande noch unbekannt waren.

Seinen Durchbruch bei der internationalen In-Crowd feierte er fünf Jahre vorher mit dem fantastischen Doppelalbum „1999“ und Hits wie „Lady Cab Driver“. 1984 wurde er mit dem Album „Purple Rain“ zum globalen Phänomen. Als Gitarrist war er da längst den Größten zwischen Jimi Hendrix und Jimmy Page ebenbürtig. Wie Hendrix seine Electric Ladylandstudios, ließ sich Prince 1988 die Paisley Park Studios bauen, in denen er lebte, liebte, musizierte und nun auch starb. Stets war der nur 1,58m große Musiker von attraktiven Frauen, fast durchwegs Musikerinnen umgeben. Zu seinen großen Heldinnen zählten Joni Mitchell und Mavis Staples, mit der auch Alben produzierte. Prince förderte unzählige Musikerinnen. Die Liste ist lang. Vanity, Sheila E., Wendy & Lisa bis zu Lianne La Havas und 3rd Eye Girl.

Krise in den 90er Jahren

Frauen spielten nicht nur in seinen Konzerten eine tragende Rolle, sie inspirierten ihn zu kreativen Höchstleistungen. Prince balzt mit Hirn und Hoden. Der Mann hatte Stil, aber auch die Chuzpe dem Kamasutra in Liedern wie „Mr. Goodnight“ noch einige Kapitel dazudichten zu wollen. Als ein auch von den Drangsalen des Alters nicht zu stoppender Erotomane, als ewiger Student der Liebeskunst, war er der Wirkung weiblicher Silhouetten und Psychen nur zu gerne ausgeliefert. Der feminine Esprit seiner Konzerte machte noch den hüftsteifsten Konzertbesuchern Tanzbeine. Die Krise kam in den Neunzigerjahren. Aus der gottgleichen Midasgestalt wurde ein Musiker, der plötzlich den Trends nachlaufen mußte, anstatt sie selbst zu setzen. Der Aufstieg von Nu Jack Swing, Hip Hop, R&B und House und Probleme mit seiner Plattenfirma ließen ihn zum Eremiten werden, der nur mehr dann und wann ein musikalisches Statement setzte. Ab 2004 kam er wieder in Form. Alben wie „Musicology“, „Planet Earth“ und „HitnRun Phase One“ zeigt ihn bravourös wie zu seinen besten Zeiten.

Insgesamt gewann Prince sieben Grammy Awards bei 30 Nominierungen. Fünf seiner Songs wurden Nummer 1 in den Billboard Charts, 14 andere erreichten die Top 10. Für die Filmmusik zu „Purple Rain“ erhielt er den Oscar. Nun starb Prince Rogers Nelson, nur 57 jährig. „Sometimes I wish life was never ending“ hoffte er einst auf dem Album „Parade“ in einem Lied, das den Zustand seelischer Vereisung thematisiert. Seinen schockstarren Fans bleibt nur noch in dessen Refrain einzustimmen: „Sometimes it snows in April, sometimes I feel so bad.“ 

(Print-Ausgabe, 22.04.2016)

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