Bootsflüchtlinge ertranken vor der Weihnachtsinsel

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Bei Sturm kenterte ein Boot mit Flüchtlingen vor der australischen Küste. Die Inselbewohner mussten hilflos zusehen, wie die Gekenterten gegen die Klippen geschleudert wurden. Mindestens 28 Personen sterben.

Canberra. Das rettende Land war in greifbarer Nähe, doch ein schwerer Sturm ist Dutzenden Flüchtlingen vor der Weihnachtsinsel zum Verhängnis geworden. Vor den Augen der entsetzten Inselbewohner zerschellte ihr überfülltes Boot an den Felsen. Mindestens 28 Personen kamen ums Leben.

Die Menschen klammerten sich an die Trümmerteile des Bootes, aber die Wucht der Wellen schleuderte viele ohne Überlebenschance gegen das Gestein. Andere wurden vom Sog unter Wasser gezogen und ertranken. „Es war wie ein Horrorfilm in Zeitlupe“, sagte ein Augenzeuge im australischen Rundfunk. „Bei so einem Sturm mit der Strömung und vier Meter hohen Wellen ist das wie eine Waschmaschine“, sagte ein anderer der Inselbewohner. „Es gab kaum Hoffnung für sie.“

Das zwölf Meter lange rote Holzboot tauchte im Morgengrauen vor der Nordostküste der Weihnachtsinsel auf, an der Flying-Fish-Bucht. An Bord waren nach Schätzungen 90 Menschen aus dem Iran und dem Irak, darunter viele Frauen und Kinder. Das Boot muss in der Nacht von der indonesischen Insel Java gestartet sein, die nur rund 360 Kilometer von der zu Australien gehörenden Weihnachtsinsel entfernt liegt. Es ist einer der üblichen Route der Menschenschmuggler, die die Flüchtlinge gegen viel Geld nach Australien bringen.

„Wir konnten absolut nichts ausrichten“

Die Einheimischen waren durch die Schreie der gekenterten Menschen geweckt worden und kamen an die steilen Klippen. Die Nachricht von den Flüchtlingen in Seenot verbreitete sich unter den nur 1400 Einwohnern wie ein Lauffeuer. „Es sah erst gut aus. Das Boot war fast in der Bucht“, sagte ein Augenzeuge der Zeitung „Western Australian“. „Aber dann kam eine Riesenwelle und schleuderte es auf die Klippen. Dann war alles vorbei.“ Die Inselbewohner versuchten, die Flüchtlinge mit Seilen zu bergen und warfen Schwimmwesten ins Wasser, die aber durch den starken Sturm wieder an Land getrieben wurden. „Die größte Tragödie ist, dass wir alle da standen und absolut nichts ausrichten konnten“, sagte einer der Augenzeugen im Rundfunk.

Der Rettungseinsatz dauerte bis zum Einbruch der Dunkelheit an. Die Organisation „Fliegende Ärzte“ barg mit einem Spezialflugzeug drei Schwerverletzte aus dem Wasser. „Wir nehmen an, dass etwa 50 Menschen tot sind und 33 verletzt wurden, aber das ist nicht bestätigt“, sagte Sprecherin Lesleigh Green. 42 Menschen wurden nach Angaben der australischen Regierung gerettet.

Für die Menschen an Bord nahm mit dem Unglück eine wahrscheinlich monatelange, tausende Kilometer weite Flucht nur wenige Meter vor dem Ziel ein schreckliches Ende. Sie wollten in Australien ein neues Leben beginnen. Auf der 135 Quadratkilometer großen Weihnachtsinsel, die tausende Kilometer im Indischen Ozean vom Festland entfernt liegt, befindet sich ein Asylzentrum, in dem Flüchtlinge untergebracht werden, die von der australischen Küstenwacht in Schlepperbooten abgefangen werden. Derzeit sind rund 2000 Menschen in dem vor vier Jahren eröffneten Zentrum untergebracht. Erst wer als Flüchtling anerkannt wird, darf auf das australische Festland.

Premier brach Weihnachtsurlaub ab

Die Flüchtlingstragödie wurde in Canberra sofort zum Politikum. Premierministerin Julia Gillard brach ihren Weihnachtsurlaub ab. Sie steht unter Beschuss der konservativen Opposition. Dass die linke Labor-Partei illegalen Flüchtlingen überhaupt Chancen auf ein Bleiberecht einräume, lade die Schlepper geradezu ein, Menschen zur Weihnachtsinsel zu bringen, kritisieren die Konservativen.

Nach Angaben der Regierung sind im Vorjahr 118 Schlepperboote mit 5609 Menschen aufgegriffen worden. Wie viele es an die Küsten schafften, weiß niemand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2010)

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