Fledermäuse, Gefangene der kalten Nacht

Fledermaeuse Gefangene kalten Nacht
Fledermaeuse Gefangene kalten Nacht(c) AP (MARIO QUADROS)
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Biologie. Dunkelheit bietet auch Kühle, das hat die Flieger hineingelockt und lässt sie nicht mehr heraus.

Warum sind sie in die Luft gegangen, die Fledermäuse, und warum in die Nacht? Beides ist unklar und umstritten: Zur Eroberung der dunklen Luft braucht es gleich zwei zentrale Erfindungen – Flügel und Echolokation –, diese können schwerlich parallel entwickelt worden sein, obwohl eine Hypothese („Tandem“) das vermutet.

Lange setzte man darauf, das die Echolokation zuerst gekommen war: Die Tiere seien zuerst noch flügellos auf Ästen gesessen und hätten die Luft mit Schall auf fliegende Beute abgetastet; dann hätten sie mit den Vorderbeinen zugegriffen; diese seien immer länger geworden, aber für den Hunger nicht lange genug, die Fledermaus-Ahnen seien auch gesprungen, und allmählich hätten sich zur sicheren Landung die Flughäute entwickelt. Aber so kann es nicht gewesen sein: Fledermausrufe sind laut – selbst Winzlinge von vier Gramm erzeugen 124 Dezibel, so viel wie ein nahes Düsenflugzeug, wir hören es zum Glück nicht, es ist Ultraschall –, ihre Produktion erfordert enorme Energie.

sSie kann von Fledermäusen, die irgendwo sitzen, nicht aufgebracht werden, es geht nur im Fliegen: Die Flugmuskeln helfen mit. Also kam das Fliegen zuerst! Aber so kann es auch nicht gewesen sein – wie sollen sie sich in der Nacht orientiert haben? Entweder die ersten Fledermäuse hatten riesige Augen – das hatten sie aber nicht, nach allem, was man weiß –, oder sie stiegen bei Tag in die Lüfte und wechselten erst später in die Nacht. Darauf deuten die bisher letzten Fossilienfunde: Sie sind 52 Millionen Jahre alt und zeigen Flügel, aber keine Echolokation.

Nur: Warum gingen sie vom Licht ins Dunkel? Wieder gibt es drei Hypothesen, zwei setzen auf Vögel: Die eine vermutet, dass es eine Konkurrenz um Futter gab, die andere setzt darauf, dass die Fledermäuse vor Raubvögeln flüchteten. Aber viele von diesen jagen in der Nacht, und dort, wo es nie dunkel wird und auch Fledermäuse ans Licht müssen – in der Mitsommernacht im hohen Skandinavien –, kommen sie mit Vögeln nicht in Konflikt. Aber die Nacht hat noch eine Eigenheit, sie ist nicht nur dunkel, sie ist auch kühl, hier setzt die dritte Hypothese an, die von der Überhitzung: Fledermäuse erzeugen beim Flug viel Abwärme – der Stoffwechsel erhöht sich dann um das Acht- bis 15-Fache –, sie muss irgendwie aus dem Körper. Das geht nicht über den Atem, das geht über die Flügel, sie strahlen ab.

Flucht vor der Hitze des Tages

Das machen sie natürlich auch am Tag, aber da bringt die Sonne Zusatzwärme. Und Fledermäuse sind erstens ungeschützt – sie haben keine isolierenden Federn wie Vögel –, und zweitens haben sie dunkle Schwingen, die nehmen Sonnenstrahlung auf, reflektieren sie nicht. Also sind sie der Kühle wegen in der Nacht, schließt Christian Voigt (Berlin); bei der Entstehung der Fledermäuse sei es ohnehin wärmer gewesen als heute.
Bleibt nur ein Problem: Warum sind die Flügel dunkel? Das bleibt unklar, vielleicht diente es dem Schutz vor nächtlichen Raubvögeln mit scharfen Augen. Aber wo immer die Farbe herkommt: Als sie einmal da war, blieben die Fledermäuse gefangen in der Kühle der Nacht. (Proc. Roy. Soc. B, 5.1.)

("Presse"-Printausgabe, 5. Jänner 2011)

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