Der Tanz um die EU-Steuer

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Symbolbild EU(c) EPA (Vassil Donev)
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Europas rasant steigende Verschuldung könnte schon 2014 100 Prozent seiner Wirtschaftsleistung überschreiten. Der Druck steigt, das EU-Budget zu kürzen - oder neue Geldquellen zu erschließen.

Die rasant steigende Verschuldung der öffentlichen Haushalte Europas bringt ein Thema aufs Tapet, das seit Jahren den Puls von Gegnern und Befürwortern der EU gleichermaßen steigert und bemerkenswerte Allianzen zwischen Kapitalismuskritikern und Vertretern der Industrie zu schmieden vermag: die EU-Steuer. Seit einigen Wochen sickern immer wieder Diskussionspapiere der EU-Kommission an die Medien, die eine derartige eigenständige Finanzierungsquelle der Union zur Debatte stellen.

So berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Montag, die Kommission schlage vor, der EU direkte, eigene Einnahmen zu verschaffen, sprich: eine eigene Steuer einzuführen, die direkt an Brüssel geht, statt aus den Budgets der Mitglieder zu kommen.

Eine Sprecherin des scheidenden EU-Steuerkommissars László Kovács wollte dieses Dokument gegenüber der „Presse“ nicht kommentieren. Sie betonte allerdings, dass die Kommission erstens keine Pläne für eine EU-Einkommensteuer habe, und dass ihr Vorschlag, wie der EU-Haushalt künftig zu finanzieren sei, erst zu Jahresende vorliegen werde.

Spekulationen über die Einführung einer EU-Steuer tauchen Jahr für Jahr wie das Ungeheuer von Loch Ness im Brüsseler Teich auf – und ebenso schnell wieder unter. Um zu verstehen, was wirklich dahintersteckt, muss man sich den milliardenschweren Streit zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern in der EU ins Bewusstsein rufen.

Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande zahlen netto mehr in den EU-Haushalt von heuer rund 116Mrd. Euro oder zirka einem Prozent der gesamten europäischen Wirtschaftsleistung ein, als sie in Form von Subventionen für Landwirte, ärmere Regionen und Forschungsprojekte wieder zurückbekommen.

Aufstand der Nettozahler

Vereinfacht gesagt stammen stets jeweils rund 15Prozent dieses Haushalts aus Zöllen und einem Anteil an der national eingehobenen Mehrwertsteuer, der Löwenanteil von etwa 70 Prozent bemisst sich am Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten.

Schon bisher hat es den Nettozahlern nicht geschmeckt, Jahr für Jahr mehr nach Brüssel zu überweisen, als sie von dort bekommen. Mit dem gemeinsamen Bekenntnis zur europäischen Solidarität – und der Feststellung, dass auch ärmere Gegenden in reichen Ländern EU-Subventionen bekommen – ließen sich ernstere Streitigkeiten meist vermeiden. Einzig Margret Thatcher vermochte es, ihr bei europäischen Gipfeltreffen beharrlich vorgetragenes „I want my money back“ Anfang der 80er-Jahre in den berüchtigten „Briten-Rabatt“ umzumünzen.

EU-Budget gerät unter Druck

Die Erweiterung der EU um zehn postkommunistische, sehr arme Länder in den Jahren 2004 und 2007 hat, verbunden mit der Weltwirtschaftskrise, dem Ringen ums Geld aber eine bittere Schärfe verliehen. Aus Deutschland, Österreich und anderen reichen Ländern hört man seither die Klage, man habe die EU nicht nach Osten erweitert, um dann zuzusehen, wie mithilfe von Förderungen, die aus dem EU-Budget stammen, deutsche und österreichische Arbeitsplätze nach Polen oder Rumänien verlagert werden.

Hier schließt sich der Kreis zur EU-Steuer. Denn es sind typischerweise die Nettozahler oder die Kommission, die sich für diese neue Finanzierungsquelle einsetzen. Die Regierungen hoffen, dadurch den einen oder anderen Rabatt herauszuschlagen (die Einführung einer solchen Steuer ginge ja Hand in Hand mit einer Senkung der EU-Mitgliedsbeiträge). Die Kommission wiederum ist es leid, bei den jährlichen Budgetverhandlungen mitansehen zu müssen, wie die Mitgliedstaaten ihren Budgetvorschlag kleinhacken.

Für das Haushaltsjahr 2010 wird diese Übung besonders blutig ausfallen. Vom Kommissionsvorschlag von rund 122 Mrd. Euro dürfte Mitte November, wenn die Mitgliedstaaten endgültig über ihn befinden, deutlich weniger übrig sein. Das ist kein Wunder, denn von Helsinki bis Rom wühlen die Finanzminister in leeren Kassen. Die Kommission warnt, dass die durchschnittliche Verschuldung aller 27 EU-Mitglieder angesichts der Bankenrettung, der Konjunkturpakete und der steigenden Ausgaben für die Arbeitslosen schon 2014 mehr als 100 Prozent von Europas Wirtschaftsleistung betragen könnte, wie die „Financial Times“ am Montag berichtete.

Drei Steuerquellen

So wird wieder über die EU-Steuer debattiert. Drei Quellen werden bereits seit Jahren erörtert: Finanztransaktionen, eine eigene EU-Mehrwertsteuer oder die Besteuerung von Treibstoffen (vor allem von Kerosin).

(c) Die Presse / GK

Bloß: Was auch immer die Kommission zu Jahresende zum Thema „EU-Steuer“ vorschlägt, das letzte Wort haben die Regierungen. Denn Entscheidungen in Steuerfragen erfordern Einstimmigkeit. Und die hat es für eine EU-Steuer schon bisher nicht gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2009)

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