Ferienjob: Briefträger für einen Sommer

(c) Die Presse (Georgia Meinhart)
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Die Post bringt allen was – den Ferialarbeitern viel Geld und freie Zeit. Wenn sie schnell sind. 2000 Schüler und Studenten arbeiten im Sommer bei der Post.

Vier Uhr 30: der Wecker! Einmal noch umdrehen, noch einmal – bis zu sechsmal kann Sebastian Badics die Schlummer-Taste drücken, das geht sich aus. Dann fängt sein Arbeitstag als Briefträger an. Um 5.30 Uhr mit dünnem Kaffee aus einem braunen Plastikbecher in der Zustellbasis Linz-Urfahr. Zehn Wochen lang. Fast den ganzen Sommer geht das schon so.

„Der wichtigste Job dabei ist das Sortieren“, sagt der 26-jährige Student der FH Wien (Personal- und Wissensmanagement). Bevor er im nächsten Semester mit seiner Diplomarbeit startet, verdient er sich daheim in Oberösterreich das Geld für ein bis zwei Monate Urlaub im Jahr, heuer in Frankreich und Spanien.

Das Schönste am Job: Viel Zeit

Badics weiß, worauf es hier ankommt: „Ein Fehler beim Sortieren, und es kann passieren, dass du ein und denselben Weg dreimal zurücklegen musst.“ Und das könnte das Schönste am Job verderben: Dass er, wenn man schnell arbeitet, bald vorbei ist. Zwischen 12 und 14 Uhr ist meistens Feierabend für den 26-Jährigen, der schon fast ein alter Hase ist – vor zehn Jahren war er das erste Mal Ferial-Postler: „Ich brauche an einem neuen Einsatzort einen Tag Einschulung: Jemand, der das noch nie gemacht hat, schon zwei oder drei.“

Das Sortieren und Zustellen selbst sieht bei Badics noch so schnell und leicht aus wie eine Aufwärmrunde bei einem Marathonläufer. „Richtiger“ Sport ist für ihn aber meist erst nach der Arbeit dran, „Ausdauer- und Krafttraining, später geht's dann zum Badesee oder zum Klettern.“

Hohe Zulagen

Das Beste am Job ist die Bezahlung: Den eher brustschwachen Grundlohn von 820 Euro im Monat fetten Anteile von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Zulagen auf 1200 bis 1400 Euro auf – netto.

Badics ist der „0060er“, zuständig für den Auberg-Rayon in Linz-Urfahr. Die Gangordnung schreibt vor, in welcher Reihenfolge die Straßen des Rayons beliefert werden sollen. „Darauf wird großer Wert gelegt, Schließlich sind auch die Leute gewohnt, ihre Post immer zur selben Zeit zu bekommen“, erklärt der Student.

In 680 schmale Fächer über seinem Arbeitstisch, für jeden Haushalt eines, sortiert er Briefe, Postkarten und kleine Päckchen und lässt sie, in übersichtliche Stapel gebunden, in hohen Säcken verschwinden. „Großstücke“ packt er einzeln dazu und hievt die unhandlichen Dinger in einen der postgelben VW Caddys vor der Tür: „Sie sollten halt nicht so schwer sein, dass man sie nicht mehr heben kann.“ Wenn er damit fertig ist, so gegen 7 Uhr, wird es erst so richtig anstrengend.

„Am grünen Hang“ heißt eine der Straßen im Auberg-Rayon. Hinter dunkelbraunen Holzzäunen grüßen dort schon ein paar verschlafene Bewohner ihren Briefträger und nehmen die Post gleich persönlich entgegen. Es geht steil bergauf, Badics scheint das nichts auszumachen, er sprintet in Seitengassen, sein Zustellkarren wird immer leichter. Eine ältere Dame ist sich zuerst nicht ganz sicher, ob alles mit rechten Dingen zugeht. „Und sie sind von der Post?“, fragt sie den Ferialpostler in Shorts und T-Shirt, der ihr eine Nachnahmesendung zustellt. „Ja, freilich zahl ich das“, sagt sie, als die Identität des unbekannten Briefträgers geklärt ist, und wünscht noch einen schönen Tag.

No-Go: Hunde und Drinks

Im nächsten Haus soll ein Paket abgeliefert werden. „Der ist nie zu Hause“, sagt der 26-Jährige und stellt das Paket am Eingang ab. Das will der Empfänger so. Nachdem er keinen scharfen Hund habe, gehe das auch in Ordnung: „Am Land ist das anders als in der Stadt. Dort muss man schon aufpassen.“

Aufpassen müsse man auch mit den gut gemeinten Erfrischungen: In Ansfelden oder Leonding, wo Badics schon mit der Post unterwegs war. Dort stand oft schon ein Glas Most oder mal ein Stamperl Schnaps auf dem Tisch: „Das geht natürlich nicht. Ich hab' dann halt immer einen Süßmost getrunken.“

So unmittelbarer Kontakt zum Kunden entsteht im Rayon 0060 nicht. In den Mehrparteienhäusern in der Nißlstraße öffnet der „Z-Schlüssel“ der Post die Eingangstür. 65 Namen in der Hausnummer 26: „Für mich ist das wie ein Memory-Spiel.“ Schwierig wird es, wenn Namen falsch geschrieben werden, oder die Hausnummer fehlt. Typische Fehler in der Ferienzeit. Eine der Urlaubskarten ist auch in diesem Haus in der Nißlstraße falsch adressiert: „Ich weiß, dass das die Hausbesorgerin aus der Nummer 24 ist“, sagt Badics und geht mit der Karte, dem nächsten Stapel Briefen und einem Stapel Reklame eine Straße weiter. Immer der Gangordnung nach. Jetzt ist es 8 Uhr, es hat 19,5 Grad Celsius, Badics liegt gut in der Zeit.

Nach 680 Haushalten, nach der die nicht zustellbaren Sendungen des Tages zurückgeschickt wurden, wird er die Zustellbasis verlassen. Einen Arbeitstag mehr hinter sich. Einen Tag am Badesee noch vor sich.

Auf einen Blick

Neue Serie: Die „Presse“ hat Schüler und Studenten bei ihren Jobs begleitet: Die Serie „Ferialjob“ zeichnet in den kommenden Wochen Ferien-Berufsbilder nach.

Post: Mehr als 2000 Ferialarbeitertragen im Sommer Briefe aus. Sie bleiben zwischen drei und sechs Wochen. Verdienst: 1200 bis 1400€ – so viel gibt es selten für einen Ferienjob. Die Arbeitszeit hängt von der Leistung ab – je schneller die Post an der richtigen Adresse landet, desto früher kommt man heim.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2008)


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