Junior Enterprises: Sandkastenspiele für Karrieristen

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Sandkasten(c) BilderBox.com (Erwin Wodicka)
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Mit semiprofessionellen Unternehmens-Beratungen versuchen immer mehr Studenten, schon während der Ausbildung Kontakte zu knüpfen – und ihr berufliches Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

WIEN/Innsbruck. Die Theorie beherrschen sie, doch an der Berufserfahrung mangelt es. Uni-Absolventen bleibt der direkte Einstieg in die Privatwirtschaft damit oft verwehrt. Das abgeschlossene Studium allein reicht vielen Personalchefs nicht mehr als Qualifikation für einen Job: Die Zahl der Stellen ist gering, jene der Bewerber groß. Die angespannte Wirtschaftslage erschwert die Jobsuche zusätzlich. Für Akademiker sei der „unmittelbare Eintritt in den Arbeitsmarkt mit einer fixen unbefristeten Vollzeitanstellung nicht mehr selbstverständlich“, heißt es in einer Studie des Arbeitsmarktservice.

Immer mehr Studenten wollen dem früh gegensteuern – und sich einen entscheidenden Vorsprung im Konkurrenzkampf der Jungakademiker sichern. Mehr als 200 haben sich in ganz Österreich zu sogenannten Junior Enterprises zusammengeschlossen. Diese verstehen sich als eine Art studentische Unternehmensberatung und bieten Konzernen ihr studentisches Wissen an – im Austausch für Kontakte, etwas Berufspraxis und bessere Einstiegsmöglichkeiten nach dem Studienabschluss.

Kontakt zu großen Unternehmen

Noch sind die Junior Enterprises in Österreich dünn gesät und in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Insgesamt sieben sind in dem internationalen Dachverband Jade organisiert (siehe unten). Zu ihren Kunden aus der Privatwirtschaft zählen vor allem Klein- und Mittelunternehmen, wie Marlies Sandbichler von icon-s, der größten derartigen Studentenorganisation in Österreich mit Sitz in Innsbruck und Wien, erzählt. Insgesamt 50 Studenten arbeiten ehrenamtlich bei icon-s und bieten Dienste im Marketing- und Eventbereich an. Unternehmen können sie vor allem für Konkurrenz- und Marktanalysen buchen.

Große Namen finden sich unter den Kunden der Wiener Studentengruppe uniforce, die mittlerweile sogar eine GmbH gegründet hat. Gearbeitet habe man schon mit dem Erdölkonzern BP, dem Internet-Auktionshaus eBay und Kodak, sagt Fabian Lebersorger, Geschäftsführer von uniforce. Der 22-Jährige, der an der privaten Webster University Wien Business Administration studiert, ist schon seit drei Jahren in der Branche und vom Konzept der Junior Enterprises begeistert. „Wir können mit unserer Arbeit Kontakte knüpfen, die bei einem einfachen Praktikum niemals möglich wären“, sagt er.

Ein weiterer Vorteil: „Die Studenten können ihr theoretisches Wissen in der Praxis erproben“, sagt Sandbichler. Außerdem lädt die Organisation Vertreter der Unternehmen zu Karrieretagen und Kamingesprächen. Davon wollte auch der 24-jährige BWL-Student Philipp Baumgaertel profitieren, der seit einem Jahr bei icon-s mitarbeitet – bis zu 20 Stunden in der Woche, und das ohne Bezahlung. „Ich habe früher bereits Praktika bei Unternehmen gemacht, dabei aber schnell gemerkt, dass mir das nicht reicht.“ Jetzt lerne er regelmäßig Leute aus der Branche kennen und habe sich mit anderen interessierten Studenten vernetzt.

Doch warum vergeben internationale Konzerne überhaupt Aufträge an semiprofessionelle Studentengruppen? „Weil auch sie von der Zusammenarbeit profitieren“, sagt Lebersorger. „Wir verfügen über aktuelles Wissen aus den Lehrbüchern, das die Unternehmen oft gar nicht haben. Zudem haben wir einen interdisziplinären Zugang.“ Die meisten Mitarbeiter der Junior Enterprises studieren Wirtschaft, Psychologie, Publizistik oder Soziologie.

Sandbichler sieht die Stärke von icon-s in den guten Kontakten zu Studenten und jungen Menschen. „Wir sind die optimale Schnittstelle zwischen Uni und Wirtschaft. Das schätzen unsere Kunden.“ Zudem seien die Studenten engagiert und jederzeit einsatzbereit. Und das zu günstigen Preisen – denn das Engagement bei icon-s ist rein ehrenamtlich. Die Dienstleistungen werden den Unternehmen daher billig angeboten. „Zu unseren Kunden zählen Firmen, die sich eine Beratung durch professionelle Agenturen oft gar nicht leisten könnten“, sagt Sandbichler.

„Netzwerke sind unsere Stärke“

Der Service von uniforce ist teurer, die Studenten für externe Projekte erhalten hier jedoch auch eine Bezahlung – der Stundensatz, den die Organisation ihren Kunden verrechnet, liegt bei bis zu 300 Euro. „In guten Zeiten verdient man bei uns wesentlich mehr als in herkömmlichen Studentenjobs“, sagt Geschäftsführer Lebersorger. Wie viel, das möchte er nicht verraten.

Dass die jungen Unternehmen noch mehr Potenzial haben, darin sind sich ihre Mitglieder einig: „Österreichs Unis haben deswegen so ein schlechtes Image, weil Studenten keine Netzwerke bilden können. Hier liegt unsere Stärke“, sagt Sandbichler. Im internationalen Vergleich hinken die österreichischen Junior Enterprises bislang hinterher, Vereine in Ländern wie Frankreich oder Deutschland gelten hierzulande als Vorzeigemodelle.

Wirklich eilig scheinen es die heimischen Organisationen dennoch nicht zu haben, neue Mitstreiter zu finden – sie wollen sich einen gewissen Standard an Exklusivität nicht nehmen lassen. Wer mitmachen will, muss sich einem Hearing stellen oder darf nur auf Probe arbeiten. Den erhofften Vorsprung am Arbeitsmarkt wollen die Jungunternehmer schließlich nicht einfach verschenken.

AUF EINEN BLICK

Junior Enterprises sind kleine Unternehmen, die von Studenten geleitet werden. Diese können dort ihr theoretisches Wissen in der Praxis erproben und sich durch gute Branchenkontakte den Berufseinstieg erleichtern. Die Kooperationspartner profitieren vor allem von niedrigen Preisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2009)

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