Bayern-Wahl: CSU vertagt das große Köpferollen

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huber beckstein(c) Reuters (MICHAEL DALDER)
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Nach dem Debakel verordnet sich die Partei eine geordnete Debatte über die Ursachen des Absturzes. Doch die Tage von Parteichef Huber und Ministerpräsident Beckstein sind gezählt. Edmund Stoiber mischt mit.

BERLIN/MÜNCHEN. Edmund Stoiber war an seinem 67. Geburtstag nicht zum Feiern zumute. Exakt ein Jahr, nachdem er die CSU mit Glanz und Gloria an seine Nachfolger übergeben hatte, lag seine Partei in Trümmern. „Es ist für mich der bitterste Moment in meinem politischen Leben“, diktierte er den Reportern vor dem Franz-Josef-Strauß-Haus, dem CSU-Hauptquartier in München, sichtlich niedergedrückt – oder womöglich auch in gespielter Verzweiflung – in die Mikrofone. Selbst in seinem Wahlkreis, einer oberbayerischen CSU-Hochburg, gingen mehr als 20 Prozent verloren. Ein harter Schlag für einen Matador wie ihn, auf den gewohnheitsmäßig mehr als 60 Prozent der Stimmen entfielen.

Keine zwölf Stunden nach dem Wahldebakel hatten die ersten Polit-Gurus den langjährigen Ministerpräsidenten wieder ins Spiel gebracht, um die niedergeschmetterte Partei zu konsolidieren – gewissermaßen nach dem SPD-Modell Müntefering: ein Patriarch, der als Retter in der Not aus der Rente geholt wird. Was einer verunsicherten und verzagten Partei wieder auf die Beine helfen soll, ist zugleich ein Akt der Revanche gegenüber seinen Nachfolgern, die ihn ums Amt gebracht haben. In den vergangenen Tagen hat Stoiber angeblich eifrig die Strippen gezogen und mit seinen Vertrauten Horst Seehofer und Markus Söder konferiert – eine unheilige Trias. Die Stoiber-Protegés machen sich Hoffnungen auf einen Machtwechsel in München.

Arroganz und Machtrausch

Doch vor allem CSU-Chef Erwin Huber war fest entschlossen, seinem einstigen Herrn und Meister Paroli zu bieten. Der Niedergang, so streute er in seiner Verteidigungsrede vor der Krisensitzung der Spitzengremien am Montag, habe nicht erst mit der Amtsübergabe im Vorjahr begonnen, sondern schon unter der Ära Stoiber. Tatsächlich überdeckte Stoibers Triumph bei der Landtagswahl vor fünf Jahren, bei der er durch eine günstige Fügung eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate erzielte, die Defizite, die sich bereits damals auftaten. Ausgestattet mit der Macht eines absoluten Herrschers fiel Stoiber der Arroganz anheim. Sein rigoroser Sparkurs brachte die Wähler gegen die allmächtige CSU auf, seinen überhasteten Rückzug aus Berlin quittierten die Bayern als Blamage.

Palastrevolte fiel aus

Eine neuerliche Palastrevolte blieb am Montag fürs Erste aus. Es gab keine Abschlachtung, es gab nicht einmal ein Bauernopfer. Sogar Generalsekretärin Christine Haderthauer, hauptverantwortlich für einen recht lahmen Wahlkampf, rettete zunächst ihren Kopf. Ihr Rücktritt schien beschlossene Sache, doch Huber warf sich für sie in die Bresche.

Das Führungsduo Huber/Beckstein hat trotz heftigem Rumoren der Partei vorerst Ruhe verordnet. In den nächsten Tagen kommt zuerst die CSU-Landesgruppe zusammen, danach die schwer dezimierte Landtagsfraktion. Für den 13. Oktober hat die CSU eine eintägige Klausur anberaumt, in der sich die Parteigranden eine schonungslose Aufarbeitung des Wahlfiaskos vorgenommen haben. Und schließlich folgt ein Sonderparteitag am 25. Oktober. Ob bis dahin die Ruhe in der Führungsdebatte anhält, ist allerdings höchst zweifelhaft, zumal Huber selbst erklärt, er klebe nicht an seinem Amt.

(c) Die Presse / MZ

Als wahrscheinlich gilt deshalb die Kür eines neuen Vorsitzenden. Favorit ist weiterhin der bei der Basis höchst populäre, bei den Funktionären dagegen ungeliebte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer, der auch in Berlin einiges Gewicht in die Waagschale werfen könnte. Beckstein könnte dagegen übergangsweise die Agenden des Ministerpräsidenten weiterführen. Angesichts der Vielzahl an Wahlen im kommenden Jahr – Bundespräsidenten-, Europa-und Bundestagswahl – wäre ein zu radikaler Führungswechsel zu riskant. Für die CSU geht es dabei darum, die Scharte der Landtagswahl auszuwetzen und die Position der alten Stärke wiederzugewinnen. Edmund Stoiber kündigte an, sich als „Ehrenspielführer“ wider stärker einzubringen. Die Kapitänsschleife wird er jedoch wohl nicht mehr überstreifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2008)

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