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The Cure: Alte Buben weinen nicht, aber sie klagen ausdauernd

(c) APA (Herbert P. Oczeret)
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Auch in der Drei-Stunden-Liga: The Cure, seit 1979 im düsteren Sektor tätig, spielten im Wiener Gasometer fast ihr ganzes Oeuvre.

The Cure waren da, im Beton des Gasometer, und es war alles schon da gewesen. „A thousand times before“, diese Zeitangabe, mit belegter Stimme vorgetragen, kommt in gefühlten tausend Cure-Songs vor, wie die halbherzige Aufforderung „one more drink“, wie der Blick auf den Boden, wie der schwere Regen und die allgemeine Müdigkeit.

All das schon im ersten Song, „Open“! Ein Pop-Künstler, der ein Konzert so beginnt, quasi alle seine Klischees auf einmal auf den Tisch legt, muss ziemlich viel Selbstironie haben oder viel Vertrauen in seine Kunst. Bei der Selbstironie weiß man bei Robert Smith nicht so recht, die Frisur spricht dafür; Vertrauen kann einer haben, der ohne auch nur irgendwie aktuelles Werk die Hallen problemlos mit Jung und Alt füllt.

Und dabei, wie gesagt, von Anfang an keinen Zweifel an seiner Botschaft lässt: Das Leben ist nicht leicht, und um das zu erklären, bedarf es der epischen Breite. Drei Stunden spielten The Cure, ließen sich Zeit und nochmals Zeit, drei lange Stunden, und wer sagt, dass ihm während des ganzen Konzerts nie langweilig war, heuchelt – grundlos, denn Langeweile ist unbestreitbar eine Essenz dieser Kunst des öffentlichen Leidens. „Too many tears“ und „too many years“, wie es später in einem Song (namens „The Edge of The Deep Green Sea“) hieß, aber es geht weiter, immer weiter, wer muss sich da für ein dezentes Gähnen schämen?

Dabei hat Robert Smith seine Musik wohltuend entschlackt, hat seine Band auf Quartettformat reduziert, die üppigen Keyboards gestrichen, die das Spätwerk der Cure (und das begann so zirka 1986) oft belasteten, die das Zuckerlrosa, das Smith gern zu Schwarz kombiniert, allzu fett glänzen ließen. Das wird ihm als praktizierenden Verfechter der opulent orchestrierten Ohrenbeichte, vielleicht nicht leicht gefallen sein, aber es wirkt. Es gibt auch den beharrlichsten Wellen der Melancholie den Anschein, als könnten sie irgendwann brechen, als ob, wer weiß, auf eine Strophe vielleicht doch einmal ein richtiger Refrain folgen könnte, und nicht nur eine weitere Strophe, halt ohne Gesang...

Aber man soll nicht spotten über ältere Herren, die den Schmerzen ihrer Jugend treu geblieben sind und sie ganz sachte in Wehmut verwandelt haben. Die ganz offensichtlich Angehörigen vieler, auch junger Jahrgänge aus der Seele spricht: Dieses Lebensgefühl mag heute eher unter „Emo“ firmieren, aber die „Dark Wave“, die The Cure einst prägten, wogt, so lange junge Männer den Cajalstift ihrer Mutter entdecken und junge Frauen sich entschließen, ihr Doppelkinn affirmativ zu tragen.

Aus Schwarz mach Grau

Dass sie einst aus einer „New Wave“ kam, daran erinnerte die letzte halbe Stunde des Konzerts: Songs aus dem ersten Album, „Boys Don't Cry“ und „Killing An Arab“ natürlich, aber auch „Fire In Cairo“, Three Imaginary Boys“, „10.15 Saturday Night“... Wie konturiert, wie scharf, wie bedrohlich das doch klang! Wie pubertär! Und wie ernst.

Es ist halt so: Auch das Schwarz des Gemüts ist nach tausend Waschgängen ergraut. Im Grunde eine tröstliche Botschaft, ein Rezept dafür, wie man überlebt und alt wird und tausend Songs darüber schreibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2008)

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