Das grüne Irland versinkt in roten Zahlen

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gruene Irland versinkt roten(c) AP (JOHN LUMPKIN)
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Die Sanierung der Anglo Irish Bank treibt das irische Defizit auf 32 Prozent des BIPs. Dennoch gibt es auf den Finanzmärkten keine Panik wie bei Griechenland – zu Recht?

Dublin.Was ist der Unterschied zwischen Griechenland und Irland, der die Märkte zu völlig unterschiedlichen Reaktionen bewegt? Als das Budgetdefizit in Griechenland im Frühjahr auf die 14-Prozent-Marke zusteuerte, erschütterte eine derartige Krise die Eurozone, dass ein Paket von 650Mrd. Euro zur Rettung der Gemeinschaftswährung notwendig wurde. Als hingegen Irland am Donnerstag eingestand, dass die Kosten der Bankenrettung das Defizit auf beispiellose 32Prozent treiben werden, war die allgemeine Reaktion – Erleichterung: „Die Märkte wollen Klarheit, und die haben wir jetzt“, sagte stellvertretend ein Analyst der ING-Bank.

Dabei hatte die irische Nationalbank ein wahres Horrorszenario veröffentlicht: Die Rettung der im Vorjahr verstaatlichten Anglo Irish Bank werde zwischen 29,3 und – im Fall weiterer Belastungen – bis zu 34,3 Mrd. Euro kosten. Bisher hat die Regierung bereits 22,9 Mrd. in die Bank gesteckt. Finanzminister Brian Lenihan verteidigte das Investieren in dieses Fass ohne Boden: „Ein Zusammenbruch von Anglo Irish hätte unser Land in die Insolvenz gedrückt. Dieser Albtraum verfolgt uns seit 2008, und es war Zeit, dass wir uns darum kümmern.“

Doch damit nicht genug: Auch die Allied Irish Bank braucht laut Nationalbank weitere drei Milliarden, die Wohnbaubank Irish Nationwide noch einmal 2,7 Mrd. Die Regierung muss also umgehend mindestens 12,8 Mrd. Euro zusätzlich in die drei Banken stecken. Lenihan versprach aber: „Das sind die letzten Zahlen“, damit seien die Banken „mit reinen Bilanzen wieder bereit, normale Geschäfte zu machen“.

Der Preis dafür ist enorm. Die Gesamtverschuldung des vor wenigen Jahren noch schuldenfreien Irland steigt auf 98,6Prozent. Zieht man davon allerdings Werte wie die Milliarden des staatlichen Pensionsfonds ab, reduziert sich der Wert auf 70,4 Prozent.

Das ist ein erster Unterschied zu Griechenland. Ein zweiter ist, dass Irland in keiner akuten Liquiditätskrise steckt. Das Land hat sich durch den Verkauf von Staatsschuldscheinen (vorwiegend an die EZB, heißt es) mit Milliarden an Cash eingedeckt. Trotz zweier Rating-Rückstufungen in Folge ist der Zugang zum Kapitalmarkt weiter offen. Lenihan kündigte an, dass Irland bis „Anfang nächsten Jahres“ keine weiteren Bonds begeben werde: „Wir stehen unter keinem Druck.“

Um glaubwürdig zu sein, muss die Regierung nun alle Konzentration auf die Sanierung des Haushalts legen. Nach Kürzungen von vier Mrd. Euro im heurigen Budget wollte man im kommenden Haushalt drei Milliarden einsparen. Nun legt es Lenihan ambitionierter an: Bis Ende November versprach er die Vorlage eines Plans, wie innerhalb der nächsten vier Jahre die Maastricht-Defizitgrenze von drei Prozent erreicht werden soll. Angesichts der Tatsache, dass die irische Wirtschaft im zweiten Quartal mit einem Minus von 1,2 Prozent in die Rezession zurückgefallen ist und die Arbeitslosenquote einen Rekordstand von 13,8 Prozent erreicht hat, herrscht allgemeine Skepsis über die Erreichbarkeit dieses Ziels.

Die EU-Partner und die Märkte reagierten dennoch positiv auf das „Coming-out“ Irlands. Die „Spreads“ auf irische Staatsschulden fielen von einem Rekordstand von 470 am Vortag auf 450 Basispunkte. Der Vorsitzende der Eurozone, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, zeigte sich zuversichtlich, dass Irland den Euro-Rettungsfonds „nicht brauchen wird“.

Skeptisch fällt hingegen die Beurteilung des Ökonomen Constantin Gurdgiev vom Trinity College Dublin aus. Im Gespräch mit der „Presse“ bezweifelte er, dass die neuen Zahlen tatsächlich die letzten sein werden: „Die Regierung erklärt nicht, wie sie auf ihre Zahlen kommt.“ Seine eigene Schätzung liege derzeit bei 67 Mrd. Zwischen Griechenland und Irland erkennt Gurdgiev nur einen Unterschied: „Den Zeitpunkt. In sechs Monaten sind wir dort, wo Griechenland vor sechs Monaten war.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2010)

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