Die NATO wird 60 - und leidet unter leichten Erweiterungsstörungen.
Aus der von der NATO geplanten Erweiterung um drei der sogenannten Westbalkan-Staaten - Kroatien, Albanien und Mazedonien - zum 60.Geburtstag der NATO wird nichts. Aufgenommen werden nun zwar Albanien und Kroatien, das bis zuletzt um die Aufnahme zittern musste, Mazedonien bleibt der Beitritt bis auf weiteres verwehrt. Die umstrittene Erweiterung der NATO offenbart die derzeit dominante Problemlage europäischer Politik. Einzelne NATO- und EU-Mitglieder versuchen eigene nationale Interessen durchzusetzen, indem sie die Aufnahme neuer Staaten, mit denen sie in bilateralen Streitigkeiten sind, in den „Club" verhindern. Jüngste Beispiele dieser Tendenz sind der Widerstand Griechenlands gegen die transatlantische und EU-europäische Integration Mazedoniens ebenso wie die slowenische Blockadepolitik gegenüber dem kroatischen EU- und NATO-Beitritt.
Nun ist die Durchsetzung nationaler Interessen der außenpolitische Kernbereich staatlicher Politik schlechthin, doch sind der absoluten Durchsetzung um jeden Preis gerade zwischen demokratischen Staaten, die noch dazu ihre Interessen gemeinschaftlich organisiert haben, deutliche Grenzen gesetzt. So scheint es zumindest erklärungsbedürftig, warum Griechenland und Slowenien ihre nationalen Interessen der NATO (und der EU) oktroyieren können. Diagnostiziert werden kann ein europaweites revival des Nationalismus, der weniger mit objektiven, sondern mit zugeschriebenen Problemlagen argumentiert, um daraus politische Vorteile zu ziehen.
Bei den Inhalten der bilateralen Konflikte, die von Griechenland und Slowenien zum Aufnahmehindernis in NATO (und EU) hochstilisiert werden, handelt es sich nämlich mitnichten um den Kernbestand oder die weitere Entwicklung der boykottierenden Staaten infrage stellende Materien. Weder ist der Staatsname Mazedoniens für Griechenland noch die exakte Grenzziehung der slowenisch-kroatischen maritimen Grenze für Slowenien von solch existentieller Bedeutung. An den territorialen Grenzen der Allianz gelegen, sind Griechenland und Slowenien vielmehr gate keepers, die ihren Einfluss in der Erweiterungsfrage überproportional zu ihrer sonstigen Bedeutung ausdehnen können. Und diese Rolle nicht zuletzt durch eine neuerliche Erweiterung an andere verlieren würden. Dabei ist es wenig wahrscheinlich und auch nicht entscheidend, ob ihnen dieser politische Maximalismus innerhalb der NATO schadet. Sie setzen damit jedenfalls ein Signal, dass dieser Boykott nicht nur gegen die Interessen potentieller Mitglieder, sondern auch gegen die Organisation, der sie selber angehören, möglich ist. Und fügen ihr damit jedenfalls Schaden zu, was ihre interne und externe Glaubwürdigkeit und Stärke angeht.
Die griechische Blockade ist dabei effizienter als die slowenische und die Erweiterungsfähigkeit der NATO ist weniger in Mitleidenschaft gezogen als die der Europäischen Union. Während Griechenland Mazedonien vollkommen isoliert, tritt Kroatien, für das Slowenien Gleiches vorhatte, nun doch zumindest der NATO als neues Mitglied bei, wenn auch sein EU-Beitritt bis auf weiteres verschoben ist. Für die geringere Anfälligkeit der NATO für nationale Boykotte sind zwei Gründe ausschlaggebend. Dem transatlantischen Sicherheitsbündnis mit seiner alten Agenda der kollektiven Verteidigung und der neuen Agenda der begrenzten Intervention, die sie übrigens anlässlich ihres 50. Geburtstages mit der Kosovo-Intervention aus der Taufe hob, ist die fortlaufende Erweiterung ein intrinsischeres Bedürfnis als der Europäischen Union. Und schlußendlich spielt die USA in der NATO die tragende Rolle. Diese macht es ihr ebenso einfach Kroatiens Beitritt aktiv zu betreiben wie sie sich davor scheut Griechenland dauerhaft zu vergraulen. Der Europäischen Union, der ein ähnliches politisches Schwergewicht fehlt, wird die Rechnung in Form von an nationalen Einzelinteressen abprallenden Vergemeinschaftungserfolgen am laufenden Band serviert. In diesem Sinne: Happy Birthday, NATO!
Zur Person
Dr. Henriette Riegler, Senior Researcher, Österreichisches Institut für Internationale Politik, derzeit Institut za Medunarodne Odnose, Zagreb