Grüne Welle auf Teherans Straßen

(c) EPA (ABEDIN TAHERKENAREH)
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Der Machtkampf im Iran geht weiter: Für Donnerstag ist ein Trauermarsch für die Demonstranten geplant, die bisher ums Leben gekommen sind. Nach dem Freitagsgebet werden Zusammenstöße befürchtet.

Die Demo-Anweisungen kommen über den Internetservice Twitter. „Der grüne Tsunami kommt aus zwei Richtungen – Teheran Universität via Enghelab-Straße und Haft-e-Tir- via Vanak-Platz – MOUSSAVI BESTÄTIGT“. Im Klartext: Am Mittwoch gab es wieder Massendemonstrationen in Teheran, rund 250.000 Menschen sind, einem Aufruf von Mir Hussein Moussavi folgend, die Enghelab-Straße zum Haft-e-Tir-Platz gezogen. Die Polizei hielt sich – ebenso wie gestern – im Hintergrund. Offenbar will die iranische Führung den Konflikt derzeit nicht weiter eskalieren lassen. Augenzeugen berichteten, dass manche Polizisten den Demonstranten aufmunternd zugenickt hätten. Robert Fisk, legendärer Reporter des Londoner „Independent“, berichtet aus Teheran, dass Polizisten auf Bitten der Demonstranten, sie vor der Gewalt der brutal vorgehenden Basij-Milizen zu schützen, gesagt hätten: „Inshallah, das werden wir tun, so Gott will.“


Die Verhaftung einiger Generäle der Sepah-e Pasdaran passt ins Bild: Die politische Führung wirft ihnen vor, mit den Oppositionellen gemeinsame Sache gemacht zu haben. Und noch ein weiteres Faktum dürfte den Teheraner Machteliten einige Sorge bereiten: Die Protestbewegung, die zuerst vor allem von Studenten und der sogenannten Lifestyle-Bewegung getragen wurde, gewann zunehmend an Breite. Je länger die Proteste andauerten, umso bunter wurde das Bild, das die Demonstranten vermittelten. Es waren längst nicht mehr nur die jungen, schicken Frauen mit ihren großen Sonnenbrillen und die verwegenen Burschen mit ihren nagelneuen Jeans aus dem bürgerlichen Nordteheran, die an den Demos teilnahmen. Frauen im Tschador, ältere Herren, der ganze Querschnitt der iranischen Gesellschaft war vertreten. Selbst Fußballer der Nationalmannschaft trugen bei einem Match grüne Armbänder als Zeichen der Solidarität.

Der grüne Tsunami geht weiter


Die Proteste werden weitergehen: Für heute, Donnerstag, sind Trauermärsche für die bei den Protesten ums Leben gekommenen Demonstranten angekündigt. Zuletzt wurde ein Toter aus der Stadt Isfahan gemeldet, in Teheran sind bisher mindestens acht Menschen ums Leben gekommen. Und morgen, Freitag, werden wieder beide Lager aufeinandertreffen. Der oberste Führer, Ayatollah Ali Khamenei, wird selbst das traditionelle Freitagsgebet an der Universität Teheran sprechen; das Oppositionslager hat angekündigt, wieder auf die Straße zu gehen. Die Oppositionellen, die sich rund um Mir Hussein Moussavi versammelt haben, fordern nichts weniger als eine Wiederholung der Wahlen. Eine Neuauszählung einiger Stimmbezirke, wie das von Revolutionsführer Khamenei als Kompromiss in Aussicht gestellt worden war, genügt dem Reformlager nicht.


Die Vertreter der Zivilgesellschaft haben sich ebenfalls in diesem Sinn zu Wort gemeldet: Shirin Ebadi, Trägerin des Friedensnobelpreises, eine der führenden Anwälte des „Zentrums für Menschenrechte in Iran“, fordert eine „Wiederholung der Wahlen“.  In einem Interview mit dem von den USA finanzierten Radio Farda sagte Ebadi: „Ich glaube nicht, dass die nochmalige Stimmzählung diesen Forderungen Genüge tut. Es muss Neuwahlen geben, damit es für die Bevölkerung keinen Grund mehr für Zweifel gibt.“


Großayatollah Hussein Ali Montazeri, ursprünglich designierter Nachfolger von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, meinte, „kein Mensch, der recht bei Verstande“ sei, könne diese Wahl als gültig ansehen. Ein Regime, das das Wählervotum nicht respektiere, habe keine „politische und religiöse Legitimation“.

Ayatollah Rafsanjani vermittelt


Gleichzeitig heißt es, dass Ayatollah Akbar Hashemi Rafsanjani, ein einflussreicher Kleriker und ehemaliger Präsident der islamischen Republik, versucht, hinter den Kulissen zu vermitteln. Rafsanjani gehört dem sogenannten Expertenrat an, einem mächtigen Gremium von Klerikern, das Revolutionsführer Khamenei seines Amtes entheben kann, verfügt also über ein Druckmittel gegenüber Khamenei.


Khamenei gerät vonseiten moderater Kleriker zunehmend unter Druck: Er habe sein Schicksal zu eng mit jenem von Präsident Mahmoud Ahmadinejad verknüpft.

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