"Das ist Krieg in Libyen": Gaddafi schlägt brutal zurück

Krieg Libyen Gadhafi schlaegt
Krieg Libyen Gadhafi schlaegt(c) AP (ANDREW MEDICHINI)
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Immer brutaler geht Diktator Gaddafi gegen die Proteste im Land vor. Nach außen dringen soll davon nichts: Internet und Telefone wurden gekappt. Aus mehreren großen Städten werden Kämpfe mit vielen Opfern gemeldet.

Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi schlägt brutal zurück: Die Lage im nordafrikanischen Wüstenstaat wird immer chaotischer und droht in einen Bürgerkrieg umzuschlagen. Der 68-jährige Diktator, der seit 42 Jahren Libyen mit fester Hand regiert, versucht offenbar mit Elitetruppen, die von seinem Sohn Khamis geführt werden, die Aufstände im Keim zu ersticken.

Aus mehreren großen Städten, wie etwa Benghazi und Al-Baida werden Kämpfe mit vielen Opfern gemeldet. Allein in Benghazi sollen bisher mehr als 100 Demonstranten erschossen worden sein. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ spricht von mindestens 84 Toten, die in die Spitäler des Landes gebracht wurden. Überprüfen lässt sich das aber nur schwer: Gaddafi versucht mit allen Mitteln, dass so wenig wie möglich über die Proteste in Libyen an die Weltöffentlichkeit dringt. Das Regime schaltete Internet und Mobilfunk weitgehend ab.

„Hier wird in vielen Straßen gekämpft“, berichten Augenzeugen aus Benghazi, der mit 700.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Libyens, wo einige Telefonleitungen zunächst noch funktionierten. Die berüchtigte „Khamis Brigade“, zu der auch ausländische Söldner gehören sollen, versuche mit brutaler Gewalt, die Kontrolle über die Stadt zurückzugewinnen, berichtet der Mann dem britischen Nachrichtensender BBC. Sie hätten auch ein Protestcamp von Anwälten, Richtern und Regimegegnern vor dem städtischen Gerichtsgebäude angegriffen. Die Demonstranten seien geflohen, hätten noch versucht, ihre „Toten und Verletzten mitzunehmen“.

Heckenschützen, ausgebrannte Autos. Zehntausende Regimegegner waren seit Tagen durch die Hafenstadt gezogen, hatten Regierungsgebäude, Polizeistationen angezündet, einen staatlichen Radiosender gestürmt. Die Gaddafi-Gegner schienen vorübergehend die Oberhand zu gewinnen. Dann schlugen Gaddafis Truppen, die per Luftbrücke verstärkt worden sein sollen, zurück. Es gäbe „Dutzende Tote“ auf den Straßen, Heckenschützen auf den Dächern, hieß es, und allerorten ausgebrannte Autos.

Sogar Trauermärsche, mit denen die Toten unter Anteilnahme von tausenden Menschen zu Grabe getragen wurden, seien beschossen worden. „Das ist ein Krieg“, lautet knapp eine Twitter-Kurznachricht aus Benghazi. Ein anderer spricht von einem „Massaker“ und fragt: „Wo sind die Vereinten Nationen?“ Es gebe „mehr als 120 Tote“ allein im Al-Jalaa-Hospital, einem von mehreren Krankenhäusern der Stadt, die mit hunderten Schwerverletzten überfüllt sein sollen. Viele Opfer seien „mit Kopf- und Brustschüssen“ buchstäblich hingerichtet worden. „Wir brauchen dringend Blutspenden“, bitten die Ärzte.

Die meisten Informationen kommen derzeit noch aus Benghazi. Aus vielen anderen Städten, in denen angeblich auch hart gekämpft wird, hört man so gut wie nichts mehr – was Schlimmes befürchten lässt. Grausame Videos, die in der Internetplattform YouTube kursieren und auf denen viele schrecklich zugerichtete Tote und Verletzte zu sehen sind, lassen wenig Zweifel daran, dass Gaddafi mit aller Härte die Proteste niederschlagen will.

Offenbar sind inzwischen viele Polizisten und junge Wehrpflichtige der Armee zu den Demonstranten übergelaufen. Und diese scheinen wild entschlossen, aufs Ganze zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)

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