Geschmacksfrage: Livingstone

Das Livingstone ist seiner Zeit voraus gewesen. Oder hinterher. Jetzt feiert es unter neuem Chef den 15.

(c) Julia Stix

INFO

In Wien kommt manches zu spät und doch zu früh – international gesehen, lokal funktioniert es auch so: Als vor genau 15 Jahren das Livingstone, beziehungsweise der Planter’s Club eröffneten, erstanden quasi die Yuppies und die späten 80er auf: Zigarren auf Lederfauteuils unter Zimmerpalme – zugegeben, der Mojito und der Kolonialstil waren neu für Wien. Die Steakküche war von Anfang an passabel, in Wien gab es nun eine Schutzzone für Yuppies. Der Chef war immer rührig, hatte gute Beziehungen zum roten Rathausadel – nein, das ist kein Widerspruch, sondern ein Pleonasmus –, war wichtig für das Standing. Die Gäste aus dem nahen blau-orangen Hauptquartier wurden eben geflissentlich übersehen. Zugegeben: Das alles klingt nicht sehr positiv, aber das Lokal hatte einen fixen Platz in der Stadt. Und ich habe dort passabel gegessen und gut getrunken.

Habe ich schon erwähnt, dass es gute Steaks gab? Ja. Denn vor zehn Jahren konnte man in Wien gute Pasta, guten Fisch und nicht ganz so guten rohen Fisch essen, Letzteres störte kaum, aber keine guten Steaks. Vor zwei Jahren – und dann beenden wir die alten Geschichten – begann die Steakrevolution. Mittlerweile hat fast jeder Imbiss einen Dry-Aged-Grill und einen Josper-Kühlschrank, oder war es umgekehrt, und manche Wein-Sommeliers satteln auf Fleischlexikon um. Das wäre im Livingstone, das in wenigen Tagen die große Geburtstagssause feiert, schade, denn das Lokal hat dank des alten Betreibers eine der besseren Weinkarten der Stadt, ganz unmodisch mit teurem Bordeaux. Natürlich gibt es hier Dry-Aged-Beef ohne Ende, mehr Multikulti-Auswahl verschiedener Rindsviecher gibt es nicht. Sehr gut, wirklich!

Andere Gerichte schmecken ähnlich romantisch-retro wie die Caipirinha: Hier gibt es noch Tuna aus dem Wok, gebratene Jakobsmuscheln und getrüffeltes (!!!) Erdäpfelpüree. Der neue Eigentümer, Robert Glock – ja, aus der Pistolenfamilie – zeigte in seinem Lokal Saag am Wörther See, dass Szene-Partylokal und sehr gute Küche kein Widerspruch sein müssen. Ein bisschen etwas lässt sich hier ändern. (Die Baustelle davor gehört zum Hotel gegenüber.) Aber vielleicht ist das Lokal eine solche Institution, dass jede Veränderung riskant ist. Ich komme ja nur einmal im Jahr.

Livingstone, Wien 1, Zelinkagasse 4, Tel.: 01/533 33 93 , täglich 17 bis 1.30 Uhr

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