Medizin: Kinder aus Stammzellen?

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Die ethisch scheinbar unbedenklichen Wunderzellen stellen ganz neue Probleme.

Als vorletzten Sommer erstmals embryonale Stammzellen ohne die Zerstörung von Embryos erzeugt wurden, atmeten viele auf, stellvertretend tat es US-Präsident Bush, der einen „wissenschaftlichen Fortschritt innerhalb ethischer Grenzen“ konstatierte. Aber einer widersprach eine Woche später gegenüber Nature, Shinya Yamanaka (Kyoto), das ist der Forscher, dem das Mirakel gelungen war: „Wir legen neue ethische Fragen vor, vielleicht schlimmere, weil viele Menschen das tun können – ohne irgendjemandem etwas davon zu sagen.“ Das tun können? Was tun können?

Aus den Wunderzellen Kinder machen, dahin zielt Yamanakas Sorge. Die fraglichen Zellen heißen induzierte pluripotente Stammzellen (iPS), man erzeugt sie durch die Verjüngung erwachsener, ausdifferenzierter Zellen, etwa Hautzellen. In sie transferiert man Gene – mit Viren –, ganze vier reichten Yamanaka und seinem Postdoc Kazutoshi Takahashi. Es ging so einfach, dass sie es ein halbes Jahr lang vor ihren Labor-Mitarbeitern verheimlichten, unter immer neuen Ausreden fielen die wöchentlichen Routine-Meetings aus. Dann war die Publikation durch (Cell, 126, S.663), dann begann das Rennen.

Inzwischen überschlägt es sich so, dass Yamanaka in seiner letzten Publikation (Science, 14.2.) Fehler unterliefen – er konnte Betrugsverdacht im Nachhinein ausräumen – und dass Nature in einem Editorial warnt, die Stammzell-Forschung könne „über ihre eigene Hast stolpern“ (452, S.388). Das liegt vor allem daran, dass das Verfahren auf den ersten Blick so einfach funktioniert, dass jeder halbstudierte Molekularbiologe es praktizieren kann.

Jeder Reproduktionsmediziner auch: Aus iPS kann man jeden Zelltyp gewinnen, auch Gameten, männliche und weibliche Keimzellen, Spermien und Eizellen. Die muss man dann nur noch zusammenbringen: So könnte jeder Mann sich selbst vermehren – wahlweise auch gemeinsam mit einem Partner –, Frauen könnten es nicht, weil es zur Produktion von Sperma das männliche X-Chromosom braucht.

Auch Klone werden möglich

Aber sie könnten etwas anderes, Männer könnten das auch: sich klonen. Die oben geschilderte Variante brächte keine Klone, weil die Genome sich in Sperma und Eizellen neu mischen. Man könnte aber auch iPS in entkernte Eizellen einbringen und die von Ersatzmüttern austragen lassen, dann hätte man einen Klon, bei Mäusen ist es Rudolf Jänisch (MIT) gelungen. Grund genug zur Sorge? Für das japanische Wissenschaftsministerium schon, es hat Yamankas Bedenken aufgenommen und am 21. Februar einen Erlass an alle einschlägigen Forscher verschickt: Verboten sind „die Implantation von Embryos, die mit iPS-Zellen gemacht sind, in Menschen oder Tiere; die Produktion von Individuen aus iPS auf anderen Wegen; die Einführung von iPS in Embryos und die Produktion von Keimzellen aus iPS“ (Nature, 452, S.406).

STAMMZELLEN: Ethik

Embryonale Stammzellen (ES) sollen alle erdenklichen Transplantate liefern. Aber zu ihrer Gewinnung werden Embryos zerstört.

Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) haben dieses Problem nicht, sie sind verjüngte Zellen. Aber mit ihnen könnten – leicht – Kinder produziert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2008)

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