Das Monster von Loch Scheuch

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Die Jagd nach dem Krokodil in der Drau hat das Zeug zum sommerlichen Drama mit großem Potenzial zur Legendenbildung. Krokodile tauchen indes immer wieder in Gewässern auf. Häufig werden sie ausgesetzt.

Ein Fluss, zwei Kinder, ein frisch gekürter Landeshauptmannstellvertreter und ein rosa Badeschlapfen – das sind die Akteure in einem sommerlichen Drama, das sich dieser Tage in Kärnten abspielt. Und dann wäre da auch noch ein Krokodil als verbindendes Glied zwischen all den Akteuren – von ihm fehlt allerdings jede Spur. Wobei, nicht ganz jede, denn die eingangs erwähnten zwei Kinder berichten, dass sie am Mittwoch das Reptil beim Baden in der Drau gesehen haben. Das Tier habe sich aus dem Wasser in Richtung Ufer bewegt, dort in ihre Kleidung gebissen und sei dann wieder im Fluss verschwunden. An dieser Stelle kommt der rosa Badeschlapfen ins Spiel – denn auf ihm fanden sich einige Kratzer. Kratzer, die vom Gebiss des Krokodils stammen könnten. Um das filmreife Drehbuch zu vervollständigen: Bei den Badeschlapfen handelt es sich um bunte Kunststoffschuhe der Marke „Crocs“. Und als wäre diese Koinzidenz nicht genug – der Vorfall passierte auf einem Teilstück der Drau, für das FPK-Chef und Landeshauptmannstellvertreter Kurt Scheuch die Fischereirechte besitzt.

Kaum entdeckt, lief das Katastrophenmanagement an. Wasserrettung, Feuerwehr und Polizei samt Hubschrauber machten sich auf die Suche nach dem Reptil. Die Bilder der Crocs, auf denen Klebestreifen die Länge und die Position der Bissspuren vermerkten, gingen durch die Medien. So wie auch ein Foto des herbeigeeilten Kurt Scheuch, wie er mit fassungslosem Blick den rosa Schlapfen in seiner Hand begutachtet. Alle Ingredienzien für eine spektakuläre Geschichte waren vorhanden – als hätte es Steven Spielberg nach dem „Weißen Hai“ noch einmal wissen wollen. Und auch eine Reptilienexpertin namens Helga Happ wurde aufgeboten, um die Authentizität der Bissspuren auf den Schuhen zu bestätigen.

„Betreten verboten!“ und „Achtung Krokodil“ war auf den Schildern zu lesen, die die Bezirkshauptmannschaft rund um das betroffene Gebiet aufstellte. Passanten, die sich zu nahe an die Gefahrenzone herangewagt hatten, wurden wieder weggeschickt. Und Bezirkshauptmann Klaus Brandner durfte die Rolle des besonnenen Politikers einnehmen, der in den Medien zur Ruhe appellierte: „Es braucht niemand Angst zu haben, man braucht einfach nicht zum Wasser zu gehen.“

Bissige Fische. Es ist nicht das erste Mal, dass in Kärnten ungewöhnliche Tiere ihr Unwesen treiben. Erst im Juli 2010 gab es am Wörthersee Alarm, weil zahlreiche Kärntner und Touristen von Fischen attackiert worden waren. In Boulevardmedien wurden Opfer abgelichtet, die mit dem Finger auf – nicht sichtbare – Bisswunden zeigten. Und schließlich wurde der bis zu 20 Zentimeter große Sonnenbarsch als Übeltäter ausgemacht. Einige dieser Fische hätten ihre Nester bewacht und Angreifer in die Wade gebissen. Um die Ungefährlichkeit der Tiere zu beweisen und Schaden für den Tourismus abzuwenden, ließ Landeshauptmann Gerhard Dörfler eigens ein Planschbecken vor dem Schlosshotel Velden aufstellen und badete todesmutig seine Zehen im Becken voller Sonnenbarsche.

Im selben Monat gab es aber gleich die nächste Attacke – aus einem Stausee an der Drau zog ein Fischer plötzlich einen Piranha. Einen Raubfisch, der eigentlich nur in tropischen Gewässern vorkommt. Der Obmann der Landesfischereivereinigung kalmierte: „Es besteht kein Grund zur Panik. Piranhas greifen Menschen nicht an. Das sind alles Erfindungen“, erzählte er in der „Kronen Zeitung“.

Aber auch außerhalb Kärntens gab und gibt es gelegentlich rätselhafte Erscheinungen. So stand etwa die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck im Frühjahr 2007 vor einem Rätsel – in der Vöckla entdeckten Kinder einen ein Meter langen toten Hai. Nach einigen Tagen der Unsicherheit, ob der Fluss nun von Killerfischen bevölkert wird, stellte sich der Fall als eher profan dar – ein Lehrling eines Restaurants hatte den Kadaver ins Wasser geworfen.

Krokodil im Donaukanal. Krokodile tauchen indes immer wieder in Gewässern auf. Häufig handelt es sich um Tiere, die ausgesetzt werden, weil sie dem Besitzer zu groß geworden sind. Im Juli 2007 entdeckte etwa ein Mitarbeiter einer Tullner Gärtnerei einen Kaiman in einem Biotop. Und im Sommer 2001 wurde ein Kaiman aus dem Wiener Donaukanal geborgen. Manchmal tauchen sie eben auf, manchmal bleiben sie im Verborgenen – so wie etwa „Schnappi“, ein Krokodil, das im Mai 2006 im Kärntner Silbersee gesehen worden sein soll – und das ein Augenzeuge Monate später in der Drau gesichtet haben will.

Gut möglich also, dass das kürzlich beobachtete Krokodil der lang gesuchte „Schnappi“ ist. Oder auch ein ganz anderes Tier – laut Reptilienexpertin Happ dürfte es sich jedenfalls um ein Afrikanisches Sumpf- oder ein junges Nilkrokodil handeln. Um es ja nicht zu verschrecken, wurde die Suche zuletzt wieder zurückgefahren. Feuerwehrboote und Polizeihubschrauber bleiben in der Garage. Ein paar Tage lang wird man wohl noch suchen. Und sollte das Tier dann nicht auftauchen, bleibt zumindest Stoff für eine Legende übrig – ein Tier, das immer wieder beobachtet wird, doch dessen Existenz dann doch nie bewiesen werden kann: das Monster von Loch Scheuch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2012)

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