Leopold Museum: Ein Engel mit Käthe Kollwitz' Zügen

Das Wiedersehen
Das Wiedersehen(c) Ernst Barlach Haus, Hamburg (Ernst Barlach)
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Das Leopold Museum zeigt zwei große deutsche Bildhauer, Ernst Barlach und Käthe Kollwitz, erstmals derart umfassend in Wien.

Dass die Welt nicht ganz so himmelblau war für Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, wie die Wahl der Wandfarbe insinuieren könnte, weiß Gustav Peichl natürlich. Trotzdem betont er als Architekt der ersten größeren Wiener Ausstellung des als „entartet“ verfemt und 1938 verstorbenen Bildhauers das Positive, Heitere, stellt die 42 Keramiken, Bronzen und Holzfiguren im Untergeschoß des Leopold Museums sozusagen unter freien Himmel, mitten ins Azurblaue, hinein in unsere Welt jedenfalls.

Jeder einzelnen der kleinen Figuren hat er einen eigenen weißen Sockel zugesprochen, sie locker im Raum gruppiert, alles wirkt luftig, leicht, wolkig. Und mittendurch führt einen doch, ganz sacht, ein Pfad – die „Barlach-Avenue“ zum Flanieren, beschreibt Peichl sein Konzept. Es ist ein wunderschönes, lebhaftes, das dem Besucher viel Freiraum lässt, die Werke neugierig zu umkreisen. Nichts Dunkles, Schweres, Mystisches tritt hier in den Vordergrund – sondern der sich wie zum Tief-Luft-Holen weit zurücklehnende Sänger (1928), der Melonenesser (1907), die außer sich geratene lachende Alte (1937) und als versöhnlicher Fluchtpunkt der „Avenue“ Barlachs berühmtes „Wiedersehen“, dem man sein biblisches Vorbild, den ungläubigen Thomas, der Jesus in die Arme sinkt, so gar nicht ansieht.

Der in einer ersten, bald revidierten Kriegsbegeisterung 1914 entstandene „Rächer“ scheint hier in seinem wuchtigen Vorstürmen, mit seinem weit ausholenden Säbel so fremd, wie er rückblickend in Barlachs Werk auch war. Schließlich war es der einfache, harte Alltag der Bauern und Arbeiter, dem der Pastorensohn mit seiner oft aufs Blockhafte reduzierenden Formensprache kleine Denkmäler setzte. In Peichls kommunikativer Inszenierung entstehen zwischen ihnen, von Sockel zu Sockel, kleine Geschichten, Zwiegespräche, denen man gerne folgt. Mit Argusaugen dabei beobachtet vom Meister höchstpersönlich, von ganz oben, als bärtiges Selbstporträt überlebensgroß mitten ins Himmelblaue gedruckt.

Mahnmal, zu Munition eingeschmolzen

Schwebend gelingt auch die Überleitung zum zweiten Teil der Ausstellung, zu Barlachs Kollegin Käthe Kollwitz, der eigene Räume gewidmet sind: Der Entwurf zu Barlachs Kriegsmahnmal im Dom seiner Heimatgemeinde Güstrow zeigt eine von der Decke hängende Figur mit mütterlichem Gesicht – „In den Engel ist mir das Gesicht von Käthe Kollwitz hineingekommen, ohne dass ich es mir vorgenommen habe“, soll der Bildhauer 1928 einem Freund erzählt haben. Die bronzene Ausführung wurde 1941 eingeschmolzen und vermutlich zu Munition verarbeitet. Heute hängt sie, neu gegossen, wieder am ursprünglichen Ort.

Auch Kollwitz hat Barlach in Bronze gewürdigt – als der von ihr verehrte Kollege 1938 starb, stellte sie sich in dem Relief „Die Klage“ tief trauernd dar. Berührend. Wie Kollwitz überhaupt mehr das Sentiment anspricht, mit dramatischerem Effekt arbeitet, als der immer mehr dem Formalen, dem Pathos verpflichtete Intellektuelle Barlach. Hier braucht es dann auch weniger Inszenierung, die Wände sind weiß, man ist alleine mit sich und der fremden Trauer um einen im Krieg gefallenen Sohn, den Kollwitz in ihren Zeichnungen, Holzschnitten, der Pieta beweint. Wie bei Barlach sind es die einfachen Menschen, die Kollwitz mehr interessierten als die glamouröse Bourgeoisie. Für Peichl ist sie gar die „Rosa Luxemburg der Kunst“, und auch sie galt als „entartet“, starb 1945. Ihr prophetischer Blick in einem eindrucksvollen, fahlen Selbstporträt von 1904 scheint das alles bereits vorausgesehen zu haben.

ZUR AUSSTELLUNG

Rudolf Leopold besitzt die größte Käthe-Kollwitz-Sammlung in Österreich. Die Skulpturen Ernst Barlachs sind vom Barlach-Haus in Hamburg geliehen. Gustav Peichl gestaltete die von Leopold zusammengestellte Ausstellung, die Barlach erstmals in Österreich derart umfassend präsentiert. Daten: 13.2.–25.5., tägl. außer Di: 10–18h, Do: 10–21h.

Kollwitz (1867–1945) war mit Barlach (1870–1938) bekannt. Beide wurden in der NS-Zeit als „entartet“ verfemt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2009)

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