Wien und Brüssel versuchen, das Leben des entführten Österreichers zu retten. Aber: "Die Republik lässt sich nicht erpressen."
[Wien/Sanaa] Der Schrecken sitzt einen Tag nach dem dramatischen Videoappell des im Jemen entführten Österreichers Dominik N. tief. Im Wiener Außenministerium laufen die Bemühungen auf Hochtouren, um das Leben des 26-Jährigen zu retten. Denn die Zeit drängt: Sieben Tage hat die Regierung Zeit, auf die Forderungen der Kidnapper einzugehen. „Sonst werden sie mich töten", hat der verzweifelte Mann in der im Internet veröffentlichten Botschaft gesagt.
Die Vermittlungsbemühungen laufen auf allen Ebenen: Im Außenministerium tagt der Krisenstab. Und im Jemen selbst spricht der österreichische Botschafter, Gregor Kössler, im Außenministerium in Sanaa vor. Wie „die Presse" aus Diplomatenkreisen erfährt, will EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton Gespräche mit dem jemenitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi höchstpersönlich führen. Doch auf die Forderung der Entführer, eine Lösegeldzahlung, will man in Wien nicht eingehen - offiziell zumindest nicht. Zur Frage, ob Österreich im Extremfall bereit sei, Lösegeld zu zahlen, sagte Außenamts-Sprecher Martin Weiss zur „Presse": „Die Republik lässt sich nicht erpressen."
Ohnehin scheint derzeit die Hauptfrage zu sein, wer wirklich hinter der Geiselnahme steckt. Das am Samstag aufgetauchte Video hat die Ratlosigkeit erhöht: „Die Botschaft ist sehr nebulös und unkonkret gehalten", sagt Weiss. So sei nicht klar, was die Entführer wirklich wollen, da konkret keine Höhe des Lösegeldes genannt wurde. Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass die Entführer ein anderes Ziel haben. So kursieren Gerüchte, dass die Kidnapper politische Forderungen gestellt haben. Einen Hinweis darauf gibt das Video: In dem gut eine Minute langen Clip appelliert N. dezidiert an die jemenitische Regierung, ihm zu helfen. Das alles ist die Handschrift von radikalen Islamisten. Terrorexperten im Jemen gehen schon seit Wochen davon aus, dass der Österreicher sich in Händen einer al-Qaida-nahen Gruppe befinden könnte. Dazu Weiss: „Wir schließen kein Szenario aus." Möglich sei, dass es sich bei den Geiselnehmern um eine jemenitische Stammesgruppe handle oder um eine Terrorgruppe.
Wo sind die beiden Finnen?
Die Videobotschaft ist das erste Lebenszeichen des Österreichers, der am 21. Dezember in Jemens Hauptstadt Sanaa entführten wurde. Von den beiden Finnen, die gemeinsam mit N. gekidnappt worden waren, fehlt jede Spur. Möglich ist, dass sie sich mittlerweile in den Händen einer anderen Entführergruppe befinden. „Es kann aber auch sein, dass in den nächsten Tagen ein ähnliches Video mit den beiden anderen Geiseln auftaucht", befürchtet Weiss.
Dominik N. lebte schon länger als Arabisch-Student in Sanaa. Er war mit einem befreundeten finnischen Paar in der Altstadt der Hauptstadt von Kidnappern mit gezückten Pistolen zum Mitkommen gezwungen worden. „Eine Entführung wie diese hat es so noch nicht gegeben", betont Weiss. Im Normalfall werden Geiseln nicht in großen Städten gefangen genommen. „Diese Entführung erforderte erheblichen organisatorischen Aufwand. Die Geiseln wurden wohl schon seit längerer Zeit beobachtet." Terror-Experten glauben, dass die drei Geiseln von ihren kriminellen Entführern an al-Qaida weiterverkauft wurden. Gerüchten zufolge sollen sie sich in Radaa aufhalten. Die Stadt steht seit einem Jahr unter Kontrolle der Gotteskrieger.
Im Jemen gilt diese Art der Entführung - mit Weitergabe der Geiseln an die al-Qaida - als gefährlicher Präzedenzfall. Die Regierung fürchtet, „dass sich künftig immer mehr Stämme oder Banden an dieser Art Geschäft beteiligen", so ein hoher Beamter.
In einer ähnlichen Aktion war im letzten Jahr der saudische Vizekonsul Abdullah entführt und an al-Qaida weiterverkauft worden. In den vergangenen 15 Jahren sind schätzungsweise 200 Ausländer im Jemen als Geiseln genommen worden, in der Regel von Stammeskämpfern, die gegenüber der Zentralregierung konkrete Anliegen wie eine neue Straße, eine Anbindung an die Stromversorgung oder die Freilassung inhaftierter Verwandter durchsetzen wollten. Ungewöhnlich war bisher, dass die Opfer - wie im Fall des österreichischen Studenten und des saudischen Vizekonsuls - eine Videobotschaft aufsagen müssen und mit dem Tode bedroht werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2013)