Natureisbahn Weißensee: Herrn Janks Gespür für Eis

Natureisbahn Weissensee Herrn Janks
Natureisbahn Weissensee Herrn Janks(c) Norbert Rief
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Seit diesem Wochenende drehen wieder tausende Holländer ihre Runden auf dem Weißensee. Ein Mann sorgt dafür, dass sie es können. Die Erderwärmung stellt Jank auch ohne wissenschaftliche Studien fest.

Es ist warm. Viel zu warm. Die Holländer, die ihre Winterjacken in der Hand tragen, blicken besorgt drein. Die Wirtsleute klagen über die generell immer lauer werdenden Winter, im Tourismusbüro ist man nervös. Nur einer bleibt ruhig. „Das wird schon“, sagt Norbert Jank mit Blick auf die grünen Berge und den See mit seinen riesigen Wassserlacken. „Das Eis hält.“

Und wenn er das sagt, dann ist das so. Auch wenn es Plusgrade hat, die Bäume austreiben und sich riesige Löcher im Eis bilden. Egal. Wenn Norbert Jank sagt, dass das Eis hält, dann hält es. Jank hat ein Gespür fürs Eis. Nicht angeboren, wie bei Peter Hoegs Romanfigur Smilla, sondern lang und hart erlernt. Über vier Jahrzehnte. Und deswegen sind sie am Weißensee am Ende auch relativ entspannt.

Es geht um viel in diesen Tagen.Seit gestern wird wiederder größte holländische Volkseislauf auf dem Kärntner See ausgetragen. Etwa 5000 Niederländer kommen jedes Jahr hierher, um stundenlang auf den 6,4Quadratkilometern oben in den Gailtaler Alpen ihre Runden zu drehen – 50, 100 oder gar 200Kilometer weit – , weil sie es in den Niederlanden nicht mehr können. Dort ist es nämlich seit Jahren zu warm, deshalb frieren die Kanäle zwischen den Städten nicht mehr zu.

Also hat man vor 21 Jahren Kärnten als „Alternatieve Elfstedentocht“ (Alternative Elf-Städte-Tour) entdeckt, und seither betreut Jank im Auftrag der Gemeinde jeden Winter das Eis des Sees. Mag schon sein, dass die Natur dafür sorgt, dass der See zufriert. Aber Jank sorgt dafür, dass er möglichst lange – 70, 80Tage – zugefroren bleibt und die Holländer nicht baden gehen. Das hat ihn in bestimmten Kreisen recht berühmt gemacht. „In Holland“, erzählt ein Tourist, „gibt es zwei Menschen, die jeder kennt: Die Königin und Norbert Jank.“

„Man wird über die Jahre natürlich bekannt“, sagt Jank, auf dessen Jacke die Logos diverser Sponsoren kleben. Als er einmal in Holland war und bei einer Tankstelle nach jemandem fragte, habe ihn der Pächter mit Namen begrüßt. „Aber es hat halt schon auch seine Schattenseiten“, meint er. „Man muss si immer a bissl z'sammenreißn in der Öffentlichkeit, da kannst di nit einfach gehen lassen.“

Wobei Norbert Jank nicht den Eindruck von jemandem macht, den es viel kümmert, was andere über ihn sagen. Der Kärntner ist 64Jahre alt, gestählt durch jahrzehntelange körperliche Arbeit, mit Händen wie Schneeschaufeln und einem Gesicht mit Furchen so tief, dass sie eine Zeitung als „Gebirgszüge“ beschrieb. „Ich hab halt immer in der freien Natur gearbeitet“, sagt Jank. „Ich weiß nicht, ob das g'sund ist. Aber ich hoff halt, dass es nichts schadet.“

Einmal hat er doch auf das Gerede der Leute gehört, damals, als er 21Jahre alt war und seine Pension gebaut hat mit 30 Betten. „Da haben die Leit g'sagt, jetzt hat er sich übernommen, das schafft er nicht.“ Das sei ihm Ansporn gewesen: Tag und Nacht habe er gearbeitet und viele Nebenjobs gemacht, weil er ja nie wirklich etwas gelernt hat. So hat er es geschafft. „Wir haben uns alles leisten können, was wir wollten“, sagt er, und seither antwortet er auf die Frage nach seinem Hobby: Arbeiten.

Und natürlich der See. Den hat er 1968 entdeckt, als er Touristen in der Kutsche herumgefahren hat. Weil die Straßen immer gestreut waren, wich er auf den See aus, und da „hab ich angefangen, so ein gewisses Gefühl für das Eis zu entwickeln“. Als er etwa sah, wie Pferdeäpfel und Holz die Wärme anziehen und das Eis zerstören. Deswegen gibt es heute überall „Robi-Dog“-Säcke, damit die Hundstrümmerln nicht Löcher ins Eis brennen.

Schlimmer ist der Schnee. Der sei wie eine „Daunendecke“. „Der Schnee muss weg, damit die Kälte aufs Eis kommt.“ Wenn zu viel Schnee liegt, bohrt Jank Löcher in den See. Dann kommt das Wasser hoch, durchnässt den Schnee, der dann gefriert. Ist zu viel Wasser auf dem See, bohrt er auch Löcher, damit es abfließen kann. „A bissl a Wasser is gut, weil es die Sonne vom Eis weghält. Aber zu viel ist schlecht.“ Über die Jahre entwickelt man ein G'spür, wie viel zu viel ist. Auch dafür, wann das Eis wie viel hält: Sieben Zentimeter braucht der Quad, 13Zentimeter ein Auto, und manchmal „muasst halt a bissl schneller drüberfahren. Wennst stehenbleibst, bricht das Auto ein.“ Zwei hat er schon im See versenkt – „auf die Jahre gerechnet ist das nix“.


Globale Erwärmung. Selbstsicher betritt Jank das Eis, setzt die Bohrmaschine an und demonstriert anhand des Lochs, was er meint: „Das Eis ist trocken, das hält.“ Wenn es weiter unten nass ist, „dann wird's kritisch“.

In den vergangenen Jahren wurde es immer öfter kritisch. Die Erderwärmung stellt Jank hier oben am Weißensee auch ohne wissenschaftliche Studien fest. Seit 1973 hat er detaillierte Aufzeichnungen gemacht: Wann der See zufriert, wie lange er zugefroren ist, wie tief er friert. In den vergangenen 22Jahren sind alle Werte um „30, 40 Prozent“ zurückgegangen. Möglicherweise müssen sich die Holländer in ein paar Jahren wieder ein neues Gebiet suchen.

Bis dahin aber betreut sie Jank. Fährt mit seinem speziell konstruierten Schneepflug 25 Kilometer lange Bahnen und macht damit den See zur weltgrößten Natureisbahn; bohrt Löcher und beantwortet geduldig das Handy, das in regelmäßigen Abständen läutet. Leute wollen wissen, ob das Eis an dieser oder jener Stelle hält. Dann überlegt Jank kurz und fällt schließlich sein Urteil: „Das hält.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2011)

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